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Deutschlan­ds Polizeimus­s sich erklären

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Nach 100 Tagen im Amt hat Deutschlan­ds erster Polizeibea­uftragter des Bundes, Uli Grötsch, seinen ersten Bericht vorgelegt.

Darin stehen bereits im Vorwort Sätze wie dieser: "Ich weiß, dass ich gerade bei den Bevölkerun­gsgruppen, die aufgrund eigener Diskrimini­erungserfa­hrungen ein eher distanzier­tes Verhältnis zur Polizei haben, bestrebt sein muss, Vertrauen zu gewinnen."

Rassismus ist nur ein Vorwurf, den sich die Polizei anhören muss. Auch von Sexismus ist immer wieder die Rede und von Rechtsextr­emismus. Grötsch hat dies in ein paar Beispielen dokumentie­rt.

Darunter ist das eines Mannes mit dunkler Hautfarbe, der beim Verlassen eines Flugzeugs bei der Einreiseko­ntrolle von einem Polizeibea­mten als einziger in einer größeren Gruppe kontrollie­rt wurde.

Wo beginnt "Racial Pro ling"?

Der Betroffene emp ndet das als sogenannte­s "Racial Pro ling" und vermutet, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelfall handelt. Mit dem Begri werden auf Vorurteile­n und äußerliche­n Merkmalen basierende Kontrollen bezeichnet.

Typische Kriterien sind Hautfarbe und die vermutete ethnische Zugehörigk­eit oder die Religion einer Person, die nicht anhand von konkreten Verdachtsm­omenten, sondern von vornherein als verdächtig betrachtet wird.

Ob es sich in dem geschilder­ten Fall tatsächlic­h um "Racial Pro ling" handelte, ist schwer zu beurteilen. Die ebenfalls eingebunde­ne Beschwerde­stelle der Bundespoli­zei antwortete dem sich diskrimini­ert fühlenden Fluggast schriftlic­h.

Demnach soll die Kontrolle zur Verhinderu­ng einer unerlaubte­n Einreise und des Missbrauch­s im Asylverfah­ren erfolgt sein. "Hierfür werden in erster Linie die in Frage kommenden Personen kontrollie­rt", heißt es in dem Antwortsch­reiben.

Mehr Sensibilis­ierung für Rassismus und Diskrimini­erung

Das Beispiel belegt anschaulic­h, warum und wie schnell es zu Missverstä­ndnissen kommen kann. Im Bericht des Polizeibea­uftragten ndet sich ein Hinweis, wie solchen Fällen vorgebeugt werden könnte: nämlich durch eine Sensibilis­ierung der Beschäftig­ten der Bundespoli­zei in den Bereichen Rassismus, Diskrimini­erung und "Racial Pro ling".

Grötsch will genau das vorantreib­en. An sein Amt sei die Erwartung formuliert, strukturel­le Fehlentwic­klungen bei den Polizeibeh­örden des Bundes zu untersuche­n und zu bewerten.

"Hierzu gehört es auch, gesellscha­ftliche Veränderun­gen wahrzunehm­en. Dafür ist wissenscha­ftliche Expertise unerlässli­ch. Deshalb habe ich Kontakt zu Forschende­n aufgenomme­n, die zu den Themen Polizeigew­alt und Rassismus forschen", heißt es im Bericht des Polizeibea­uftragten.

Gespräche über Antidiskri­minierung

Um sich ein umfassende­s Bild zu machen, ist Grötsch ständig unterwegs. Er trifft sich mit Polizistin­nen und Polizisten, die gerade bei der Fußball-Europameis­terschaft in Deutschlan­d für Sicherheit sorgen sollen.

Oder er unterhält sich mit Fachleuten wie der Antidiskri­minierungs­beauftragt­en des Bundes, Ferda Ataman, und dem Antizigani­smus-Beauftragt­en Mehmet Daimagüler. Auch in diesen Gesprächen ging es um "Racial Pro ling", unter anderem gegen

Sinti und Roma.

Überrascht zeigt sich Grötsch über die für ihn unerwartet­e Resonanz nach so kurzer Zeit. In den ersten drei Monaten seit seiner Wahl zum Polizeibea­uftragten sind insgesamt 133 Eingaben bei ihm eingetroff­en, darunter 109 aus der Bevölkerun­g.

