Deutsche Welle (German edition)

Innovativ Heizenmit Geothermie aus der alten Kohlegrube

-

Ein paarqGebäu­de des Innovation­squartiers Mark 51° 7 in Bochum stehen schon, doch der größte Teil desqfrüher­enqIndustr­iegelände ist noch eine große Baustelle.

"Wir stehen hier auf dem Geothermie­platz. Unter uns be ndet sich ein altes Bergwerk und hier haben wir zwei Bohrungen runtergebr­acht", erklärt Jochen Raube von den Stadtwerke­n Bochum.

Die Bohrungen führen in mehreren hundert Meter Tiefe in zwei alte Kohleschäc­hte, die inzwischen mit Wasser gefüllt sind.

Die alte Kohle-Zeche hier wurde 1958 stillgeleg­t, so wieqvieleq­Kohlegrube­n im Ruhrgebiet in den folgenden Jahren. Damals ein großer Schock, denn allein in Bochum hingen 40.000 Jobs an der Kohle. Viele Bergleute fanden neue Arbeit im Opelwerk, das in den 60er Jahren über dem alten Bergwerk Autos produziert­e. Als dann die Autofabrik 2014 abgerissen wurde,q erfand sich der Standort mit guter Verkehrsan­bindung noch einmal ganz neu.

Bis 2027 soll hier auf einer Fläche von rund 100 Fußballfel­dern Büros, Forschungs­einrichtun­gen und ein innovative­r Stadtteil mit rund 10.000 Arbeitsplä­tzen entstehen.

"Das ist ein Vorzeigepr­ojekt, wo sich renommiert­e Unternehme­n wie Bosch, VW oder Uni-Institute ansiedeln. Etwa um 2026/2027 wird das alles fertig sein", sagt Raube. Dieq alten Kohleschäc­hten unter dem Gelände sollen genutzt werden, um die neuen Gebäude umweltfreu­ndlich zu heizen und zu kühlen.

Eines der beiden Rohre dafür führt in 820 Meter Tiefe, erklärt Raube. Das Grubenwass­er ist dort das ganze Jahr über 28 Grad warm. Das Wasser im anderen Schacht, in 340 Meter Tiefe, ist immer etwa 16 Grad kühl.

Im Sommer hilft das kühle Wasser zum Abkühlen der Räume, im Winter das wärmereq Wasser fürs Heizen.

Wasser in alten Bergwerken für neue Gebäude nutzen

Ein paar Meter neben dem Bohrplatz wird in einem fertigen Bürogebäud­e schon gearbeitet. Das internatio­nale Ingenieurs­büro Zetcon ist im Juni 2023 hier eingezogen.

Die Firma, die welt weit vieleq Umwelt- und Bauprojekt­eq betreut, istq von der Technik begeistert.

"Ich fand die Idee toll. Einfach alte Stollen aufzubohre­n, die schonqmit Wasser gefüllt sind, und das Wasser da rauszuhole­n und zu nutzen", sagt Marek Spisla, Geschäftsf­ührer in der Firmenzent­rale von Zetcon.

In der Energiezen­trale im Erdgeschos­s kommt das Wasser in zweiq grünen Rohren an und wird in eineq Wärmepumpe geleitet. Zum Heizen im Winter wird das Wasserqauf­q48 Grad Celsiusqer­wärmt. Und im Sommer wird esqaufq10 Grad abgekühlt, um die Bürosq zu kühlen.

Spisla zeigt auf dem Bildschirm der Haussteuer­ung, wie die Wärme und Kälteverte­ilung im Bürogebäud­e funktionie­rt. "Das Thema Nachhaltig­keit ist für uns wichtig. Wir haben beispielsw­eise auch eine Photovolta­ikanlage hier über das ganze Dach". Die liefert Solarenerg­ie für die Büros undqElektr­oautos derMitarbe­iter.

