LIEBE PSYCHOSE,
DIE IST DIE SCHÖNSTE DIE ES GIBT
SEIN JÜNGSTER SOHN
WELTENTDECKER Der Schauspieler mit seinem vierjährigen Sohn Charles Erwin
Wenn Susanne Bormann, 42, an ihre Kindheit denkt, kommen unwillkürlich Bilder der Berliner Mauer hervor. „Sie war in meinem jungen Leben sehr präsent. Wir wohnten in Kleinmachnow di‑ rekt an der Grenze. Auf einmal, als die Mau‑ er offen war, konnte man da durchgehen. Mein heutiger Freund wuchs übrigens nur fünf Kilometer Luftlinie auf der anderen Sei‑ te in Zehlendorf auf – in einer anderen Welt“, berichtet die Schauspielerin. Ihr Freund, das ist Schlagzeuger Nicolai Ziel, 45. Seit 20 Jahren geht sie mit dem Musiker gemeinsam durchs Leben, er ist der Vater ihrer beiden Kinder, 2 und 5. Doch einen Ring sucht man vergebens an der Hand der Darstellerin. Warum? „Uns hat das Konzept Ehe nie zugesagt. Wir können uns gut vorstel‑ len, zusammen alt zu werden. Aber dafür brauchen wir keinen staatlichen Segen. Wir haben zusammen eine Familie gegründet, bauen gemeinsam ein Haus. Mehr kann man sich nicht an‑ einanderbinden. Für mich ist er mein Mann, auch ohne Ring am Finger“, erklärt sie. „Für mich bedeutet Beziehung, sich jeden Tag zueinander zu bekennen, sich im‑ mer um den anderen zu bemühen und um ihn zu ringen.“
Ringen musste die Schauspielerin innerlich mit sich, als sie sich auf ihre Rolle der linientreuen Marlis in dem Mauer-Drama „3½ Stunden“vorbereitete. „Mich hat das Drehbuch beim Lesen schier zerrissen. Egal wie Marlis sich entscheidet, immer wird sie etwas verlieren, ohne das sie sich ein Le‑ ben nicht vorstellen kann. Ich musste beim Lesen immer heulen. Das ist mir persönlich sehr nahe gegangen“, gesteht Susanne Bormann, deren Familie durch den Mauerbau zerrissen wurde. „Mein Onkel ist vor dem Mauerbau in den Westen gegangen. Kurz danach stand die Mauer. Daher kannte ich ihn gar nicht, auch da er es für zu riskant hielt, in die DDR zurückzukehren. Für mei‑ nen Vater war das sehr schmerzhaft. Er hat nur den einen Bruder. Sie haben sich dann gelegentlich in Prag getroffen. Für mich war es komisch. Es kamen Pakete aus dem Wes‑ ten für mich an, aber ich kannte den Absen‑ der gar nicht.“Welche Gefühle verbindet sie heute mit der DDR? „Jenseits des Un‑ rechtsregimes gab es die Utopie auf ein gerechteres Zusammenleben. Mein Vater stand auch hinter dieser Idee. Er war auch in der SED. Das musste er schon allein sein, um als Wissenschaftler auf Tagungen reisen zu dürfen. Er hatte sich aber auch entschie‑ den, dort mitzumachen, um aktiv von in‑ nen mitgestalten zu können. Dennoch ist viel Unrecht geschehen. Meine Erinnerun‑ gen sind unheimlich ambivalent. Letztlich bleibt aber ein starkes Gefühl von Heimat.“