Der Kunde, das unbekannte Wesen
Das Customer-Experience-Management ist in aller Munde, doch die meisten Unternehmen machen hier nur wenige Fortschritte.
Im Internet ist jeder Kunde – zumindest theoretisch – immer und überall erreichbar, sein Verhalten ist messbar und steuerbar. Customer-ExperienceManagement ist das Zauberwort, doch viele Betriebe sind damit überfordert.
Ein funktionierendes Customer-Experience-Management spielt eine zentrale Rolle im digitalen Wandel. Um hier voranzukommen, brauchen Unternehmen digitale Schnittstellen zu Kunden, Partnern und Ökosystemen. Die Touchpoints müssen gemanagt und die Kundenbeziehungen analysiert werden, um daraus die richtigen Schlüsse abzuleiten. Damit tun sich hierzulande viele Betriebe schwer, wie die Studie „Der Markt für Customer Experience Services in Deutschland“von Lünendonk & Hossenfelder zeigt. Sie kommen den gestiegenen Ansprüchen der Amazon-verwöhnten Kunden nicht nach. Außerdem sinkt die Loyalität gegenüber einzelnen Marken, und die Wechselbarrieren sind so niedrig wie nie zuvor.
Eine technische Voraussetzung für eine erfolgreiche kundenzentrische Digitalstrategie ist eine moderne IT-Landschaft mit offenen Schnittstellen, heißt es in der Untersuchung. Doch das stellt für den Großteil der mehr als 100 befragten Unternehmen ein Hindernis dar. Lediglich vier von zehn Befragten gaben an, dass ihre IT-Systeme eine hohe Integrationsfähigkeit aufwiesen. Ein Hemmfaktor sind die Legacy-Systeme, mit denen gut die Hälfte der Befragten kämpft.
Schnittstellen in diese Monolithen hineinzuentwickeln sei enorm aufwendig und teuer, so die Analysten. Auch seien die Systeme oft schon so alt, dass es an Experten für ihre Modernisierung fehle. „Hier gibt es viel Aufholbedarf“, sagt Studienautor Mario Zillmann, Partner von Lünendonk & Hossenfelder. „Ein benutzerfreundliches und ansprechendes User Interface genügt den Kundenansprüchen schon lange nicht mehr.“Heute erwarteten die Kunden, dass Prozesse wie E-Commerce und Kunden- service einen nahtlosen Wechsel zwischen mehreren mobilen Devices ermöglichen und alle relevanten Kundendaten aus den ERP- und CRM-Systemen abrufbar sind.
Wie die Befragung zeigt, hinken etliche Unternehmen auch in der Automatisierung ihrer kundennahen Prozesse hinterher. Da die Kunden aber ihre Serviceerfahrung zunehmend an der Prozessqualität und -geschwindigkeit festmachten, seien automatisierte Prozesse eine entscheidende Voraussetzung für eine gute Customer Experience, heißt es in der Studie.
Viele Unternehmen verzetteln sich
Neben den technischen Defiziten gibt es auch organisatorische Probleme. Zwei Drittel der befragten Führungskräfte geben zu, dass geplante oder bereits initiierte Projekte, in denen es um die Digitalisierung der Kundenschnittstellen, aber auch um neue Produkte und Geschäftsmodelle gehen sollte, nicht umgesetzt werden können. Zu viele Projekte und Initiativen liefen derzeit parallel, gleichzeitig fehlten an allen Ecken und Enden Fachkräfte. Fehlende agile Strukturen (59 Prozent), eine falsche Prioritätensetzung (54 Prozent) sowie Silo-Denken (51 Prozent) verhinderten, dass Maßnahmen für eine bessere Customer Experience umgesetzt würden.
Immerhin ist das Defizit erkannt, die Unternehmen wollen etwas tun. Drei Viertel planen, 2019 massiv in die „Optimierung der Kommunikationskanäle zum Kunden“und die „Automatisierung der Prozesse zur Kundeninteraktion“zu investieren. Im Durchschnitt sollen 3,3 Prozent des Umsatzes in die Digitalisierung der Kundenschnittstellen und in neue digitale Geschäftsmodelle fließen.