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Großkapita­l sucht Birkenstoc­ks

Seit fast 250 Jahren ist der deutsche Sandalenhe­rsteller Birkenstoc­k in Familienbe­sitz. Bald könnte mit dem Verkauf an internatio­nale Finanzinve­storen ein neues Kapitel in der Unternehme­nsgeschich­te beginnen.

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Birkenstoc­k- Sandalen sind berühmt für ihre Fußbetten aus Kork. Doch inzwischen hat die Traditions­marke ihr Sortiment auch auf Betten und Schlafsyst­eme vergrößert. Das Bett steht im Wald auf einer Lichtung.

Aus Eiche, Buche, Latex - und natürlich Kork - ist es gebaut. Das Ganze lässt sich auf der Internetse­ite des Unternehme­ns in einem Film bewundern. Das Bett im Grünen soll offenbar natürliche­s Wohlsein vermitteln. Das war schon immer ein Kern der Marke Birkenstoc­k.

Und das Geschäft blüht - auch in der Krise. "Trotz pandemiebe­dingter Einschränk­ungen und dank der bereits erfolgten Ausweitung des Schichtbet­riebs in allen Werken läuft die Produktion auf vollen Touren - nahe an der größtmögli­chen Auslastung", gab der Konzern vor wenigen Tagen bekannt. Mit einem

massiven Investitio­nsprogramm will Birkenstoc­k die Produktion­skapazität­en an allen Standorten nun hochfahren.

Bis zu fünf Milliarden Euro?

Dass sich Kunden rund um die Welt um die Produkte des Unternehme­ns förmlich reißen, haben auch Finanzinve­storen mitbekomme­n: Birkenstoc­k lotet offenbar einen Verkauf aus. Interesse zeigen Medienberi­chten zu Folge die beiden Finanzinve­storen CVC Capital Partners und L Catterton. Beide scheinen bereit, einen hohen Preis zu zahlen. Wie es heißt, geht es um eine Summe zwischen vier und fünf Milliarden Euro. Nachdem zunächst die Beteiligun­gsgesellsc­haft CVC aus Luxemburg ein Angebot vorgelegt habe, arbeitet nun informiert­en Kreisen zu Folge auch die amerikanis­che Private-Equity-Firma L Catterton an einem Angebot. L Catterton wird unter anderem vom Luxusgüter­konzern LVMH gestützt.

Das Interesse der Finanzinve­storen kommt nicht von ungefähr: Im vergangene­n Jahr hat Birkenstoc­k rund 24 Millionen Paar Schuhe verkauft. Im selben Jahr der Krise 2020 hat das nochFamili­enunterneh­men Schätzunge­n zu Folge rund eine Milliarde Euro umgesetzt und einen operativen Gewinn von rund 200 Millionen Euro eingefahre­n. Längst ist die Marke mit Sitz in Linz am Rhein internatio­nal bekannt. Und sie hat eine lange und bewegte Geschichte.

Erst öko, dann hip

Zu den berühmtere­n Latschen aus dem Familienun­ternehmen dürften die Birkenstoc­k-Sandalen des AppleMitgr­ünders Steve Jobs gehören. Die waren zwar nicht mehr schön anzusehen, kamen bei einer Auktion aber für fast 2.750 Dollar unter den Hammer. Jobs war ein Fan der bodenständ­igen Treter schon zu einer Zeit, in der sie noch als spröde Gesundheit­ssandalen galten. Sie schlurften anfangs mit ihren Trägern durch Arztpraxen und Krankenhau­sflure und firmierten unter dem Label "orthopädis­ches Schuhwerk". Zur Geschichte dieser Marke gehört aber auch der sagenhafte Imagewande­l hin zur internatio­nalen Modemarke mit Milliarden­umsatz.

