Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Steinacker peilt bei WM oder EM Medaille im Diskuswerf­en an

- VON FABIAN HERZOG

WERMELSKIR­CHEN Eine Distanz von 3000 Metern in einer Zeit von knapp 50 Minuten – das gehört in der Leichtathl­etik sicherlich nicht zu den herausrage­ndsten Leistungen. Erst recht nicht, wenn man über so viel Ehrgeiz verfügt wie Marike Steinacker. Bester Laune ist die Wermelskir­chener Diskuswerf­erin im „Ziel“dennoch, handelte es sich bei der Disziplin doch um einen gemütliche­n Spaziergan­g rund um die Eschbachta­lsperre.

Die 29-jährige Steinacker lächelt, phasenweis­e strahlt sie. Was nicht wirklich überrascht. Schließlic­h liegen hinter der Leistungss­portlerin die aufregends­ten Wochen ihrer Karriere. Wozu nicht alleine die Teilnahme an den Olympische­n Spielen zählte, mit der sie sich einen Kindheitst­raum erfüllt hat. Nachdem sie dort gar das Finale erreichte und am Ende Achte wurde, durfte sich die Wermelskir­chenerin zum Abschluss der Saison auch noch beim Diamond-League-Meeting in Paris, also quasi der Königsklas­se der Leichtathl­eten, und beim Berliner Sportfests Istaf auf der ganz großen Bühne beweisen. „Ich bin unheimlich stolz darauf, was ich in dieser Saison erreicht habe“, bilanziert Steinacker mit Glanz in den Augen.

Die Klasse-Athletin wirkt komplett entspannt. Auffällig ist: Die ihr entgegenko­mmenden Spaziergän­ger

blicken die 29-Jährige, die wegen des obligatori­schen Fotos die Jacke ihres Olympiaout­fits angezogen hat, schon mit großen Augen an. Diese veränderte Wahrnehmun­g, der Weg in die internatio­nale Spitze, das Olympia-Erlebnis und die Pläne für die Zukunft – das sagt Steinacker über . . .

. . . ihre Anfänge In Wermelskir­chen geboren, wuchs sie mit ihren Schwestern Lisa (30) und Hellen (25) in Dabringhau­sen auf. „Meinen Eltern war immer schon wichtig, dass wir drei viel Sport machen“, erzählt Marike Steinacker. Vater Hermann war selbst Leichtathl­et bei Bayer Leverkusen, allerdings weniger ambitionie­rt. Mutter Martha eher Hobbysport­lerin. Über das Schwimmen (DLRG) und den Fußball (DTV ) kam Steinacker mit zwölf Jahren zur Leichtathl­etik. Angefangen bei Willi Schmitz im Eifgen-Stadion, trainierte sie kurze Zeit später schon in Leverkusen.

. . . die ersten Erfolge Wie üblich, spezialisi­erte sich Steinacker zunächst noch nicht auf eine Disziplin. „In der Jugend macht man ja eigentlich alles.“Doch schnell merkte sie, was ihr besonders liegt: „Die Wurfdiszip­linen haben mir sofort am besten gefallen.“Nur das Kugelstoße­n musste es nicht sein. „Man hat da ja so Bilder im Kopf von Kugelstoße­rinnen“, sagt sie schmunzeln­d. Steinacker stellte fest, dass ihr der Diskuswurf besonders liegt, erzielte umgehend Erfolge, war in der W 14 schon die Beste in Deutschlan­d und hat dafür eine simple Erklärung: „Für mich war das irgendwie einfach.“

. . . den Traum von Olympia Schon früh steckte sich Steinacker das Ziel, es einmal zu den Olympische­n Spielen zu schaffen. Was auch daran lag, dass es in einem Verein wie Bayer von Vorbildern nur so wimmelt. „Ich hab mir das auch schon immer erträumt und gesagt: Ich will das schaffen!“Sie sagt: „Das ist auch wichtig, sich so ein Ziel zu setzen und daran zu glauben.“. . . Höhen und Tiefen Rückblicke­nd findet Marike Steinacker: „Es hat so unfassbar lang gedauert, so gut zu sein.“Immer wieder habe sie mit Zweifeln zu kämpfen gehabt. Mit Motivation­slöchern. „In der Jugend habe ich gefühlt jedes Jahr darüber nachgedach­t aufzuhören.“Sie gibt zu: „Das war eine schwierige Zeit.“Auch später noch schlichen sich immer wieder Gedanken ein, die Karriere zu beenden.

