Eine DDR-Biografie nicht nur für Fans
Er war Baggerfahrer und Musiker, Vater und Freigeist, Rebell und Stasi-Mitarbeiter. Vor 20 Jahren starb Gerhard Gundermann. Nun ruft ein Kinofilm ihn wieder in Erinnerung. Er bietet einen differenzierten Blick auf den Alltag in der DDR.
20 Jahre nach dem Tod des zugleich beliebten und wegen seiner Stasi-Mitarbeit umstrittenen sächsischen Liedermachers Gerhard Gundermann (1955-1998) kommt nun ein vielschichtiges, berührendes Porträt über ihn ins Kino. Regisseur Andreas Dresen hat dafür rund zehn Jahre daran gearbeitet - es ist ein Stück Zeitgeschichte ohne Schwarz-Weiß-Malerei geworden.
2009 hatte Dresen („Halbe Treppe“) gesagt, er wolle gerne mal einen Film über Gundermann machen. „Der hat so eine verrückte DDR-Biografie gehabt! Er hat im Tagebau im Abraumbagger gesessen, aus dieser Erdverbundenheit seine Kunst entwickelt und wunderbare, poetische Lieder geschrieben. Abends ist er dann losgefahren mit seiner Band.“
128 Minuten nimmt sich Dresen nun Zeit. Es gibt zwei Zeitebenen: vor und nach dem Mauerfall. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Schuld. Der beliebte und liebenswerte Musiker als Stasi-IM - eindeutige Schubladen „Täter“oder „Opfer“gibt es dafür bei Dresen nicht.
Sein kumpelhafter Führungsoffizier (Axel Prahl) wirbt den Musiker beiläufig an. Gundermann war 1976 bis 1984 inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit. Unter dem Decknamen „Grigori“berichtete er über Mitglieder des Singeklubs Hoyerswerda auf West-Reisen. Im Film wird ihm nach und nach klar, wie viel Schuld er auf sich geladen hat.
1984 schloss die Stasi die IM-Akte Gundermanns - und begann, ihn wegen „negativfeindlichem Standpunkt“zu bespitzeln. Zugleich wurde er wegen „prinzipieller Eigenwilligkeit“aus der SED ausgeschlossen. In „Gundermann“spricht er mutig immer wieder Missstände an, etwa fehlende Arbeitssicherheit. „Der Genosse hat den Vor- und Nachteil, dass er ausspricht, was er denkt“, sagt ein Kollege über ihn.
Der brillante Hauptdarsteller Alexander Scheer („Sonnenallee“) geht komplett in der Rolle als „Gundi“auf, alle Songs des Rockpoeten aus der Lausitz hat er für den Film selbst eingesungen.
Fazit: „Gundermann“ist vor allem ein DDR-Drama, aber auch ein Musik-, Heimat- und Liebesfilm.
Sophia-Caroline Kosel