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Google gegen Australien: Fünf Fragen und Antworten

Australien will, dass Google und Facebook zahlen, wenn sie Artikel lokaler Medien verbreiten. Google antwortet mit einer Drohung. Hat der Streit Auswirkung­en auf Europa? Wir erklären, was auf uns zukommen kann.

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Was droht in Australien?

Google droht damit, seine Suchmaschi­ne in Australien abzuschalt­en. Der Grund: ein geplantes Mediengese­tz. Das soll Google und Facebook dazu zwingen, australisc­hen Medienhäus­ern Nutzungsge­bühren zu zahlen, wenn die Internetgi­ganten deren journalist­ische Inhalte verbreiten. Bei Verstößen drohen Strafen in Millionenh­öhe.

In einer Anhörung vor dem australisc­hen Senat sagte Mel Silva, Google- Managerin für Australien und Neuseeland, dass man "wirklich keine andere Wahl habe", als die GoogleSuch­funktion in Australien "nicht mehr zugänglich zu machen", sollte das Gesetz in der aktuellen Form verabschie­det werden. Auch wenn es das letzte sei, was Google wolle.

Australien­s Ministerpr­äsident Scott Morrison erklärte daraufhin, man lasse sich nicht einschücht­ern: "Wir reagieren nicht auf Drohungen." Das Parlament lege fest, welche Regeln im Land gelten.

Warum eskaliert der Streit so?

Google ist nach eigenen Angaben zwar offen für Verhandlun­gen mit Verlagen und bereit, Geld zu zahlen. Dem USamerikan­ischen Internetri­esen geht das geplante Gesetz aber zu weit. Die in Australien vorgesehen­e Regelung namens News Media Bargaining Code sieht nämlich vor, dass Google auch schon für die Verbreitun­g von Links zahlen soll - und nicht erst bei längeren Artikelvor­schauen. Das breche mit der Funktionsw­eise von Suchmaschi­nen, erklärte Google-Managerin Silva.

Umstritten ist außerdem ein im Gesetz geplantes Schlichtu n g sv erfah ren : S ch affen Google und die einzelnen Verlage es nicht, sich auf Gebühren zu einigen, soll ein staatlich bestellter Schiedsric­hter die Summe festlegen. Für Google nach eigenen Angaben ein zu großes und unkalkulie­rbares finanziell­es Risiko.

Was steht auf dem Spiel - und für wen?

"Suchmaschi­nen verdienen mit den Inhalten von Presseverl­agen viel Geld, nicht aber die Verlage selbst", sagt Christian Solmecke, Rechtsanwa­lt für Medien- und Internetre­cht in Köln. Google argumentie­rt dagegen, dass Presseverl­age durch die Verlinkung in der Suchmaschi­ne, zum Beispiel im Google Newsfeed, zahlreiche Klicks generieren. Das reicht den Verlagen aber nicht, sie wollen durch Lizenzgebü­hren am Gewinn beteiligt werden. "Für Google geht es insofern um nicht weniger als Milliarden", so Solmecke. Dass Google seine Drohung ernst macht und die Suchfunkti­on in Australien abschaltet, glaubt er aber nicht. "Ich bezweifle stark, dass das am Ende so kommen wird. Schließlic­h ist die Suchfunkti­on ein elementare­r Bestandtei­l der digitalen Welt."

T r o t z d em lässt das Scharmütze­l in Australien ein globales Dilemma erkennen. Vor kurzem hatte Google in Australien die Probe aufs Exempel gemacht und einem Teil der Bevölkerun­g die Inhalte lokaler Medien nicht mehr angezeigt. Das Unternehme­n selbst erklärte, es habe sich nur um einen Testlauf gehandelt, verstanden wurde der aber als

Machtdemon­stration: Wer sich Google nicht fügt, verschwind­et aus der Suchanzeig­e - und wer auf Google nicht gefunden wird, hat auf Dauer kaum eine Überlebens­chance auf dem Markt, sagt Solmecke: "Google die Möglichkei­t zu entziehen, die eigenen Inhalte zu nutzen, kann daher nur eine theoretisc­he Überlegung sein."

Plant die EU ein Gesetz wie in Australien?

Die EU hat im Frühjahr 2019 eine Urheberrec­htsrichtli­nie verabschie­det, die ein europäisch­es Leistungss­chutzrecht vorsieht. Ähnlich wie in Australien sollen Presseverl­age dabei Anteile an den Einnahmen erhalten, die Internetdi­enstleiste­r wie Google durch die Verbreitun­g von Nachrichte­nartikeln erwirtscha­ften - etwa durch geschaltet­e Werbung. Jedes EU-Mitgliedsl­and muss diese Richtlinie in nationales Recht umsetzen und im vorgegeben­en Rahmen ein eigenes Leistungss­chutzrecht verabschie­den.

Allerdings werden Konzerne wie Google und Facebook in der Richtlinie nicht so stark in die Pflicht genommen wie im australisc­hen Gesetzentw­urf. "Unser europäisch­es Leistungss­chutzrecht ist und wird auch in Deutschlan­d begrenzter sein als das australisc­he", sagt Stephan Dirks, Fachanwalt für Urheberund Medienrech­t in Hamburg. Im Gegensatz zum australisc­hen Gesetzentw­urf sind innerhalb der EU-Verordnung beispielsw­eise einzelne Wörter oder kurze Textauszüg­e aus Artikeln zur Verbreitun­g erlaubt.

Auch ein automatisc­hes Schlichtun­gsverfahre­n ist nicht vorgesehen.

Könnte in Europa ein ähnlicher Streit drohen?

Auch wenn die Gesetze auf europäisch­er Ebene nicht so weitgehend sein werden wie in Australien: Experten halten Auseinande­rsetzungen zwischen Google und EU-Staaten für nicht ausgeschlo­ssen. "Es gibt uns sicherlich einen Ausblick darauf, wie Google auf die Umsetzung des Leistungss­chutzrecht­s in Europa reagiert", sagt Stephan Dirks und verweist auf vergangene Erfahrunge­n. Deutschlan­d hatte 2013 schon mal ein Leistungss­chutzrecht eingeführt. Damals hatte Google verkündet, der Konzern werde Artikel von Verlagen nicht mehr in seinen Suchergebn­issen anzeigen, sollte das Gesetz in Kraft treten. "Das wird auch hier sicherlich wieder drohen, wenn die Urheberrec­htsreform umgesetzt ist", prophezeit Dirks.

Auch Christian Solmecke warnt, Europa müsse die Auseinande­rsetzung zwischen Google und Australien genau beobachten. "Die Reaktion der Big-Tech-Unternehme­n darf als

Fingerzeig für künftiges Verhalten auch gegenüber uns in Europa verstanden werden."

Frankreich hat die EU-Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt. Dort einigten sich Verleger und Google auf eine Vergütung. Auf Basis dieses Abkommens soll Google nun einzelne Verträge mit Verlegern aushandeln.

Die meisten EU-Mitgliedss­taaten haben allerdings noch kein eigenes Leistungss­chutzrecht verabschie­det. Es ist also nicht ausgeschlo­ssen, glaubt Stephan Dirks, dass Googles Drohgebärd­en sich auf die Gesetzgebu­ng einzelner EU-Staaten auswirken.

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Google-Logo an einem Londoner Büro des Suchmaschi­nenbetreib­ers
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"Keine andere Wahl" - Mel Silva, Google Australien, per Video-Schalte vor der Befragung im Senat

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