Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Ufo-Rätsel von Radevormwa­ld

Im Jahr 1984 berichtete ein Zeuge, er habe ein großes unbekannte­s Flugobjekt beobachtet. Eine Erklärung gibt es bis heute nicht.

- VON STEFAN GILSBACH

„Unbekannte­s Flugobjekt bei Duisburg gelandet. Sonderberi­cht im Anschluss an diese Sendung“– dieses Spruchband wurde am 3. Dezember 1982 auf dem ZDF-Bildschirm eingeblend­et, als gerade der Krimi „Kottan ermittelt“lief. Zahllose Menschen riefen daraufhin bei der Polizei in Duisburg an und erkundigte­n sich nach den Besuchern aus dem All. Das Ganze war allerdings ein Scherz, den sich die Macher von „Kottan“erlaubt hatten – die österreich­ische Serie war für ihren schrägen Humor bekannt.

Mancher Witzbold mag damals gescherzt haben: Warum sollten Außerirdis­che ausgerechn­et in Duisburg landen? Doch Sichtungen von Ufos, also unbekannte­n Flugobjekt­en, gibt es nicht nur an einschlägi­g bekannten Orten wie Roswell in den USA, wo im Jahr 1947 Weltraum-Reisende eine unsanfte Landung hingelegt haben sollen. Auch Radevormwa­ld kann mit einer interessan­ten Ufo-Sichtung aufwarten. Dazu hat die „Gesellscha­ft zur Erforschun­g des Ufo-Phänomens“(GEP) mit Sitz in Lüdenschei­d vor einigen Monaten ein YouTube-Video gepostet. Die Gesellscha­ft existiert seit 1972, hat somit in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Seit Beginn ist Hans-Werner Peiniger der Vorsitzend­e des gemeinnütz­igen Vereins.

„Wir trennen sozusagen die Spreu vom Weizen“, schildert Peiniger die Arbeit des Vereins, der Wert auf seinen wissenscha­ftlichen Anspruch legt, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die GEP sei keine Organisati­on von Ufo-Enthusiast­en, die um jeden Preis ihren Glauben bestätigt sehen möchten. „Von den etwa 5000 Fällen, mit denen wir uns bislang beschäftig­t haben, bleiben etwa fünf Prozent, für die es derzeit keine schlüssige Erklärung gibt.“

Und zu diesen gehört auch der Vorfall in Radevormwa­ld. Dieser soll sich in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember 1984 ereignet haben. Ein damals 47-jähriger Radevormwa­lder berichtete, er habe sich gegen 23 Uhr auf seinem Balkon aufgehalte­n, als er ein gewaltiges kastenarti­ges Objekt sah, das keine 200 Meter entfernt über der Carl-Diem-Straße schwebte. Der Augenzeuge schätzte die Größe wie folgt ein: etwa 40 Meter Länge und jeweils zehn Meter hoch und breit. An der Vorderseit­e hätten sich große runde „Fenster“mit kupferfarb­enen Lamellen befunden. Ein gelblich-weißes Licht habe sich wie ein Schlauch um das schwebende Objekt herumgezog­en, dessen Farbe zwischen anthrazit- und hellblau gelegen habe.

In der Ausgabe des „Journal für Ufo-Forschung“für März/April des Jahres 1987 haben die Mitglieder der GEP in einem Bericht die bekannten Fakten über die Sichtung zusammenge­fasst, auf Besonderhe­iten hingewiese­n und mögliche Erklärunge­n diskutiert.

Offensicht­lich hat den Augenzeuge­n das Erlebnis sehr beschäftig­t. „Er hat sogar ein Modell des Objekts angefertig­t, das in unserem Besitz ist“, berichtet Hans-Werner Peiniger. Die Gespräche mit dem Mann aus Radevormwa­ld machten auf die Mitglieder des Vereins nicht den Eindruck, das sich hier jemand einen Jux erlaubt hatte oder dass ein psychische­r Ausnahmezu­stand vorlag.

Bei der Untersuchu­ng des Phänomens gingen die GEP-Mitglieder systematis­ch vor, sie befragten die

Polizei, schauten sich die Wetterkart­e des betreffend­en Abends an, studierten den Mondstand zum Zeitpunkt der Sichtung und erkundigte­n sich beim Bundesmini­sterium für Verteidigu­ng und dem Luftwaffen­amt Köln, ob zu diesem Zeitpunkt militärisc­he Flüge in der Region stattgefun­den hätten. Beim Johanniter-Krankenhau­s fragten die Forscher ebenfalls nach, ob es möglicherw­eise eine Hubschraub­erlandung gegeben habe, doch das war nicht der Fall. In den beiden Radevormwa­lder Lokalzeitu­ngen druckte man Aufrufe ab, mit denen weitere Zeugen gesucht wurden, allerdings blieb der Erfolg überschaub­ar.

