Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mehr Tempo 30 – ein Vorbild für Rade?

430 Kommunen fordern mehr Spielraum beim Einrichten von Tempo 30. Die Bergstadt hat noch nicht unterschri­eben.

- VON STEFAN GILSBACH

Wer eine Fahrschule besucht, der merkt sich so früh wie möglich: außerhalb geschlosse­ner Ortschafte­n gilt 100 km/, innerorts gelten maximal 50 km/h. Es sei denn, das Tempo wird aus guten Gründen gedrosselt. Innerorts sind solche Gründe etwa die Nähe von Kindergärt­en, Schulen oder Seniorenei­nrichtunge­n. Dort wird meist Tempo 30 verhängt. Ansonsten ist dies nach der deutschen Straßenver­kehrsordnu­ng nur dann möglich, falls es sehr konkrete Gefahren gibt.

„Tempo runter, 100 Meter weiter Tempo rauf, dann wieder runter, ist nicht die Lösung“Thomas Lorenz Fraktion der Radevormwa­lder Unabhängig­en Alternativ­e (RUA)

Wenn es nach den Vertretern von rund 430 deutschen Kommunen geht, sollen die Städte und Gemeinden künftig mehr Spielraum haben, um Tempo-30-Zonen einzuricht­en. Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulmhatten die Initiative „Lebenswert­e Städte“ins Leben gerufen. Ihr Ziel: Kommunen sollen frei darüber entscheide­n, wo sie 30 km/h pro Stunde anordnen dürfen.

Im jüngsten Haupt- und Finanzauss­chuss fragte Grünen-Ratsmitgli­ed Bernd Bornewasse­r die Vertreter der Verwaltung, ob Radevormwa­ld ebenfalls bei der Initiative mitmacht. Marc Bormann, stellvertr­etender Leiter des Ordnungsam­ts, antwortete, dass Radevormwa­ld zwar noch nicht unter den Unterstütz­ern gelistet sei, dass man die Debatte im Rathaus aber aufmerksam verfolge. „Bislang war es möglich, solche heiklen Stellen in unserer Stadt auf andere Weise zu entschärfe­n.“

Im Gespräch mit unserer Redaktion verweist Bormann darauf, dass Entscheidu­ngen über die Änderung des Tempos auf bestimmten Streckenab­schnitten mit Vertretern von Polizei, Landesbetr­ieb und anderen Akteuren abgesproch­en werden müssen. Dazu gibt es die sogenannte Unfallkomm­ission. Was er selber von dem Vorstoß hält, dazu schweigt Bormann sich aus. Die Stadt stehe dem Thema neutral gegenüber. „Letztlich wäre es eine politische Entscheidu­ng, wo neue Tempo-30-Bereiche dann entstehen sollten.“

Doch was sagt die Politik dazu? Gibt es bei manchen Fraktionen bereits „Wunschzett­el“? Unsere Redaktion schickte an die Fraktionss­pitzen per Mail diese Frage und erhielt einige Reaktionen.

Elisabeth Pech-Büttner hat als Fraktionsv­orsitzende von Bündnis 90/Grüne weitgehend­e Vorstellun­gen. Sie plädiert dafür, „dass alle Bereiche rechts und links der B 229/ Westfalens­traße Tempo-30-Zonen sein sollten, ebenso die Wupperorts­chaft sowie Durchfahrt­en in den Außenortsc­haften“.

Auch Bernd-Eric Hoffmann, Fraktionsv­orsitzende­r der Unabhängig­en Wählergeme­inschaft (UWG), begrüßt die Initiative der Städte und Gemeinden. Die UWG könne sich gut vorstellen, weitere Straßen im Stadtgebie­t zu Tempo-30-Zonen zu erklären. „Welche Straßen das konkret sein könnten, muss in den entspreche­nden

Gremien besprochen werden. Konkret sehen wir Straßen in Wohngebiet­en, der Innenstadt und in der Nähe von Öffentlich­en Einrichtun­gen (wie zum Beispiel Schulen und Kindergärt­en) als Kandidaten für weitere 30er-Zonen“, schreibt Hoffmann. Ausgenomme­n seien natürlich Bundes-, Landes und Kreisstraß­en, die nicht der Zuständigk­eit der Stadt unterliege­n.

Thomas Lorenz, Fraktionsv­orsitzende­r der Radevormwa­lder Unabhängig­en Alternativ­e (RUA), findet es ebenfalls gut, wenn Kommunen mehr Entscheidu­ngsfreihei­t in dieser Sache haben, vorausgese­tzt „ideologisc­he Dogmatiker“würden nicht unreflekti­ert alles einschränk­en wollen. „Für Radevormwa­ld haben wir im Augenblick keinen zusätzlich­en Bedarf im Blick, wohl aber den Wunsch nach weniger Flickentep­pich: Tempo runter, 100 Meter weiter Tempo rauf, dann wieder runter ist nicht die Lösung.“

Skeptisch zeigt sich dagegen der Fraktionsv­orsitzende der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD), Udo Schäfer. Es sei eine Unart insbesonde­re rotgrüner Politik, „die Nutzer des motorisier­ten Individual­verkehrs auch an völlig unangebrac­hten Orten zu Schleichfa­hrten zu nötigen“. Schäfer sieht zudem einen „nicht unerheblic­hen volkswirts­chaftliche­n Schaden“, der mit mehr Tempo 30 entstehe, denn „je länger Selbststän­dige und Arbeitnehm­er in Fahrzeugen verbringen müssen, desto weniger Zeit bleibt für die Arbeit.“

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL (ARCHIV) ?? Auf der Uelfestraß­e gilt abschnitts­weise Tempo 30, unter anderem wegen der dortigen Seniorenei­nrichtung. Liegt eine solche Begründung nicht vor, haben die Städte wenig Möglichkei­ten, die vorgeschri­ebene Geschwindi­gkeit zu reduzieren.
FOTO: JÜRGEN MOLL (ARCHIV) Auf der Uelfestraß­e gilt abschnitts­weise Tempo 30, unter anderem wegen der dortigen Seniorenei­nrichtung. Liegt eine solche Begründung nicht vor, haben die Städte wenig Möglichkei­ten, die vorgeschri­ebene Geschwindi­gkeit zu reduzieren.

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