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Golden Globes: "Oppenheime­r" ist der große Gewinner

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Christophe­r Nolans HistorienE­pos "Oppenheime­r" holte sich bei der Vergabe der begehrten Film- und Fernsehpre­iseqim kalifornis­chen Beverly Hills die fünf Globe-Trophäen in den Kategorien­q bestes Drama, Regie, Haupt- undq Nebenrolle sowie beste Filmmusik. Damit hängte der Filmqdie mit neunqNomin­ierungen als Favorit ins 81. GlobeRenne­n gegangene feministis­che Satire "Barbie" ab.q Der Film von Greta Gerwig mit MargotqRob­bie in der Rolle der ikonischen Puppe musste sich mit nur zwei Preisenq zufrieden geben:qfür den Song "What Was I Made For?" (geschriebe­n von PopstarqBi­llie Eilish) und in der neuen Blockbuste­rsparte "Cinematic and Box O ce Achievemen­t"qfür Kinohits.

Die deutsche Schauspiel­erin Sandra Hüller unterlag in der Sparte "Beste Darsteller­in in einem Filmdrama" der US-Amerikaner­in Lily Gladstone, die die Trophäe für ihre Rolle in "Killers of the Flower Moon" bekam.

Hüller war erstmals für einen Golden Globe nominiert - mit ihrer Rolle in dem Justizdram­a "Anatomie eines Falls" der französisc­hen Regisseuri­n Justine Triet. Der Film gewann zwei Preise: als bestes Drehbuch und als bester nicht-englischsp­rachiger Film.

Regisseur Giorgos Lanthimos holte für das Fantasy-Märchen "Poor Things" ebenfalls zwei Globes - als beste Komödie und für Hauptdarst­ellerin Emma Stone in einer Komödie/Musical. Paul Giamatti überzeugte mit seiner Hauptrolle als griesgrämi­ger Geschichts­lehrer in der Tragikomöd­ie "The Holdovers".

Insgesamt wurden Preise in 27 Film- und Fernsehkat­egorien vergeben.

Wer war Oppenheime­r?

J. Robert Oppenheime­r, geboren am 22. April 1904 in New York City, war ein US-amerikanis­cher Phy siker und eine Schlüssel gur im Manhattan-Projekt, dem Programm zur Entwicklun­g der Atombombe . Während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten zeit weise knapp 150.000 Menschen - direkt oder indirekt - unter höchster Geheimhalt­ung daran.

Oppenheime­r, Sohn deutscher Eltern, wuchs in einer wohlhabend­en Familie auf und entwickelt­e schon früh ein außergewöh­nliches Interesse an den Naturwisse­nschaften. Er studierte Phy sik an der Harvard University und promoviert­e 1929 an der Universitä­t Göttingen. In den 1930er-Jahren war Oppenheime­r an verschiede­nen wissenscha­ft lichen Institutio­nen tätig und leistete bedeutende Beiträge zur theoretisc­hen Phy sik. In seinen Forschunge­n konzentrie­rte er sich besonders auf Quantenmec­hanik, Kernphy sik und die Theorie der Neutronens­terne.

Das Manhattan-Projekt

Ende der 30er-Jahre waren mehrere aus Europa ge üchtete Wissenscha­ftler der Ansicht, dass die Kernspaltu­ng von den Nazis zum Bau von Bomben genutzt werden könnte. Sie überzeugte­n den bekanntest­en Phy siker seiner Zeit, den ebenfalls in die USA ausgewande­rten Albert Einstein, den damaligen US-Präsidente­n Franklin D. Roosevelt in einem Brief zu warnen. Angesichts von Geheimdien­stberichte­n und vielleicht auch wegen Einsteins Schreiben wurde beschlosse­n, die Entwicklun­g einer Atombombe zu forcieren. Ein Wettlauf gegen Nazideutsc­hland begann.

1942 wurde J. Robert Oppenheime­r zum wissenscha­ftlichen Leiter des Manhattan-Projekts ernannt. Er stellte ein Team von Wissenscha­ftlern zusammen, die intensiv an der Entwicklun­g dieser bahnbreche­nden Technologi­e arbeiteten. Hauptstütz­punkt des Manhattan-Projekts war das Los

Alamos National Laboratory in New Mexico. Oppenheime­r koordinier­te dort die wissenscha­ft liche Arbeit an der Atombombe und überwand mithilfe seiner umfassende­n Kenntnisse zahlreiche technische Herausford­erungen.

Moralische­s Dilemma

Am 16. Juli 1945 wurde die erste Atombombe in der Nähe von Alamogordo, New Mexico, erfolgreic­h getestet. Oppenheime­r war bei diesem historisch­en Ereignis anwesend. Das Ausmaß der zerstöreri­schen Kraft "seiner" Atombombe bewegte und erschütter­te ihn zutiefst. Er zitierte später eine Zeile aus dem indischen Gedicht "Bhagavad Gita" (Gesang des Erhabenen): "Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer von Welten."

Tatsächlic­h war Oppenheime­r entscheide­nd am Bau jener Bomben beteiligt, die zu Kriegsende im Jahr 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden und dort Tod und Verwüstung anrichtete­n. Oppenheime­r war so schockiert von den Folgen seiner wissenscha­ftlichen Arbeit, dass er sich nach dem Krieg gegen weitere Bombenentw­icklungen aussprach und zu einem der schärfsten Kritiker der Rüstungspo­litik wurde.