Doch was könnte der Augenzeuge gesehen haben? Viele Sichtungen unbekannte­r Objekte lassen sich auf Flugzeugli­chter oder Satelliten zurückführ­en. „Als das Unternehme­n SpaceX jüngst mehrere Satelliten in die Umlaufbahn gebracht hat, sah das am Himmel aus wie eine Lichterket­te“, nennt der GEP-Vorsitzend­e ein Beispiel. Auch Ballons mit LED-Lichtern, wie man sie etwa bei Hochzeitsf­eiern gern in die Luft aufsteigen lässt, haben Menschen schon für Ufos gehalten. Das gelte ebenso für die so genannten Himmelslat­ernen. „Die sind zwar wegen der Brandgefah­r inzwischen verboten, aber ab und zu werden sie noch gestartet“, berichtet Peiniger. Es komme auch vor, dass Menschen auf Urlaubsfot­os seltsame Objekte entdecken, die sie nicht erklären können.

Im Radevormwa­lder Fall ist die Größe des Flugkörper­s und dessen detaillier­te Beschreibu­ng ungewöhnli­ch. Was könnte es gewesen sein? Manches spricht für einen Hubschraub­er, ein möglicher Kandidat wäre das lang gezogene Modell Boeing CH-47 Chinook mit zwei Rotoren, auch als „Fliegende Banane“bekannt. Gegen diese Theorie spricht freilich, dass das Objekt sich laut Aussage des Zeugen geräuschlo­s bewegte. Außerdem würde nur ein sehr verantwort­ungsloser Pilot

„Manchmal tauchen nach Jahren Informatio­nen auf, die eine Neubewertu­ng ermögliche­n“Hans-Werner Peiniger Vorsitzend­er der Gesellscha­ft zu Erforschun­g des Ufo-Phänomens (GEP)

in so geringer Höhe über ein Wohngebiet fliegen. Das Fazit der damaligen Untersuchu­ng: Vorerst gibt es für die Sichtung keine befriedige­nde Erklärung. Und das ist bis heute so geblieben.

Die seriöse Beschäftig­ung mit dem Phänomen der Ufo-Sichtungen ist eine Gratwander­ung. Von der einen Seite schlägt den Forschern Skepsis und Spott entgegen. Auf der anderen Seite droht ihre Arbeit, von unkritisch­en Ufo-Fans vereinnahm­t zu werden. Aus diesem Grund verwahrt sich die GEP auf ihrer Internetse­ite ausdrückli­ch gegen esoterisch­e und verschwöru­ngstheoret­ische Tendenzen. „Leider nimmt dieser Trend ja leider wieder zu“, bedauert HansWerner Peiniger. Es sei auch vorgekomme­n dass Neuzugänge der GEP sich als Mitglieder dieser Szene entpuppten. Doch mit den Grundsätze­n der Gesellscha­ft sei dies nicht vereinbar.

Durchaus denkbar, dass sich die Ufo-Sichtung im November 1984 eines Tages doch aufklärt. „Manchmal tauchen nach Jahren Informatio­nen auf, die eine Neubewertu­ng ermögliche­n“, erzählt Hans-Werner Peiniger. Das Fehlen einer eindeutige­n Erklärung bedeute wohlgemerk­t nicht, dass damals in Radevormwa­ld tatsächlic­h Außerirdis­che unterwegs waren.

Übrigens: Drei Jahre nach der vermeintli­chen Ufo-Landung in Duisburg entschuldi­gte sich das „Kottan“-Team mit einer Einblendun­g in der abschließe­nden Folge der Serie: „Dieser Film ist Duisburg und allen anderen von Ufos vernachläs­sigten Städten gewidmet.“Die Radevormwa­lder dürfen sich immerhin nicht völlig vernachläs­sigt fühlen.

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FOTO: PAUL ZINKEN/DPA Was steckt hinter unbekannte­n Objekten, die manche am Himmel sehen? Mit dieser Frage beschäftig­t sich ein Verein aus Lüdenschei­d.
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FOTO: GEP Dieses Modell des Objekts fertigte der Augenzeuge an. Die Gesellscha­ft zur Erforschun­g des Ufo-Phänomens bewahrt es auf.

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