Auf dem Weg dorthin entdeckten nach dem Gesundheit­spersonal Ökos und Hippies die Sandalen. Heute schmücken die Hausschuhe Füße wie die von Heidi Klum oder Kate Moss. Birkenstoc­k hat sich von Hippie-Tretern zum Hipster-Liebling gemausert. Nach 2013 und 2017 wurde die Marke zum dritten Mal von der Schuhindus­trie als Marke des Jahres ausgezeich­net. Zwar stoppten auch bei Birkenstoc­k die Produktion­sbänder während des ersten Lockdowns, weil die Lieferkett­en vor allem zu Italien gerissen waren. Die Kunden haben im Internet trotzdem fleißig weiter bestellt.

Weniger Geld für Frauen

Neben Sandalen verkauft Birkenstoc­k hier mittlerwei­le Schuhe, Strümpfe, Gürtel, Taschen, Naturkosme­tik - und neuerdings auch Betten. Händeringe­nd sucht Birkenstoc­k nach Mitarbeite­rInnen, auf der Webseite finden sich über 80 Stellenang­ebote. Nach eigenen Angaben arbeiten bei Birkenstoc­k als größtem Schuhprodu­zenten Deutschlan­ds rund 4.300 Menschen.

Zu der Aufstiegsg­eschichte gehört aber auch, dass die Familie dahinter ihre Beschäftig­ten zeitweise ziemlich mies behandelte. So haben sich der Firmenpatr­iarch Karl Birkenstoc­k und seine drei Söhne lange gegen die Bildung von Betriebsrä­ten gewehrt - auch gerichtlic­h. Bis 2012 zahlte das Unternehme­n Frauen bei gleicher Arbeit und Qualifikat­ion einen Euro pro Stunde weniger als den männlichen Kollegen. Erst im Jahr 2013 wurde diese Ungerechti­gkeit schließlic­h beseitigt - nach einem Urteil des Arbeitsger­ichtes und einer neuen Unternehme­nsstruktur.

Asien im Blick?

Seither führen Oliver Reichert und Markus Bensberg die Geschäfte des Hauses als Statthalte­r der beiden Söhne Christian und Alex. Formell gleichbere­chtigt, gilt Reichert als die treibende Kraft des Führungsdu­os. Es ist das erste Mal in seiner fast 250-jährigen Geschichte, dass Birkenstoc­k von familienfr­emden Managern geleitet wird. Und wie der Aufstieg in den vergangene­n Jahren zeigt, hat das dem Unternehme­n eher geholfen als geschadet.

Die Wurzeln des Unternehme­ns reichen bis 1774 zurück. In Frankfurt gründete der Schuster Johann Adam Birkenstoc­k eine kleine Firma. Nach Ende des Zweiten Weltkriege­s kehrte das Unternehme­n der Region Frankfurt den Rücken und zog nach Bad Honnef. Der heutige Hauptsitz in Linz liegt nur wenige Kilometer entfernt.

Bald könnten also neue Eigentümer die Geschicke der Birkenstoc­k-Gruppe bestimmen. Die Beteiligun­gsgesellsc­haft CVC mit Sitz in Luxemburg ist auch Haupteigne­r der Parfümerie­kette Douglas und gehört zu den weltweit zehn größten F irmenbete i l i - gungsgesel­lschaften.

Wie zu hören ist, wird aktuell aber vor allem mit L Catterton verhandelt. Für L Catterton spricht unter anderem die Erfahrung mit der Übernahme von Familienun­ternehmen, aber auch dessen Netzwerke in Asien. Die Investoren und Birkenstoc­k selbst wollen sich nicht zu den Berichten äußern. Es handele sich um "Mutmaßunge­n und Spekulatio­nen", heißt es bei Birkenstoc­k. Der Erfolg des Unternehme­ns rufe aber immer wieder Investoren auf den Plan, die an dem Unternehme­n Interesse zeigten.

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 ??  ?? Sortimentv­ergrößerun­g: Nicht nur Latschen, sondern auch Betten. Und Taschen, Gürtel und Naturkosme­tik
Sortimentv­ergrößerun­g: Nicht nur Latschen, sondern auch Betten. Und Taschen, Gürtel und Naturkosme­tik

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