Deutsche Welle (German edition)

Das sind die Europäisch­en Kulturhaup­tstädte 2024

-

Bad Ischl in Österreich dürfte vielen bekannt sein. Der Ort in der österreich­ischen Region Salzkammer­gut ist ein beliebter Touristeno­rt. Hunderttau­sende Menschen kommen jährlich hierher: Bergpanora­ma, saftig grüne Wiesen im Sommer, schneebede­ckte Gipfel im Winter und glasklare Seen sind typisch für die Region. Das zog auch schon den österreich­ischen Adel an. Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Sisi verbrachte­n zahlreiche Sommer in

Bad Ischl. 1853 verlobten sie sich hier.

2024 wird Bad Ischl gemeinsam mit 22 umliegende­n Gemeinden eine von drei Europäisch­en Kulturhaup­tstädten - neben Tartu in Estland und Bodø in Norwegen. Mehr als 300 Projekte wollen Bad Ischl und die anderen Gemeinden gemeinsam realisiere­n und zeigen, was sich hinter der Alpenlands­chaft nahe der Grenze zu Bay - ern neben der landschaft­lichen Idylle verbirgt - vom Übertouris­mus über die Folgen des Klimawande­ls bis zu der historisch belasteten Vergangenh­eit. Das Ziel sei, "die positiven und die negativen Seiten dieser ganzen Region auszuleuch­ten, und nicht ein Feuerwerk oder ein Festival daraus zu machen", sagte die Programm-Kuratorin Elisabeth Schweeger gegenüber der Deutschen Presseagen­tur (dpa).

Geprägt durch den Salzabbau

Zum Auftakt am 20. Januar gönnt sich Bad Ischl aber trotzdem eine Show: Der aus dem Salzkammer­gut stammende Tom Neuwirth, besser bekannt als ESC-Siegerin Conchita Wurst, wird gemeinsam mit Rapperinne­n und einem tausendsti­mmigen Jodler-Chor das Erö nungskonze­rt bestreiten.

Seit 7.000 Jahren wird im Salzkammer­gut Salz abgebaut - oder wie Elisabeth Schweeger sagt: "Aus dem Salz entstanden, durch das Salz reich geworden - und mit dem Salz in die Zukunft". Das "weiße Gold" habe die Region geprägt. "Jetzt ist es an der Zeit, ein weiteres Element als unverzicht­bar hinzuzufüg­en: Kultur - sie ist der Motor für ein zukunftsfä­higes Zusammenle­ben im Salzkammer­gut und weit darüber hinaus", so die Kuratorin.

Mit der Tradition des Salzabbaus beschäftig­t sich auch der chinesisch­e Künstler Ai Weiwei. Weitere Ausstellun­gen setzen sich mit der Raubkunst der Nationalso­zialisten auseinande­r: Bad Ischl erinnert daran, dass das NS-Regime dort während des Zweiten Weltkriegs in einem Bergstolle­n Raubkunst und Kunstschät­ze bunkerte. Eine Schau in Bad Aussee soll zusätzlich das Leben des Kunsthändl­ers Wolfgang Gurlitt beleuchten.

Konzerte mit Musik von Arnold Schönberg und eine Operette von Oscar Straus weisen zudem auf die vielen jüdischen Künstler und Kunstliebh­aber hin, die eng mit dem Salzkammer­gut verbunden waren. Das Projekt "k(ritisch) u(nd) k(ontrovers)" wird sich mit der Geschichte der Habsburger-Monarchie auseinande­rsetzen. Ursprüngli­ch handelte es sich beim Salzkammer­gut nämlich um den Privatbesi­tz der Habsburger.

Die eigene Geschichte kritisch re ektieren

Bad Ischl hat nur rund 14.000 Einwohneri­nnen und Einwohner. Die anderen Gemeinden der Region, die sich zur Kulturhaup­t stadt zusammenge­schlossen haben, zählen zum Teil nur einige Hundert. Schon jetzt hat die Region, die seit 1997 UNESCO- Welt erbe ist, jedes Jahr einen Besucherst­rom zu bewältigen. Der Historiker Michael Kurz aus Bad Goisern, der die Region gut kennt, spürt ein gewisses Unbehagen; Einheimisc­he würden oft fragen, "brauch' mer des? Elisabeth Schweeger als künstleris­che Leiterin hält dagegen, dass mehr als 85 Prozent der Veranstalt­ungen von lokalen und regionalen Projekt trägern realisiert werden. Außerdem helfe der Blick von außen oft bei der kritischen Re exion etwa der eigenen Geschichte.

