Deutsche Welle (German edition)
Frust und Angst imIran nach demAngriff auf Israel
Während Politiker weltweit die Angri e Irans auf Israel verurteilen, befürchten viele Menschen im Iran, dass der Kon ikt zwischen den verfeindeten Staaten eskaliert. Sie leiden unter der unberechenbaren Lage.
Experten haben ihrer Sorge Ausdruck gegeben, dass Israel auf die Raketenangriffe Irans seinerseits militärisch reagieren könnte und warnen davor, dass beide Staaten einen gegenseitigen Schlagabtausch vom Zaun brechen könnten.
General Hossein Salami, Kommandeur der mächtigen Revolutionsgarden des Iran, sagte im Staatsfernsehen, dass Iran eine neue Gleichung aufgemacht habe, in der jeder israelische Angri auf iranische "Einrichtungen, Vertreter des Staates oder Bürger" erwidert werde. Armeechef Mohammed Bagheri warnte: "Sollte Israel Vergeltung üben, wird unsere Antwort viel größer sein als die militärische Aktion von heute Nacht."
Um die Regierungsposition zu unterstreichen, wurde in der
Nacht ein auffälliges Wandgemälde auf Teherans Palästinaplatz enthüllt, das auf Persisch und Hebräisch den Slogan trägt: "Der nächste Schlag wird stärker sein."
"Antiisraelische Stimmung - DNA der Islamischen Republik"
Hamed Mohammadi, ein in Berlin lebender iranischer Journalist, erklärte gegenüber der DW, dass Iran militärische Mittel brauche, um seine Stärke zu demonstrieren. "Antiisraelische Stimmung ist die DNA der Islamischen Republik. Mit diesem Ansatz hat das Ausmaß an Kon ikten in der Region schrittweise zugenommen. Die jüngste Eskalation markiert eine neue Phase und gibt Israel faktisch grünes Licht für aggressivere Aktionen, selbst auf iranischem Staatsgebiet."
Viele Iranerinnen und Iraner scheinen Angst zu haben angesichts einer drohenden Eskalation des Kon ikts und eines potentiellen israelischen Angriffs auf iranische Städte. Am Sonntag zeigten mehrere Social Media Posts lange Schlangen an den Tankstellen, weil Iraner einen plötzlichen Anstieg der Benzinpreise befürchteten. Die Supermärkte waren voller Menschen, die ihren Vorrat an Grundnahrungsmitteln wie Reis und Brot aufstockten. Irans Währung, der Rial, el kurzfristig auf ein Rekordtief gegenüber dem US-Dollar, so die Online-Devisenhandelsseite Bonbast.
"Gefühl von Unsicherheit und Pessimismus"
Der Autor und politische Analyst Soroush Mozaffar Moghadam musste den Iran 2022 nach Beginn der regierungskritischen Proteste verlassen. Er sprach wenige Stunden nach dem Angri über soziale Netzwerke mit Menschen im Iran und erlebte, dass viele von ihnen verwirrt, verängstigt, unruhig und zögerlich waren
"Ihre Gefühle drehten sich um die Konsequenzen eines israelischen Angriffs auf den Iran, einen pessimistischen Blick in die Zukunft und große Unsicherheit", berichtete er der DW. Viele Iranerinnen und Iraner stünden nicht hinter der of ziellen Politik der Islamischen Republik, glaubt er, aber sie fühlen sich zu machtlos, um einen Wechsel zu bewirken. "Ein junger Mann betonte, dass er für sich keinerlei Zukunftschancen sehe und glaubt, die Mehrheit der Menschen im Iran könne die aggressive Haltung der Regierung nicht beein ussen."
erreicht. Die meisten Experten führten das auf die Aufweichung der Sanktionen zurück, seit Joe Biden an der Macht ist, so Isfahani.
"Die iranische Wirtschaft ist in der Tat zum Teil durch die Zunahme der Ölexporte gewachsen. Nicht der gesamte Anstieg des BIP, der sich auf etwa fünf Prozent pro Jahr beläuft, was im Vergleich zu dem, was in der Region insgesamt nach der Covid-Pandemie passiert, nicht schlecht ist", erklärt Isfahani.
