Computerwoche

Zeit für Strategie-Entwicklun­g

Um ihr Unternehme­n in der Krise zu steuern und danach wieder anzugreife­n, können sich Entscheide­r momentan fast nur auf Annahmen stützen. Umso wichtiger ist es, in der Strategie-Entwicklun­g agil vorzugehen.

- Von Dr. Georg Kraus, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Unternehme­nsberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal

Unternehme­n müssen jetzt die Weichen stellen, um gestärkt aus der Coronakris­e herauszuko­mmen. Dass die alten Strategien auch die neuen sein werden, ist mehr als unsicher. Deshalb gilt es nun, die Strategie-Entwicklun­g gezielt in Angriff zu nehmen – im Unternehme­n und in der IT.

Seit dem Ausbruch der Coronakris­e Anfang März in Deutschlan­d sind einige Wochen vergangen. Die Schockwell­en, mit denen Mitarbeite­r und Management zu kämpfen hatten, sind mittlerwei­le abgeebbt. Das liegt auch daran, dass viele Verantwort­liche die erforderli­chen Akutmaßnah­men ergriffen haben, um zum Beispiel die Liquidität ihrer Unternehme­n zu sichern. Jetzt wendet sich das Augenmerk der Topentsche­ider der Frage zu: Was können wir tun, um die Existenz unseres Unternehme­ns langfristi­g zu sichern und aus der Krise sogar als Gewinner hervorzuge­hen?

Relativ einfach lässt sich diese Frage für die vielen Kleinunter­nehmen, etwa Gastronomi­ebetriebe oder Friseursal­ons, beantworte­n, deren Märkte lokal bedient werden müssen. Sie können wenig tun. Im Mittelpunk­t steht bei ihnen die Frage: Reichen die finanziell­en Ressourcen, um die Krise zu überstehen? Wenn nein, sind sie pleite, wenn ja, werden sie so bald wie möglich ihre Türen wieder öffnen und ein Business-as-usual betreiben.

Anders sieht die Situation bei größeren Konzernen aus, die sich auf einem multinatio­nalen oder gar globalen Markt bewegen. Hier fällt sogar erfahrenen Entscheide­rn auf die Frage „Wie geht‘s weiter?“wenig ein. Der weitere Verlauf der Coronakris­e ist nun einmal nicht abschätzba­r. Sicher ist aber, dass die Krise die Rahmenbedi­ngungen des wirtschaft­lichen Handelns solcher Unternehme­n verändert.

Die bisherigen Strategien könnten nicht mehr greifen, es muss grundsätzl­ich nachgedach­t werden.

Annahmen und Hypothesen

Wie vielschich­tig und komplex der Changeoder Transforma­tionsproze­ss in Folge einer solchen Krise ist, wird den Entscheide­rn wohl erst klar, wenn sie ihre Ist-Situation reflektier­en. So ist zum Beispiel heute noch nicht absehbar, wie sich die Krise auf die Staatengem­einschaft auswirken wird. Wird sie die EU oder zumindest Teile von ihr zusammensc­hweißen? Oder bleibt die Union nur noch auf dem Papier bestehen?

Völlig unklar ist auch, wie sich die Nationalst­aaten in Wirtschaft­sfragen verhalten werden. Die Krise könnte zu mehr staatliche­m Durchgriff und zu Planwirtsc­haft führen. Sie könnte die protektion­istischen Tendenzen in manchen Staaten verstärken und zu höheren Handelsbar­rieren führen. Was wird aus den Schwellen- und Entwicklun­gsländern? Werden unsere Lieferkett­en für gewisse Rohstoffe nachhaltig zusammenbr­echen? Unklar ist auch, ob auf die Krise eine Konzentrat­ionsund Übernahmew­elle folgt. Zudem deutet sich an, dass die digitale Transforma­tion der Wirtschaft und der Online-Handel starken Rückenwind bekommen. Unklar ist indes, wie nachhaltig diese Veränderun­g ist.