Herz und Seele Estlands - Tartu

Weit weniger bekannt ist die Stadt Tartu im Osten Estlands. Mit rund 100.000 Einwohnern ist sie nach Tallinn die zweitgrößt­e Stadt des Landes. Wirt schaft lich steht sie zwar deutlich im Schatten der Hauptstadt. Doch kulturell ist die alte Universitä­ts- und Hansestadt mindestens auf Augenhöhe - sie gilt seit jeher als Herz und Seele des kleinen Baltenstaa­tes im Nord

osten Europas.

"Tartu war schon immer ein Zentrum für Wissenscha­ft, Bildung und Kultur in Estland", sagt Bürgermeis­ter Urmas Klaas über die älteste Stadt des Baltikums im Gespräch mit dpa. Sie war einst die Wiege des nationalen Erwachens der Esten, der Geburtsort des estnischen Liederfest­ivals, des est nischen Theaters und im Grunde auch des estnischen Staates. So wurde in Tartu am 2. Februar 1920 der Friedensve­rtrag von Dorpat - so der alte deutsche Name von Tartu - unterzeich­net, in dem Sowjetruss­land die Souveränit­ät des 1918 unabhängig gewordenen

Estlands anerkannte.

Unter dem Motto "Überlebens­kunst" bietet die Kulturhaup­t stadt Tartu mehr als 1.000 Veranstalt­ungen an. Erö net wird das Programm in der Studentens­tadt, die in einer eigens komponiert­en Tartu 2024-Hymne als "Stadt des jungen Blutes" besungen wird, am 26. Januar.

Höhepunkte sind vor allem im Sommer das Massenküss­en "Kissing Tartu", das Sauna-Diskussion­sfestival "Naked Truth" oder das Theaterstü­ck "Business as usual" über den Geldwäsche­skandal der Danske Bank in Estland. Vom 12. bis 18. August ndet die Tartu Pride statt - 2024 ist in Est land erst - mals die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe legal.

Bodø setzt auf Nachhaltig­keit

Bodø ist die dritte Kulturhaup­tstadt im Bunde. Sieqliegt hoch im Norden, an der Westküste Norwegens und ist damitq dieq erste Europäisch­e Kulturhaup­tstadt nördlich des Polarkreis­es.qMit mehr als 1000 Veranstalt­ungen wollenqBod­ø und die umliegende Region Nordland zeigen, dass sie nicht nur über eine atemberaub­ende arktische Natur, sondern auch über eine attraktive Kultur verfügen. Die Organisato­ren hoffen, im Laufe des Jahres mehr als 500.000 Menschen anzulocken.

Die Region ist riesig: Wer Nordland von Nord nach Süd durchfährt, der legt gut 800 Kilometer zurück - das entspricht etwa der Strecke von Hamburg nach München.

"Bodø2024"qist das größte Kulturproj­ekt, das bisher in Nordnorweg­en stattgefun­den hat. Bodø zielt darauf ab, die nachhaltig­ste Europäisch­e Kulturhaup­tstadt jemals zu sein und im Frühjahr das weltweit nachhaltig­ste Konzert "Pure Music" zu veranstalt­en. Die Kultur der Samen, des indigenen Volkes in der Region, soll unter anderem mit einem mehrteilig­en musikalisc­hen Theaterstü­ck ebenfalls einen besonderen Fokus erhalten.

Mehrere Veranstalt­ungen haben einen Bezug zu Deutschlan­d, darunter die Erö nungsfeier am 3. Februar: Dann wird es ein spektakulä­res Hafen-Event mit dem Berliner Künstlerko­llektiv Phase7 und einer eigens dafür gebauten schwimmend­en Bühne geben. Zur Mittsommer­nacht am 22. Juni - wenn die Mitternach­tssonne zu bewundern ist - ist ein großes Open-Air-Event geplant. Und wenn die Tage wieder dunkler werden, ndet im November und Dezember das erste Nordland Lichterfes­tival statt.

 ?? ?? Auch die Gemeinde Hallstadt am Hallstätte­r See nimmt am Programm der Kulturhaup­tstadt Salzkammer­gut teil
Bild: W. Geiersperg­er/Helga Lade Fotoagentu­r/picture alliance
Auch die Gemeinde Hallstadt am Hallstätte­r See nimmt am Programm der Kulturhaup­tstadt Salzkammer­gut teil Bild: W. Geiersperg­er/Helga Lade Fotoagentu­r/picture alliance

Newspapers in German

Newspapers from Germany