Bunte Magazin

WANDERN EXTREM: VOM ÜBER-SICH-HINAUSWACH­SEN

So geht es auch: Thorsten Hoyer, 50, ist Extremwand­erer. Auf seinen langen Strecken rastet er kaum, schläft nicht. Was er davon hat, erzählt er hier

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Wandern nonstop – was soll das? So unterwegs zu sein, ist ein kreativer Prozess, er reinigt den Geist. Es geht nicht um Rekorde, sondern darum, einmal im Jahr meinen alltäglich­en Rhythmus aufzulösen. Es ist spannend, was passiert, wenn ich das durchbrech­e.

Und, was passiert? Nach 80 Kilometern setzt eine Art Meditation ein. Ich bin eins mit mir, eine tolle Erfahrung – mein Körper stellt sich ganz auf die Aufgabe ein. Ich habe gelernt: Mit Leidenscha­ft kann man fast alles schaffen!

Wie kamen Sie darauf, so zu wandern? Ich gehe immer schon gern zu Fuß. Im Jahr 2000 befasste ich mich beruflich mit Wandern im Tourismusm­arketing. Und begann, Langstreck­en zu gehen. Mich reizte zu sehen: Wann bin ich wirklich müde? Nach 20 Stunden merkte ich: Da geht noch was!

Nun schaffen Sie bedeutend mehr: Sie liefen durch Island – 215 km in 54,5 Stunden –, 130 Kilometer über die Alpen, zuletzt gar 302 Kilometer in 70 Stunden. Gibt es nie Durchhänge­r? Kaum. Ich weiß, dass die Müdigkeit kommt, aber wenn ich sie nicht lasse, hat sie keine Bedeutung. Schlimm ist nur Erschöpfun­g. Der erste tote Punkt kommt meist in der zweiten Nacht. Ich mache trotzdem wenig Pausen, sonst verlangt der Körper nach mehr – nach zwölf Stunden etwa 20 Minuten.

Was ist mit Hunger? Ich esse kaum etwas, ein paar Nüsse, Schokolade. Mein Biorhythmu­s ist aufgehoben, unterwegs habe ich eine große Leidensfäh­igkeit. Der Durchhänge­r kommt erst zu Hause. Es braucht Tage, bis ich regenerier­t bin.

Wie motivieren Sie sich? Das Ziel zu erreichen, motiviert sehr. Und: Ich stelle mir die Strecke nie am Stück vor, sondern unterteile sie in Abschnitte – an deren Ende gibt es Schokolade! Ich bereite mich auch kaum vor, präge mir nur die Karten ein, sodass ich auch ohne GPS zurechtkäm­e.

Was war das schönste Erlebnis bisher? Viele! Oft sind es Begegnunge­n, etwa mit Tieren. Oder mit meiner eigenen Fantasie.

An was denken Sie da? In Island gab es nachts starken Regen, viel Wind. Ich erwog, alles abzubreche­n, kauerte mich an einen Fels. Da sah ich ein Männlein mit wehendem Haar, Kopf in die Hand gestützt: einen Troll, er zwinkerte mir zu! Ich dachte, ich werde verrückt. Ich streckte die Hand aus: Da war nur Fels. Völlig verblüfft vergaß ich alle Mühe und ging weiter. Der Troll – mein innerer Wille? – wies mir quasi den Weg. Ich habe von dort einen Stein mitgenomme­n, der mir immer wieder Kraft gibt.

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Hoyer ist Chefredakt­eur von „Wandermaga­zin“(thorstenho­yer.de)

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