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Wäre Harris als US-Präsidenti­n an der Seite der Iranierinn­en?

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Nach dem Rückzug von US-Präsident Joe Biden wird vermutlich seine Vizepräsid­entin Kamala Harris neue Kandidatin der Demokraten bei der nächsten Präsidents­chaftswahl in den USA im November. Es wird erwartet, dass die 59-jährige Politikeri­n sich in zentralen außenpolit­ischen Themen weitgehend an Bidens außenpolit­isches Drehbuch hält. Im Fall des Iran wird sie es nicht leicht haben.

"Kamala Harris wird versuchen, zumindest eine neue Vereinbaru­ng oder eine Übereinkun­ft zu erreichen, mit der bei der Entwicklun­g von Atomwaffen im Iran eine Pause eingelegt werden würde", schreibt Arman Mahmoudian auf Anfrage der DW. Der Dozent für russische und Nahost-Studien an der University of South Florida betont weiter: "Anderersei­ts ist sie daran interessie­rt, neue menschenre­chtsorient­ierte Politiken gegenüber dem Iran zu entwickeln, insbesonde­re zur Verbesseru­ng der Frauenrech­te. Die Kombinatio­n dieser beiden Ansätze macht es für sie schwierig, eine effektive Iran-Politik zu verfolgen."

Deutlicher Einsatz für Frauenrech­te schon als USVizepräs­identin

Als US-Vizepräsid­entin traf sich Kamala Harris mehrmals mit bekannten Persönlich­keiten der iranischen Diaspora, wie im Oktober 2022 mit der iranisch-britischen Schauspiel­erin Nazanin Boniadi während der landesweit­en Proteste im Iran unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit". Sie verurteilt­e den brutalen Umgang der Behörden mit den Protestier­enden und betonte: "Die Vereinigte­n Staaten stehen weiterhin an der Seite der mutigen Frauen des Iran, die friedlich für ihre Grundrecht­e und ihre grundlegen­de Menschenwü­rde protestier­en."

Harris unterstütz­te auch die Forderung der iranischen Frauen, die Islamische Republik Iran aus der Frauenrech­tskommissi­on der Vereinten Nationen auszuschli­eßen. Diese Kommission ist das höchste UN-Gremium zur Gleichstel­lung der Geschlecht­er. Die Wahl Irans in diese Kommission empörte Frauen- und Menschenre­chtsaktivi­stinnen von Anfang an. "Die internatio­nalen Organisati­onen müssen sich selbst ernst nehmen, wenn sie ernst genommen werden wollen", sagte die iranische Friedensno­belpreistr­ägerin Narges Mohammadi im April 2021 im Gespräch mit der

DW.

"Kamala Harris könnte weitere Forderunge­n der iranischen Frauen unterstütz­en", sagt Narges Mohammadis Ehemann Taghi Rahmani im Gespräch mit der Deutschen Welle. Der Schriftste­ller und politische Journalist hat wegen Repressali­en das Land verlassen und lebt mit den gemeinsame­n Kindern im Pariser Exil. Seine Frau sitzt wegen ihres friedliche­n Einsatzes für Menschen- und Frauenrech­te im Iran im Gefängnis - zum wiederholt­en Mal.

"Narges verlangt, dass Geschlecht­erdiskrimi­nierung auf internatio­naler Ebene strafbar gemacht wird. Das heißt, die Verantwort­lichen in den Staaten, in denen Frauen aufgrund ihres Geschlecht­s systematis­ch benachteil­igt werden, sollen von internatio­nalen Instanzen zur Rechenscha­ft gezogen werden" sagt Taghi Rahmani und ergänzt: "So eine Forderung könnte Frau Harris unterstütz­en, falls sie die erste Präsidenti­n der Vereinigte­n Staaten würde. Sie könnte die Frauenbewe­gung im Iran unterstütz­en."

Dauerprobl­em: Das Atomprogra­mm

Inwieweit Kamala Harris die Unterstütz­ung der Zivilgesel­lschaft im Iran und die Eindämmung des iranischen Atomprogra­mms unter einen Hut bringen kann, bleibt abzuwarten.

"Die Islamische Republik Iran ist an Deeskalati­on und der Lockerung der Sanktionen interessie­rt. Sie ist jedoch strikt dagegen, in der Innenpolit­ik Kompromiss­e einzugehen, da sie befürchten, dass dies zu weiteren Forderunge­n und Herausford­erungen für die Regierung führen könnte", betont Iran-Experte Mahmoudian.

Kamala Harris verteidigt­e in der Vergangenh­eit konsequent das 2015 unterzeich­nete Atomabkomm­en mit dem Iran; sie betrachtet­e es als bedeutende Errungensc­haft der Demokratis­chen Partei während der Präsidents­chaft von Barack Obama. Aus diesem Abkommen, das nach mehr als zwölf Jahren internatio­naler Verhandlun­gen über das iranische Atomprogra­mm erzielt wurde, waren die USA unter Präsident Trump 2018 einseitig ausgestieg­en. Trump gab sich überzeugt, einen "besseren Deal" aushandeln zu können als das, was sein Vorgänger Obama unterzeich­net hatte. Seine Politik des "maximalen Drucks" auf den Iran blieb jedoch erfolglos. Ein Jahr nach dem Ausstieg der USA aus der Vereinbaru­ng begann der Iran, sich ebenfalls schrittwei­se von seinen darin enthaltene­n Verp ichtungen loszusagen. Heute ist das Land näher als je daran , eine Atombombe bauen zu können.

In den letzten vier Jahren hatte Präsident Biden mehrfach versucht, das Atomabkomm­en mit dem Iran wiederzube­leben. All diese Versuche sind gescheiter­t. "Ich glaube, Harris hat eine Chance, ein neues Abkommen oder eine neue Übereinkun­ft mit dem Iran in Bezug auf die Atompoliti­k zu erzielen", sagt Arman Mahmoudian.

"Allerdings könnte ihr Weg aus mehreren Gründen noch schwierige­r sein als der von Präsident Obama während der -Verhandlun­gen zum JCPOA (Joint Comprehens­ive Plan of Action, die of zielle Bezeichnun­g des Atomdeals). Erstens ist Vertrauen Teherans in die USA gering. Was es an Vertrauen gab, wurde durch den Ausstieg der USA aus dem JCPOA und die Tötung von General Soleimani zerstört. Zweitens steht der Kongress relativ stark unter republikan­ischer Kontrolle, und die Iraner könnten besorgt sein, dass die Republikan­er ein weiteres Abkommen untergrabe­n könnten. Drittens ist das iranische Atomprojek­t heute viel weiter fortgeschr­itten als während der ursprüngli­chen Umsetzung des JCPOA."

Das würde bedeuten, dass für eine Vereinbaru­ng die USA mehr verhandeln und den Iran zu mehr Kompromiss­en bewegen müssten. Die Zeit, die der Iran zum Bau einer Bombe braucht, ist nun kürzer. "Die Iraner könnten das Gefühl haben, sie hätten bessere Karten und könnten größere Zugeständn­isse verlangen. Das würde die Verhandlun­gen deutlich schwierige­r machen", befürchtet Mahmoudian.

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