91 Ursula Karven:
URSULA KARVEN will mit einer Petition in den Deutschen Bundestag. Es geht um sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz
Ihr starker Auftritt im Kampf gegen sexuellen Missbrauch
Sie sollte eigentlich nur eine kleine Rede zum Thema „#metoo“halten beim Berliner Event „Frauen 100“. Was sich in der Gesellschaft verändert hat, seit die Debatte vor vier Jahren ihren Anfang nahm. In der Vorbereitung dazu beschäftigte sich Schauspielerin Ursula Karven, 56, mit vielen Studien und aktuellen Zahlen wie zum Beispiel des Bundesfamilienministeriums und erfuhr, dass immer noch 63 Prozent der Frauen und 49 Prozent der Männer an ihrem Arbeitsplatz sexuelle Belästigung erfahren. Und immer noch gibt es keine gesetzliche Regelung, die die Betroffenen schützt. Deswegen hat sie jetzt eine Petition im Bundestag eingereicht.
Warum brauchen wir in Deutschland Ihre Petition? Weil es absolut notwendig ist, dass diejenigen, die sexuelle Belästigung erfahren, geschützt werden müssen. Vor zwei Jahren wurde bereits die Konvention C 190 über Gewalt und Belästigung von 187 Ländern der Vereinten Nationen unterschrieben. Nur leider wurde dieses Übereinkommen bisher nur von zwei Ländern ratifiziert, nämlich von Uruguay und Fidschi. Zuerst ging auch bei uns das Gesetz zügig voran. Nur scheiterte das Go des Europarats am Einspruch von Ungarn, Bulgarien und der Slowakei. An dieser Stelle wurde ich richtig wütend. Es kann nicht sein, dass der Schutz unserer Arbeitnehmer von Ungarn blockiert wird! An dieser Stelle habe ich meine Petition C 190 gegen alle Arten von Gewalt in der Arbeitswelt eingereicht.
Haben Sie selbst auch sexuelle Übergriffe erlebt? Ich denke, dass fast alle Schauspielerinnen davon irgendwann einmal betroffen waren. Da passiert Antatschen, Angaffen, Anmachen in allen Varianten. In den letzten zwei Jahren haben mir immer wieder junge Kolleginnen Nachrichten weitergeleitet, die den gleichen Tenor hatten wie bei mir vor 25 Jahren. Da hat sich im Umgang zwischen Mächtigen und Abhängigen absolut nichts geändert. Mir hat das früher sehr zugesetzt, wenn mir zum Beispiel ein Regisseur nachts um 3 Uhr geschrieben hat: „Ich habe gerade von dir geträumt und freue mich auf morgen am Drehort.“Ich war gehemmt nach solchen Vorkommnissen, für mich war das schrecklich. Solche Sprüche gibt es überall – von den Pflegeberufen bis zur Büro-Angestellten.
Was ist Ihr erklärtes Ziel? Es muss staatliche Beratungsstellen geben, an die sich jeder wenden und auch anonym bleiben kann. Das gilt für Frauen genauso wie für Männer und die LGBTQ-Community. In den Firmen muss gesichert sein, dass Vorfälle nicht an den Vorstand berichtet werden, sondern an den Aufsichtsrat, um jegliche Einflussnahme zu verhindern. Unser Land hat Vorbildcharakter und dem müssen wir endlich gerecht werden. Jede Stimme zählt. Vor allem auch die der Männer, die an unserer Seite stehen. Nur zusammen können wir stark genug sein, um der Macho-Kultur endlich und endgültig in jeder Hinsicht die Luft zu entziehen.