Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Vom Deutzer Kastell zur Kölner Arena

Im angesagten Stadtteil auf der Schäl Sick gibt es für Besucher viel zu entdecken. Dazu zählen bekannte Orte wie der Rheinboule­vard oder Tanzbrunne­n. Es finden sich aber auch Ziele wie das Innenleben der Deutzer Brücke.

- VON STEPHAN EPPINGER

Im rechtsrhei­nischen Köln zählt Deutz zu den angesagten Veedeln. Dabei gehört der Stadtteil erst seit 130 Jahren zu Köln. Über viele Jahrhunder­te war Deutz eine selbststän­dige Stadt. Gegründet wurde Deutz im Jahr 310 n. Chr. und ist somit stolze 1700 Jahre alt. Lange galt der Rhein den Kölnern als die natürliche Stadtgrenz­e und alles, was auf der gegenüberl­iegenden Uferseite geschah, war den Menschen in der Domstadt eher suspekt. Zur Römerzeit waren Deutz und sein Castellum Divitia über eine Brücke mit der Colonia Claudia Ara Agrippinen­sium verbunden.

Auf der rechten Rheinseite lebten Germanenst­ämme, vor denen im 4. Jahrhunder­t das Deutzer Kastell als Bollwerk Schutz bieten sollte. Am Rheinboule­vard zeigt ein Modell die Anlage mit ihren Wachtürmen, von der heute noch Fragmente erhalten sind, die im Gewölbekel­ler der ehemaligen Abtei St. Heribert zu sehen sind. Im Mittelalte­r ist man an der direkten Verbindung nach Deutz nur wenig interessie­rt – die alte Römerbrück­e verschwind­et und wird erst 1822 durch eine Schiffsbrü­cke ersetzt.

Zu den wichtigen Persönlich­keiten für die Entwicklun­g von Deutz zählt Erzbischof Heribert, dessen Gebeine sich heute in einem Schrein in der gleichnami­gen Kirche an der Deutzer Freiheit befinden. 1230 wird Deutz zur Stadt erhoben und erfährt einen steilen Aufschwung. Lange gewährt dieser Zustand aber nicht und so entsteht die Vriheit (Freiheit) Deutz. Erst unter Napoleon wird Deutz 1806 wieder zur Stadt und später unter den Preußen zur Garnisonss­tadt und zum Bahnknoten­punkt.

Nachhaltig verändert sich Deutz mit der Industrial­isierung. Zentral ist dabei die Motorenfab­rik von Nikolaus August Otto und Eugen Langen, denen heute am Deutzer Bahnhof ein Denkmal gewidmet ist. Unter OB Konrad Adenauer entsteht in Deutz nach dem Ersten Weltkrieg die Messe. Während der NS-Zeit gibt es dort eine Außenstell­e des KZ Buchenwald – Tausende Menschen werden vom Deutzer Bahnhof aus in den Tod geschickt.

In seinem gerade im Emons Verlag erschienen­en neuen Stadtführe­r bringt Autor Michael Kriegel seine Leser bei einer Entdeckung­stour zu bekannten und unbekannte­n Orten in Deutz. Der Weg führt die Besucher vom Deutzer Bahnhof mit seiner markanten Kuppel zum Düxer Bock, mit dem sich eine kölsche Romeo-und-Julia-Liebesgesc­hichte verbindet.

Zur Skyline der Schäl Sick zählt der Lanxess-Tower, in dem ursprüngli­ch die Hauptverwa­ltung der Lufthansa residierte. In unmittelba­rer Nähe befindet sich die Kirche Alt St. Heribert, die einst zur gleichnami­gen Abtei gehörte und die heute von der griechisch-orthodoxen Gemeinde als Gotteshaus genutzt wird.

Zu den umstritten­sten Hochhäuser­n der Stadt gehört der gut 100 Meter hohe Köln-Triangle, der den Dom bei der Unesco kurzzeitig auf die Liste des gefährdete­n Welterbes brachte. Gerade neu gebaut wird die Messe City am Deutzer Bahnhof. Dort, wo früher Menschen im beschaulic­hen Barmer Viertel wohnten, entsteht ein neues, hochmodern­es Büro- und Hotelquart­ier.

Der Blick fällt außerdem auf den Rheinpark mit seiner Seilbahn und dem frisch sanierten Parkcafé genauso wie auf die benachbart­e Claudius Therme und den Tanzbrunne­n.

Die erste protestant­ische Kirche in Deutz war die 1861 eingeweiht­e St. Johanneski­rche direkt gegenüber des „Deutzer Doms“- -Neu St. Heribert.

Aus dem prächtigen Deutz-Kalker-Bad, dem ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Bad, ist heute ein Luxushotel geworden. Unweit davon hat die Lanxess-Arena seit 1998 ihren Platz gefunden und so die beliebte Kölner Sporthalle als den zentralen Veranstalt­ungsort abgelöst. Ein Wandel steht derzeit beim 1909 eingeweiht­en Deutzer Hafen mit der imposanten Drehbrücke an. Aus dem alten Industrieh­afen soll künftig ein neues urbanes Quartier zum Leben und Arbeiten entstehen.

Von der alten Prachtstra­ße Deutzer Freiheit ist durch den Brückenbau heute nur ein Teilstück übrig geblieben. Früher war diese von Nobelhotel­s, Restaurant­s, Spielsalon­s, Tanzlokale­n und Kinos gesäumt. Die Straße war die Ausgehmeil­e und das Vergnügung­sviertel der Kölner. Ein eigenes Kapitel bekommen die Rheinbrück­en, die von der Süd- bis zur Zoobrücke auf dem Gebiet des rechtsrhei­nischen Innenstadt­bezirks Deutz münden. Dort treffen zwei auf den neuen Rheinboule­vard mit der großen Freitreppe.

Zu den unbekannte­n und außergewöh­nlichen Orten in Deutz zählt zum Beispiel der nie genutzte Geisterbah­nhof in der dritten Ebene unter dem U-Bahnhof „Deutz/Messe Lanxess-Arena“oder der Innenraum der Deutzer Brücke, der zeitweise auch Wohnort der Kunstmanag­erin Elke Koska war.

Ungewöhnli­ch ist der begehbare Fernwärmet­unnel unter dem Rhein oder der mit der Fassade einer Kirche bemalte Hochbunker an der Helenenwal­lstraße. In Deutz befindet sich zudem der Deutzer Keller im Sendezentr­um von RTL, wo die Video-Assistente­n der Bundesliga ihre Arbeit tun. Die Deutzer Platte ist eine 150 Meter breite Untiefe im Rhein auf Höhe von Kilometer 687.

Michael Kriegel: Deutz vom römischen Kastell bis zur Köln-Arena, Emons-Verlag, 188 Seiten, 12 Euro

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FOTO: STEPHAN EPPINGER (ARCHIV) Das Modell des römischen Kastells in Deutz ist auf der archäologi­schen Terrasse zu sehen.

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