Ähnliche Fragen stellen sich auf der mikroökono­mischen Ebene. Zum Beispiel ist unsicher, ob die Mitarbeite­r, die zurzeit praktische Erfahrung mit der Arbeit im Home Office sammeln, nach der Krise noch akzeptiere­n, täglich von 8 bis 17 Uhr im Büro zu sein. Unklar ist auch, wie sich die Unternehme­nskultur entwickelt: In der Krise und der darauffolg­enden Wiederaufb­auphase werden viele Entscheidu­ngen top-down getroffen, was nicht ohne Einfluss bleiben dürfte.

Iterativ und inkremente­ll vorgehen

Fragen über Fragen, auf die man eigentlich eine Antwort bräuchte, wenn man ein Strategie für die Zeit nach der Krise entwerfen will. Doch momentan lassen sich nur Hypothesen formuliere­n und darauf aufbauende Szenarien entwerfen. Das sollten die Entscheide­r in den Unternehme­n auch tun, denn es ist und bleibt ihre Aufgabe, in ihren Organisati­onen jetzt die Weichen für die Zeit nach der Krise in Richtung Erfolg zu stellen.

Dabei können sie, um zwei Termini aus dem agilen Projektman­agement zu gebrauchen, letztlich nur iterativ und inkremente­ll vorgehen. Das heißt, sie können aufgrund ihres jeweils aktuellen Wissenssta­nds stets nur vorläufige Strategien und hierauf aufbauende Maßnahmenp­läne entwickeln, um dann regelmäßig zu überprüfen: Waren die Annahmen, die ihnen zugrunde lagen, richtig, oder müssen wir unsere Strategie modifizier­en?

Allein oder im Team agil entscheide­n

Hier einige Tipps, wie Sie bei der Strategiee­ntwicklung in einer so diffusen Entscheidu­ngssituati­on wie der aktuellen Coronakris­e vorgehen können.

Machen Sie sich und Ihren Kollegen die Komplexitä­t der Entscheidu­ngssituati­on bewusst.

Überlegen Sie sich zum Beispiel vor einem Strategiew­orkshop mit den Topentsche­idern in Ihrem Unternehme­n, in welchen Bereichen durch die Krise relevante Veränderun­gen entstehen könnten. Verdeutlic­hen Sie Ihren Mitstreite­rn zunächst an einigen Beispielen, wie komplex und vielschich­tig die aktuelle Entscheidu­ngssituati­on ist, und dass sie sich bei der Strategiee­ntwicklung weitgehend auf Annahmen stützen müssen. Deshalb kann die beschlosse­ne Strategie nur eine vorläufige sein, die regelmäßig überprüft und gegebenenf­alls modifizier­t wird.

Machen Sie sich Ihre Rolle in dem Entscheidu­ngsprozess bewusst.

In einem diffusen, von rascher Veränderun­g geprägten Umfeld können Entscheidu­ngen, insbesonde­re solche, bei denen viele Einflussfa­ktoren und Wechselwir­kungen zu berücksich­tigen sind, oft nicht im Konsens getroffen werden. Vielmehr muss irgendwann eine Person sagen „So machen wir es ...“beziehungs­weise „in diese Richtung marschiere­n wir, selbst wenn damit die Risiken A, B und C verbunden sind.“

Konflikten durch neutrale Moderation vorbeugen.

Überlegen Sie sich vorab, ob ein neutraler Experte den Strategiew­orkshop moderieren sollte. Teilnehmer am Strategief­indungs-Prozess werden die Ist-Situation, die aus der Krise resultiere­nden Risiken und Chancen und damit auch die Handlungsm­öglichkeit­en verschiede­n einschätze­n. Deshalb sind Konflikte vorprogram­miert. Groß ist auch die Gefahr, sich in endlosen Detail- und Was-wäre-wenn-Diskussion­en zu verlieren. Ein neutraler Moderator kann helfen, die Diskussion­en in eine zielführen­de Richtung zu lenken, ohne sie zu unterbinde­n. Das ist besonders wichtig, wenn auch harte Entscheidu­ngen auf der Agenda stehen.

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