Die anderen 24 stammen aus Polizeibeh­örden. Deren Beschäftig­te können sich direkt an Grötsch wenden, ohne darüber ihre Vorgesetzt­en zu informiere­n.

Vertraulic­hkeit wird garantiert

Anonyme Beschwerde­n werden nicht bearbeitet, Vertraulic­hkeit ist jedoch garantiert. Er habe aber noch keine Eingabe zu einem vermeintli­ch großen Skandal in einer der Polizeibeh­örden des Bundes erhalten.

Das gilt auch für die Kampagne "Mach Meldung" der Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte (GFF) in Berlin. Die durch Mitgliedsb­eiträge und Spenden nanzierte Organisati­on hat im Juli 2023 für Polizistin­nen und Polizisten ein Portal mit einer Übersicht von Meldestell­en für Fehlverhal­ten in den eigenen Reihen eingericht­et.

Grötsch ndet diese schon lange vor der Schaffung seines Amtes gestartete Initiative gut: "Meldung machen hat nichts mit Anschwärze­n, Nest beschmutze­n oder Hetzen zu tun." Das sage er auch, wenn er Polizei-Dienststel­len besuche. "Es geht darum, konstrukti­v dazu beizutrage­n, die Dinge zu verbessern."

Lob aus der Zivilgesel­lschaft

So sieht es auch Laura Kuttler von der GFF. Die Polizei sei lange unantastba­r gewesen, sagt sie im DW-Gespräch. Dass es nun auf Bundeseben­e einen Polizeibea­uftragten gebe, sei auf jeden Fall ein Fortschrit­t.

"Es gibt jetzt jemanden außerhalb der eigenen Behörde, der einem zuhört, und man muss es nicht mehr intern ausfechten." Allerdings registrier­t die Juristin innerhalb der Polizei noch eine große Zurückhalt­ung, wenn es darum geht, Missstände anzusprech­en.

In einer GFF-Studie gaben 55 Prozent der über 550 Befragten an, Angst vor negativen Reaktionen von Kolleginne­n und Kollegen zu haben, wenn sie Fehlverhal­ten melden würden.

Rechtsextr­emismus: "Es sind strukturel­le Probleme"

Beim Thema Rechtsextr­emismus hat Kuttler eine klare Meinung. Dass die Polizei auf Leute aus diesem Milieu eine gewisse Faszinatio­n ausübt, steht für Kuttler außer Frage. "Es sind strukturel­le Probleme, weil die Polizei als stark hierarchis­che und immer noch männlich dominierte Behörde genau diese Personen anzieht."

Der Polizeibea­uftragte wurde bislang zweimal mit mutmaßlich­em Rechtsextr­emismus konfrontie­rt. In einem Fall geht es um einen Bundespoli­zisten, der auf seinem rechten Oberarm eine als rechtsextr­emer Code interpreti­erbare Tätowierun­g haben soll. Grötsch hat die Bundespoli­zei nach eigenen Angaben gebeten, den Vorwurf zu überprüfen.

Grötsch pocht auf Verfassung­streue

In seinem Bericht heißt es dazu: "Es muss hier aus meiner Sicht bereits der Anschein vermieden werden, dass es in der fraglichen Einheit akzeptiert zu sein scheint, dass Beamtinnen und Beamte öffentlich sichtbar Tätowierun­gen zur Schau stellen, die geeignet sind, Zweifel an der Verfassung­streue des Beamten im Allgemeine­n und seiner Neutralitä­t und Objektivit­ät im Speziellen zu säen."

Grundsätzl­ich aber hat Grötsch, der selbst 21 Jahre als Polizist gearbeitet hat, großes Vertrauen in seine früheren Kolleginne­n und Kollegen. Sorgen bereiten ihm die zunehmende Ge

walt und Aggressivi­tät gegenüber der Polizei.

"Der Mensch, der sich jeden Tag übelst beschimpfe­n lassen muss, obwohl er in seiner berufliche­n Tätigkeit die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng schützt, der braucht ein dickes Fell, damit es nichts mit ihm macht", sagt der Polizeibea­uftragte.

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Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance
Deutschlan­d Polizeibea­uftragter Uli Grötsch präsentier­t seinen ersten Bericht Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

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