Wenn das Babyfuß-Foto Zeugnis, Trauerhilfe und Erinnerung ist
Fotografin Julia Reinke begleitet Familien in allen Momenten des Lebens – auch in den schlimmsten. Wenn ein Sternenkind geboren wird, schafft sie wertvolle Erinnerungen.
NEUBRANDENBURG/ DEMMIN – Nur eine kurze Zeit begleiten Sternenkinder ihre Eltern. Dann reisen sie, wie der Name es beschreibt, zu den Sternen. Sie sind Babys, die noch in der Schwangerschaft, während der Geburt oder wenige Stunden und Tage nach der Geburt versterben.
Die Eltern von Sternenkindern in der wohl schlimmsten Stunde ihres Lebens zu begleiten, das hat sich Fotografin Julia Reinke zur Berufung gemacht. Sie ist seit zwei Jahren Sternenkind-Fotografin und macht für die Familien das erste Bild und letzte Bild des Kindes. Für die betroffenen Familien kommt sie deshalb nach Neubrandenburg, Anklam, Demmin, Greifswald und Stralsund.
Schon 2017 ist Julia Reinke auf die Stiftung „Dein Sternenkind“aufmerksam geworden. Dort haben sich mittlerweile rund 600 ehrenamtliche Fotografen aus ganz Deutschland vernetzt. Sie wollen mit dem Tabuthema Tod brechen und das Bild als Erinnerung in den Fokus stellen, heißt es auf der Vereinswebseite: „Warum ein Bild so wichtig ist? Als Zeugnis für die Existenz oder auch den Tod des kleinen Menschen. Als Zeugnis, Eltern zu sein. Als Stütze für die verblassende, optische Erinnerung. Als Hilfe, um die Trauer mit anderen teilen zu können. Als vielleicht einzige Erinnerung für die Familie und Freunde.“Auf die Eltern kommen dabei keine Kosten zu, die Fotografen arbeiten freiwillig und unbezahlt.
Julia Reinke hat selbst zwei Kinder, sie kennt die Freuden des Mutter-Werdens also sehr gut. Als sie mit ihrem Sohn 2017 schwanger war, wusste sie, dass sie Eltern betreuen möchte, die nicht das Glück haben, ihr Kind aufwachsen zu sehen.
Als sie 2022 ihren ersten Auftrag bekam und den kleinen Lion-Steve und seine Eltern begleiten durfte, war sie froh, dass sie die Bilder des Babys veröffentlichen durfte. „Die Leute wissen gar nicht, dass es uns Sternenfotografen gibt“, sagt sie. Seitdem bekam sie immer mehr Rückmeldungen, dass viele betroffene Eltern
es gern vorher gewusst hätten – denn diese Fotos wären die einzigen bildlichen Erinnerungen an ihre verstorbenen Kinder gewesen.
„Manche möchten sich das nicht gleich ansehen und legen es in eine Schublade. Aber zwei Jahre später holen sie sie hervor und sind froh über die Erinnerung“, weiß Julias Reinke. Das Besondere an ihrem Job als Sternenfotografin ist für sie die Dankbarkeit der Eltern. Wenn sie ein Sternchen begleitet, dann will sie den Eltern
kein Beileid aussprechen, sagt sie. Sie möchte in der Situation das Kind hervorheben, den Eltern ein wenig Normalität im Gefühlschaos geben und ihnen sagen, wie niedlich das Kind ist und welche Besonderheiten es hat, erklärt sie.
Die größte Herausforderung ist für sie, die äußerlichen Def izite der Kinder zu kaschieren. „Damit es auch für die Eltern später nicht so schlimm aussieht“, betont sie. Sternenfotografie soll immer ästhetisch bleiben und das
Kind in den Vordergrund rücken, nicht den Tod: „Die meisten Babys sehen dann aus, als würden sie schlafen.“
Neben der Sternenfotografie hat sich Julia Reinke auf Schwangerschaftshootings, Neugeborenenfotografie und Familienfotos spezialisiert. Als „Fotogrete“knipst sie dann bei gutem Wetter besonders gerne in der Natur. Bei schlechtem Wetter hat sie zwei Fotostudios: eins in Rheinsberg, und seit neuestem ein zweites in Weitin.