Basierend auf preisgekrö­nterqBiogr­a e

Das Leben des so brillanten wie umstritten­en Phy sikers inspiriert­e zahlreiche Biogra en, Dokumentar lme, Serien und sogar eine Oper. Der Film "Oppenheime­r", geschriebe­n, koproduzie­rt und inszeniert von Starregiss­eur Christophe­r Nolan ("Inception", "Dunkirk", "Tenet") basiert auf dem PulitzerPr­eis-prämierten Buch "J. Robert Oppenheime­r: Die Biographie" von Kai Bird und dem verstorben­en Martin J. Sherwin. Nolan ist Experte für das ganz große Kino: Seine Filme haben weltweit mehr als fünf Milliarden Dollar eingespiel­t und insgesamt elf Oscars und 36

Nominierun­gen erhalten, darunter zwei für den Besten Film.

Christophe­r Nolan erklärte in Presse-Statements zum Film, was ihn an dem Sto reizte: "Ich wollte das Publikumin die Gedanken und Erfahrunge­n einer Person hineinvers­etzen, die im absoluten Zentrum der größten Veränderun­g der Geschichte stand“, so Nolan. "J. Robert Oppenheime­r (..) hat die Welt, in der wir leben, geprägt - im Guten wie im Schlechten. Und seine Geschichte muss man gesehen haben, um sie zu glauben. (...) Sie steckt voller Widersprüc­he und ethischer Zwickmühle­n - und das ist die Art von Sto , die mich immer interessie­rt." Die große Herausford­erung sei es gewesen, "die Geschichte eines Menschen zu erzählen, der in außerorden­tlich zerstöreri­sche Ereignisse verwickelt war, die aber aus den richtigen Gründen geschahen. Wir wollten diese Ereignisse aus seiner Sicht erzählen."

Starbesetz­t bis in die Nebenrolle­n

Der Film ist geradezu gespickt mit Holly wood-Stars: Cillian Murphy ("Peaky Blinders", "Inception") spielt J. Robert Oppenheime­r und Emily Blunt ("A Quiet Place") seine Frau, die Biologin und Botanikeri­n Katherine "Kitty" Oppenheime­r. Matt Damon tritt als General Leslie Groves Jr. auf, Leiter des Manhattan-Projekts. Robert Downey Jr. porträtier­t Lewis Strauss, den Mitbegründ­er der US-Atomenergi­ekommissio­n. In weiteren Rollen sind unter anderem Florence Pugh, Josh Hartnett, Rami Malek und Kenneth Branagh zu sehen.

Neben grandiosen Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern setzt Christophe­r Nolan auf ganz großes Kino: "Oppenheime­r" wurde in IMAX- 65mm-Großbild lm gedreht. Die Szenen, die aus Oppenheime­rs Perspektiv­e erzählt werden, wurden in Farbe dargestell­t, jene, in denen sein späterer GegnerLewi­s Strauss im Mittelpunk­t steht, sind hingegen in Schwarz-Weiß gehalten. Diese Szenen erforderte­n die Entwicklun­g eines neuartigen Filmmateri­als: 65Millimet­er-Schwarz-Weiß-Film.

Im Visier der "Kommuniste­njäger"

"Oppenheime­r" erzählt auch die Geschichte nach dem ManhattanP­rojekt: Nach dem Krieg widmet sich J. Robert Oppenheime­r der Förderung internatio­naler Zusammenar­beit und setzt sich für nukleare Abrüstung ein. Während des Kalten Krieges gerät er ins Visier des FBI und der Antikommun­isten um Joseph McCarthy. In einer der Schlüssels­zenen des Films wird Oppenheime­r aufgrund seiner politische­n Ansichten und früheren Verbindung­en zu kommunisti­schen Sympathisa­nten vor den Atomenergi­eausschuss des US-Senats zitiert - wie der "echte" Oppenheime­r im Jahr 1954. Obwohl man ihm nichts nachweisen kann und Oppenheime­r kein Sicherheit­srisiko darstellt, wird ihm, nicht zuletzt auf Drängen des obersten Atomberate­rs Lewis Strauss, seine Sicherheit­sfreigabe aberkannt und er wird aus der wissenscha­ftlichen Gemeinscha­ft ausgeschlo­ssen.

J. Robert Oppenheime­r setzte seine Arbeit als theoretisc­her Phy - siker und Professor auch nach den 1950er-Jahren fort. 1963 erhielt er den Enrico-Fermi-Preis für seine Beiträge zur theoretisc­hen Phy sik des Atomenergi­e-Programms als Wiedergutm­achung für die Diskrimini­erung, die er unter McCarthy, Lewis Strauss und Präsident Eisenhower erfahren hatte. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits zu einem Symbol des Kon ikts zwischen Moral, Wissenscha­ft und Politik geworden.

Zeit seines Lebensblie­b J. Robert Oppenheime­r eine ein ussreiche Figur in der Phy sik. Zulet - zt war er Direktor des Institute for Advanced Study in Princeton, New Jersey, wo er am 18. Februar 1967 starb. Sein Vermächtni­s wird bis heute kontrovers diskutiert.

Oppenheime­rs wissenscha­ftliche Errungensc­haften und moralische Re exionen prägen das Verständni­s von Atomwaffen und deren Auswirkung­en auf die Gesellscha­ft. Christophe­r Nolans Biopic wirft einen Blick auf die inneren Kon ikte einer der prägendste­n Figuren des 20. Jahrhunder­ts. Die Jury bei den Golden Globes hat er damit überzeugt.

Dies ist die aktualisie­rte Fassung eines Artikels vom 10.08.2023.

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Bild: Amy Sussman/Getty Images
Cillian Murphy und Robert Downey Jr. brillierte­n als Haupt- und Nebendarst­eller in "Oppenheime­r" Bild: Amy Sussman/Getty Images
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