Allerdings habe sich das nicht in einem höheren Lebensstandard für die Bevölkerung niedergeschlagen, betont der Iran-Experte. Denn viele nanzielle Ressourcen seien in den Ausbau des Militärs und anderer Maßnahmen des Regimes ge ossen.
Korruption und Intransparenz
Viel Geld versickert ohnehin in den intransparenten Strukturen der schiitischen Machthaber in Teheran. Im Index von Transparency International, der die wahrgenommene Korruption misst, steht Iran auf Platz 149 von 180 Ländern. Deutschland rangiert dort auf Platz neun, die USA auf dem 24. Rang.
Besonders undurchsichtig ist die Rolle der Revolutionsgarden (eine Parallelarmee) und religiösen Stiftungen, die zentrale Teile der Wirtschaft kontrollieren. Sie zahlen keine Steuern, müssen keine Bilanzen vorlegen und sind vor allem dem politischen und religiösen Oberhaupt der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei, unterstellt.
Für den Nahost-Experten Martin Beck von der University of Southern Denmark (SDU) ist die Wirtschaft des Iran geprägt durch "eine Vermengung der politischen mit der wirtschaftlichen Sphäre, die eine mit hoher Korruption verbundene staatliche Verteilungs- und Klientelpolitik befördert".
Niedrige Wirtschaftsleistung pro Kopf
Aber obwohl sich die Einnahmen aus dem Ölexport in den vergangenen Jahren zunehmend stabilisiert haben, ist der Iran alles andere als ein ökonomisches Schwergewicht. Obwohl seine Bevölkerung mit rund 88 Millionen fast zehnmal so groß ist wie die seines Erzfeindes Israel (neun Millionen), war seine Wirtschaftsleistung 2022 mit 413 Milliarden US-Dollar deutlich niedriger als die des jüdischen Staates mit 525 Milliarden US-Dollar.
Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag 2022 im Iran mit geschätzten rund 4043 US-Dollar weit abgeschlagen hinter Israel (54.336 US-Dollar) und dem regionalen Rivalen Saudi-Arabien mit rund 34.441 US-Dollar.
Wie sich die Wirtschaft des Landes weiter entwickelt, hängt vor allem davon ab, ob neue westliche Sanktionen die iranischen Ölexporte spürbar drosseln können.
Ölexporte sind entscheidend
Teheran ist es gelungen, in den ersten drei Monaten des Jahres durchschnittlich 1,56 Millionen Barrel (ein Barrel sind rund 159 Liter) Rohöl pro Tag zu verkaufen - und zwar fast alles nach China. Das war nach Informationen des Datenanbieters Vortexa der höchste Wert seit dem dritten Quartal 2018.
"Die Iraner beherrschen die Kunst, Sanktionen zu umgehen", wird Fernando Ferreira von der Rapidan Energy Group in den USA in der Financial Times zitiert. "Wenn die Biden-Regierung wirklich etwas bewirken will, muss sie den Fokus auf China verlagern."
Die USA sind zwar mittlerweile viel unabhängiger von Öl-Exporten aus dem Nahen Osten. Trotzdem würden höhere Ölpreise durch eine Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran auch die Weltmarkt-Preise - und damit die In ation weiter in die Höhe treiben. Für US-Präsident Joe Biden wäre das in einem Wahljahr mehr als ungünstig und eine Steilvorlage für seinen Herausforderer Donald Trump.
Doch ganz gleich, ob es zu einer Verschärfung der Sanktionen kommt oder nicht. Wäre die iranische Wirtschaft aktuell bereit für eine mögliche militärische Eskalation mit Israel?
Die Antwort von Djavad SalehiIsfahani ist deutlich: "Insgesamt ist sie nicht bereit für einen längeren militärischen Kon ikt. Deshalb haben sie (die Machthaber in Teheran, Anm. d. Red.) sehr darauf geachtet, sich nicht zu sehr in den Gaza-Krieg einzumischen. Und der Angri auf Israel war eher symbolisch als einer, der Schaden anrichten wollte."