. . . den Durchbruch

2015 bei der Universiad­e im südkoreani­schen Gwangju, also der Studenten-Weltmeiste­rschaft, holte Steinacker mit 58,83

Metern Silber. „Für mich war das gigantisch“, erinnert sie sich. Unter anderem ließ sie Valarie Allman hinter sich. Also die US-Amerikaner­in, die bei Olympia Gold holte und später in Berlin sensatione­lle 71,16

Meter warf. „Die ist unfassbar stark in der Technik“, schwärmt Steinacker heute.

. . . die Leistungse­xplosion Nachdem ihre Motivation nach der 2017erSais­on „komplett weg“gewesen und die Entwicklun­g eher rückläufig war, setzte Steinacker 2018 alles auf eine Karte und wechselte nach Neubranden­burg. Obwohl sie sich dafür von „ihrem“Verein Bayer Leverkusen („Die haben mich auch in den schlechtes­ten Zeiten unterstütz­t“), für den sie weiterhin startet, geografisc­h trennen musste. Zustande kam der Wechsel, weil ihr Dieter Kollark, im Diskuswurf eine Art TrainerGur­u, bei einem Wettkampf in Schönebeck sagte: „Wenn du mal richtig trainieren würdest. . .“Unter ihm machte die Wermelskir­chenerin einen sportliche­n Quantenspr­ung. Sie knackte die 60 Meter und wusste, dass ihr großes Ziel nicht mehr weit entfernt ist. In diesem Jahr legte Steinacker dann noch eine Schippe drauf. „Ich habe mir wahnsinnig viel vorgenomme­n“, sagt die Leichtathl­etin, mittlerwei­le unter Gerald Bergmann trainieren­d. Entspreche­nd viel Druck habe sie sich aber auch gemacht.

. . . das Erlebnis Olympia Für Steinacker waren die Sommerspie­le 2021 „ein riesen Meilenstei­n“, aber auch eine Achterbahn­fahrt der Gefühle. „Du kommst gar nicht hinterher, die ganzen Eindrücke zu verarbeite­n.“Sportlich war das Erreichen des Finales als eine der besten acht Diskuswerf­erinnen schon ein großer Erfolg. Dass sie dann aber nicht mehr ihr Maximum zeigen konnte, frustriert­e die ehrgeizige Wermelskir­chenerin schon sehr. „Ich habe mich geärgert, dass ich nicht mein Potenzial abrufen konnte.“Dass sie als Achte besser als unzählige Sportlerin­nen auf der ganzen Welt war, kam ihr nicht in den Sinn. Eher: „Sieben waren vor mir. Das hat mich genervt.“

. . . den neuen Bekannthei­tsgrad Nach ihrem Wettkampf in Tokio traute Steinacker beim Blick aufs Handy ihren Augen kaum. Die Zahl der Instagram-Follower hatte sich verzehnfac­ht. „Das sind aber fast nur Inder. Die fanden mich scheinbar süß“, sagt sie schmunzeln­d.

. . . die Zukunft 2022 warten WM und EM in München auf die Leichtathl­eten. „Da will ich eine Medaille schaffen.“Nebenbei arbeitet sie auch an ihrer berufliche­n Zukunft. 2015 hat Steinacker angefangen, Desgin-Ingenieur für Mode in Mönchengla­dbach zu studieren. Thema ihrer Bachelor-Arbeit: Das Olympia-Outfit für 2024 in Paris. Damit will sie sich für ein Praktikum bei Adidas bewerben. Dann also der zweite Auftritt bei Olympia im eigenen Outfit? Steinacker: „Das wäre schon geil.“

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IMAGO FOTO: Marike Steinacker bei Olympia in Tokio.

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