„DAS WICHTIGSTE IST, ABSCHALTEN ZU KÖNNEN“
WAS SIE TUN KÖNNEN, um sich gut zu erholen – und noch lange etwas davon haben
B rauchen wir regelmäßige Tapetenwechsel, um uns vom Alltag zu erholen? Wie lange sollten diese Auszeiten sein? Solchen Fragen widmet sich der Wiener Psychologe Dr.
Gerhard Blasche, Erholungsforscher am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien.
Herr Dr. Blasche, wie erhole ich mich im Urlaub am besten – im Strandkorb, beim Wandern oder beim Besuch eines Tempels? Das hängt natürlich von Ihrem Naturell und Ihren Interessen ab. Entscheidend ist, dass einem die Urlaubsaktivität Freude bereitet. Dann bindet sie unsere Aufmerksamkeit, lässt den Alltag mit seinen Belastungen in den Hintergrund treten und führt dazu, dass man im Kopf abschaltet. Abschalten zu können ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für gelungene Erholung.
Viele Menschen suchen im Urlaub das Naturerlebnis. Dafür gibt es doch Gründe? Natürliche Reize wie eine Dünenlandschaft, ein See oder ein grünes Mittelgebirge besitzen eine gewisse Anmut. Sie binden unsere Aufmerksamkeit zwanglos und einladend. Gleichzeitig überfordern sie uns nicht, wie es vielleicht der Straßenverkehr in einer lauten Metropole tun würde. Durch diese Eigenschaften gelingt es im Grünen leichter abzuschalten. Genießt man die Natur aktiv, etwa beim Wandern oder auf einer Radtour, kommen noch zwei zusätzliche Erholungseffekte ins Spiel: Stressabbau und Selbstbestätigung durch Sport. Vorausgesetzt, man hat ein bisschen Freude an Bewegung.
Auf welche Weise misst man als Forscher eigentlich, wie groß oder klein der Erholungseffekt von Urlaub ist? Ein wichtiger Indikator in der Erholungsforschung ist der Abbau von Ermüdung. Diese staut sich vor dem Urlaub unterschiedlich stark an, je nachdem, wie intensiv eine Person durch ihre Arbeit oder sonstige Verpflichtungen beansprucht wurde. Der Ermüdungsabbau verrät dann, wie sehr die Regeneration fortschreitet.
Gibt es Belege, dass das Aufladen der Batterien sich nicht nur gut anfühlt, sondern der Gesundheit etwas bringt? Ja, es gibt beispielsweise eine amerikanische Studie, die festgestellt hat, dass Menschen, die häufiger in den Urlaub fahren, seltener an einem Herzinfarkt sterben. Das ist plausibel, wenn man sich vorstellt, dass einem Nichturlauber die Möglichkeit fehlt, Ermüdung abzubauen. Erschöpfung erhöht das Risiko für HerzKreislauf-Erkrankungen.
Wie lange sollte der Urlaub mindestens sein, um die Batterien neu aufzuladen? Im Schnitt fühlen sich die meisten Menschen nach einer Woche erholt. Die Befunde zeigen, dass eine längere Auszeit die Erholung nicht mehr großartig steigert. Lediglich bei Reisen in fremde Klima- und Zeitzonen, die eine gewisse Umstellung erfordern, dauert es womöglich etwas länger. Doch auch hier ist man nach spätestens zehn Tagen regeneriert, es sei denn, dass man vor dem Urlaub außergewöhnlich erschöpft war. Ein Kurztrip am Wochenende: Genügt das für eine vollständige Erholung? Zwei Tage sind dann zu wenig, wenn die Arbeitsbelastung hoch ist. In einer Studie an der Universität Wien haben wir kürzlich gezeigt, dass Altenpfleger noch am dritten freien Tag einen Erholungszuwachs verbuchten, nachdem sie zuvor zwei Tagschichten von jeweils zwölf Stunden Dauer gearbeitet hatten. Man kann also davon ausgehen, dass ein Wochenende in diesem Fall nicht genügt, um vollständig zu regenerieren.
Angenommen, ich habe mich im Urlaub bestens erholt. Wie lange hält der Effekt überhaupt an? Leider kommt es bald wieder zu einem Zuwachs der Ermüdung. Üblicherweise steht man zwei, spätestens drei Wochen nach Urlaubsende wieder dort, wo man vor dem Urlaub stand. Allerdings lässt sich der Erholungseffekt verlängern. Entscheidend ist, sich nicht gleich am ersten Tag zu Hause wieder voll auf die Verpflichtungen zu stürzen. Ich empfehle deshalb, bereits am Freitag oder Samstag heimzureisen und sich für Montag und Dienstag nicht allzu viele Vorhaben aufzuladen.