Was gegen ein Bündnis zwischen den USA und Russland spricht
Leitartikel Der designierte Präsident Donald Trump hegt offensichtlich ehrliche Sympathien für Wladimir Putin. Die Frage ist, ob das für eine enge Partnerschaft reicht
Die Signale sind unmissverständlich. Da kündigt jemand einen Neustart für die festgefahrenen amerikanisch-russischen Beziehungen an: „Nötig ist eine globale Partnerschaft, und diese Partnerschaft wird stärker sein, wenn Russland seinen angestammten Platz als Großmacht einnimmt“,sagte...nein,nichtder designierte US-Präsident Donald Trump. Das war Barack Obama im Sommer 2009, in der Frühphase seiner ersten Amtsperiode. Der Präsident also, der Russland vor gut zwei Jahren als „Regionalmacht“abkanzelte und damit Wladimir Putin öffentlich demütigte. Heute sind die Beziehungen der beiden weltweit größten Atommächte völlig zerrüttet.
Was heißt das für die aktuelle Lage? Es zeigt, dass ehrliche Bemühungen, von Washington aus das Verhältnis zu Moskau zu verbessern, nicht zwangsläufig von Erfolg gekrönt sind. Das sollten alle im Hinterkopf haben, die jetzt restlos davon überzeugt sind, dass Trump den Schulterschluss mit Moskau auf Kosten Europas vollziehen wird.
Sicher, der hemdsärmelige Milliardär aus New York hat seine Bewunderung für Putins „Führungsstärke“in die Welt hinausgetwittert. Gleichzeitig hat er China durch sein Telefonat mit der Regierungschefin von Taiwan – nach Pekings Lesart nicht mehr als eine abtrünnige Insel – herausgefordert. Das sind nur zwei Indizien dafür, dass Trump ernsthaft einen Neuanfang im Verhältnis zu Moskau sucht. Es gibt weitere. Nahe liegt, dass er sich Putin als „tough Guy“(„harter Hund“) gut als Partner für seine „Deals“vorstellen kann. Trump hat bereits beschrieben, wie erfolgreiche Außenpolitik für ihn aussieht: Eine Abfolge von „Geschäften“, ausgehandelt von denjenigen, die auf der Weltbühne die erste Geige spielen.
Doch ob daraus ein enges Bündnis mit Russland wird, kann bezweifelt werden. Schließlich wäre die Basis dafür Vertrauen. Das mögen Trump und führende Köpfe in seinem Team haben – in seiner Partei aber sitzt das Misstrauen gegen Russland traditionell tief. Der einflussreiche republikanische Senator John McCain hat sich an die Spitze der Abgeordneten gesetzt, die wissen wollen, ob die ungeheuerlichen Vorwürfe, Moskau habe per Cyberangriff massiv in den Wahlkampf eingegriffen, zutreffen. Präsident Obama wird nichts unversucht lassen, bis zum Ende seiner Amtszeit hieb- und stichfeste Ergebnisse vorzulegen. Trump, der seinen Sensationssieg diskreditiert sieht, hatte diesen Verdacht frühzeitig und gegen die Expertise der US-Geheimdienste als haltlosen Blödsinn bezeichnet. Das könnte für ihn sehr bald zum Problem werden und seine Pläne, auf Putin zuzugehen, deutlich erschweren.
Noch nie gab es rund um den Globus so viele Mutmaßungen darüber, für welche Politik die Weltmacht Nummer eins in Zukunft stehen wird. Wie Trump sein Amt auslegen wird, weiß wohl nur er selbst – und auch das ist nicht sicher. Europa allerdings hat guten Grund, sich schon jetzt Gedanken zu machen. Die Ära, in der die USA die westliche Welt anführten, aber auch als Schutzmacht bereitstanden, könnte in absehbarer Zeit zu Ende gehen. Eine Dominanz, die – auch in Deutschland – mitunter kritisch gesehen wurde.
Sollten sich die USA spürbar zurückziehen, werden sich für Europa erhebliche Lücken auftun. Politisch, aber auch militärisch. Da stellen sich viele Fragen: Was wird dann aus dem Konflikt in der Ukraine? Was geschieht in Afghanistan? Ist die schwer angeschlagene EU in der Lage, eine eigenständige Sicherheitspolitik zu entwerfen? Schnelle, effektive Antworten könnten für die EU existenziell werden.
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