Fernwärme-Netze für die Städte der Zukunft

Einen halben Kilometer weiter wird derzeit die Energiezen­trale für den öst lichen Stadtteil gebaut.q "Die versorgt dann das ganze Areal undqalle Gebäude hier mit Wärme und Kälte", erklärt Jochen Raube von den Stadtwerke­n.

"Wärmepumpe­n produziere­n immer gleichzeit­igWärme und Kälte", erklärtq Raube. Hier sei es zudem besondersq ef zient, dassq je nach Bedarf kälteres oderqwärme­res Grubenwass­er genutzt wird.

"Wir wollen dieses Projekt als Blaupause nehmen und vervielfäl­tigen", sagt Raube.

Bochum prüft derzeit, ob auch andere alte Kohleschäc­hteq der mehr als ein Dutzend stillgeleg­ten Bergwerke im Stadtgebie­t genutzt werden können. Pro Schacht können etwa zehn bis zwölf Megawattq erzeugt werden. Wenn genügend alte Zechen ans Fernwärmen­etz der Stadt angeschlos­sen werden, könnten damit künftig vieleqder 370.000 Einwohner versorgt werden.

Weitere Städte im Ruhrgebiet planen ähnliche Projekte für die

Wärmeverso­rgung der Zukunft.

Doch Raube betont, dass zusätzlich weitereq Technologi­en gebraucht werden, damit die klimaneutr­ale Wärmeverso­rgung bis 2045 gelingen kann. Weitereq Potentiale für Fernwärmen­etze sieht er inqder Tiefengeot­hermie, der Solartherm­ie und beim grünem Wassersto . Auch Holz sowie und die Abwärme aus Rechenzent­ren und Abwasserka­nälen könnte künftig genutzt werden.

Weltweitq"riesiges Potential" für Geothermie

Das Bochumer Projekt ist "das modernste Wärme- und Kälteerzeu­gungs- und Verteilsys­tem, dasqich in Deutschlan­d kenne", sagt Prof. Rolf Bracke, Leiter der Fraunhofer­Einrichtun­g für Energieinf­rastruktur und Geothermie in Bochum.

Als zukunftswe­isend sieht er, dass die Gebäude und Firmen nicht nur Energie verbrauche­n, sondern auch selber Wärmeq produziere­n und an die Stadtwerke verkaufen könnten. Rechenzent­ren seien dafür ein gutes Beispiel. Denn dieq haben einerseits einen hohen Kühlungsbe­darf, erzeugen aber gleichzeit­ig sehrq viel Abwärme und könnten dieseq ans städtische­Wärmenetz abgeben.

Welt weit sieht Bracke ein riesiges Potential dafür, alte Bergwerke geothermis­ch zu nutzen. Sie könnten eineq "wichtige Säule für die Energiever­sorgung der Zukunft werden."

Neben der Kopplung mit Wärmepumpe­n seien wassergefü­llteq Kohleschäc­hte auch ideal für das Speichern von Solartherm­ie, so der Geothermie-Experte.qIn großen Anlagen wirdq dabei im Sommerq Wasserq durch die Sonneq erwärmtq undq inq tiefeq Kohleschäc­hte gepumpt. Weil die kohlehalti­gen Gesteinssc­hichten gut isolieren, kann die so gespeicher­teqWärme im Winter fürs Fernwärme-Netz genutzt werden.

"Ich empfehle auch anderen Regionen der Welt, Wasserrese­rvoire unten den Füßen der Städte direkt nutzbar zu machen und sieq in die strategisc­he Planung vonqWärmev­ersorgungs­system zu integriere­n."

Redaktion: An ke Ras per

 ?? ?? Jochen Raube vor der Infotafel am Geothermie­platz. Mit der Energie aus den Kohleschäc­hten wird der neue Stadtteil mit klimafreun­dlich versorgt.
Bild: Gero Rueter/DW
Jochen Raube vor der Infotafel am Geothermie­platz. Mit der Energie aus den Kohleschäc­hten wird der neue Stadtteil mit klimafreun­dlich versorgt. Bild: Gero Rueter/DW

Newspapers in German

Newspapers from Germany