Marcus Bernhardt:
DIE DEUTSCHE HOSPITALITY managt 150 Hotels auf drei Kontinenten – darunter die Marke Steigenberger. Ein Gespräch über Corona, Toleranz und den chinesischen Besitzer
Chefgespräch mit dem Steigenberger-Boss
Vorbeieilende Passanten bringt der schnelle Blick auf die Terrasse der Brasserie „Oscar’s“im Luxushotel „Frankfurter Hof“kurz aus dem Tritt. Über viele Monate hatte auch hier im Herzen des Frankfurter Bankenviertels Tristesse geherrscht. Jetzt sind die hübsch eingedeckten Tische unter den voluminösen Sonnenschirmen ein erstes Vorzeichen für die langersehnte Normalität und die Rückkehr des Reisens. In dieser verheißungsvollen Kulisse trafen wir den neuen CEO Marcus Bernhardt, 60, Hotelier aus Leidenschaft mit Schweizer Wurzeln. Das Steigenberger-Hotel „Frankfurter Hof“gehört auch zur Deutschen Hospitality, die noch 2019 einen Umsatz von 829,3 Mio. Euro auswies und kurz vor Corona vom chinesischen Milliardär Ji Qi gekauft wurde.
Als Sie im November 2020 übernahmen, war gerade Hochsaison für Corona, aber Flaute für die Hotellerie. Wie lief der Start? Natürlich nicht so, wie man sich das vorgestellt hat. Wer konnte schon ahnen, dass nach der zweiten noch eine dritte Welle kommt. Aber es gilt: In stillen Gewässern kann jeder segeln, aber im Sturm zeigt sich, was ein guter Kapitän und seine Mannschaft können. Meine Aufgabe steht fest: die Deutsche Hospitality neu zu positionieren und aufzubauen. Wir bauen jetzt die Organisation auf, damit wir unser Ziel bis 2026 schaffen: Wir wollen zu den Top-3-Hotelgesellschaften in Europa vorstoßen.
Sportlich! Aber Sie waren ja mal Skirennfahrer. Hat Sie das gestärkt? Wenn man jung ist und ein paar Rennen gewinnt, hat man das Gefühl, man sei jetzt wirklich der Top-Crack.
WIR WOLLEN IN DIE TOP 3 DER HOTELGESELLSCHAFTEN EUROPAS
Mein Vater, ein Mediziner, sagte: „Du bist zwar gut, aber nicht gut genug.“Das tat weh, aber heute bin ich ihm dafür zutiefst dankbar. Mitgenommen habe ich sicher meinen Kampfgeist und mein Motto „Never ever give up“. Natürlich auch den TeamSpirit, der auch im Skisport essenziell ist.
Die Deutsche Hospitality wurde Ende 2019 durch die chinesische Firma Huazhu, einem der erfolgreichsten Hotelunternehmen der Welt, übernommen. Was reizte wohl den Eigentümer Ji Qi gerade an der Deutschen Hospitality? Zunächst muss man wissen, wie klangvoll das Wort „deutsch“in Asien ist. Deutsche Post, Deutsche Telekom, Deutsche Bank, das alles steht für Qualität, ebenso wie deutsche Produkte. Beispiele aus der Automobilindustrie sind Porsche, BMW und Mercedes-Benz. Unser Investor verfolgt ein klares Ziel: Die weiteren 7000 Hotels, die schon zu Ji Qis Unternehmen gehören, sind alle im Bereich von 1-, 2- oder 3-Sterne-Hotels. Mit dem Kauf der Deutschen Hospitality erreicht er nun einen neuen Markt im gehobenen Segment. Der sehr gute Name „Steigenberger“schmückt bald schon acht neue Hotels in China. Im August eröffnen wir das erste Luxushotel von Steigenberger Icons in China.
Ein Hotel braucht eine Auslastung von ca. 50 Prozent, um über die Runden zu kommen. Wie geht es jetzt der Deutschen Hospitality nach Corona? Wir hatten 2020 nur 35 Prozent Belegung. Trotz stark reduzierter Grundkosten hätten wir es in gewissen Zeiträumen ohne die Unterstützung unserer asiatischen Shareholder nicht geschafft, unsere 11 000 Mitarbeiter durchzubringen. Dieses Jahr wird genauso schwierig wie das vergangene, auch wenn wir schon wieder etwas Aufwind spüren.
Sind Impfausweise beim Einchecken bei Ihnen ein Thema? Wir sind Gastgeber aus Leidenschaft. Das Prinzip eines Hoteliers ist, Gäste und Mitarbeiter, egal welcher Nationalität, Religion, Geschlecht oder Ethnie sie angehören, gleich zu behandeln. Sonst würden wir unsere Gesellschaft spalten. Die Toleranz muss also auch, bis es nicht anders staatlich angeordnet wird, für Geimpfte und Nichtgeimpfte gleichermaßen gelten. Das ist ein sehr schwieriges Thema, wir alle lernen hier noch.
An welchen Moment Ihrer Hotellaufbahn erinnern Sie sich besonders gerne? Da gibt es sicherlich viele. Unvergesslich ist ein Erlebnis in Brüssel, als der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan zu Gast war. Bei uns im Hotel arbeitete eine Hausdame, die aus seinem Dorf stammte und darum bat, ihn begrüßen zu dürfen. Irgendwie konnten wir es möglich machen, trotz des strengen offiziellen Protokolls. Kofi Annan begrüßte sie, warf alle Regeln der Security über Bord und setzte sich mit der Frau ins Restaurant und sie unterhielten sich. So etwas erlebt man nur in der Hotellerie. Man könnte ein Buch schreiben.
Apropos Buch. Auch Ihr Investor ist Buchautor. Unter dem Titel „The Founder’s Notes – Die Notizen des Gründers“liest man einen deutlich philosophischen Ansatz. Liegt das Werk jetzt in jedem Ihrer Hotelzimmer? Nein, nein. Unsere Führungskräfte haben es gelesen und wir arbeiten gerade an der deutschen Übersetzung. Das Buch trägt nicht nur philosophische Züge, sondern auch esoterische. Man lernt viel über unseren Investor Ji Qi. Er hat Ingenieurwissenschaften und Robotik studiert und schließlich seine eigene Internetplattform gegründet, vergleichbar mit Amazon und Alibaba, nur in etwas kleinerem Format. Er ist ein knallharter Geschäftsmann – der es aber dabei auch immer schafft, seine Mitarbeiter mitzunehmen. Eine positive Unternehmenskultur ist bei Huazhu sehr wichtig.
Konnten Sie ihn schon kennenlernen? Wir sehen uns alle drei bis vier Wochen im Video-Call. Und er wartet sehnsüchtig darauf, seine Hotels kennenzulernen. Er hat 2019 den Vertrag unterschrieben, dann kam Corona und er konnte nicht mehr einreisen.
Das heißt, dass Sie ihn vermutlich dieses Jahr noch in Deutschland begrüßen dürfen? Ja, wir arbeiten schon daran, welche Häuser wir ihm zeigen, und wir freuen uns natürlich sehr auf seinen Besuch.
Urlaub ist Ihr Metier. Wo geht’s denn für Sie in diesem Jahr hin und wer wählt bei Ihnen den Urlaub aus?
Meine Frau Bettina und meine Töchter Anina und Valentina suchen die Destination aus. Ich organisiere den Rest. Wir träumen von einem Urlaub in Griechenland, auf Malta oder Zypern. Wir bleiben auf jeden Fall in Europa. Jedenfalls vorerst.
SEINE HOTELS HAT DER CHINESISCHE INVESTOR NOCH NICHT GESEHEN