Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Lehrer Ralf Schmidt macht aus Liebesaffä­re einen Krimi.

Ralf Schmidt aus Monheim unterricht­et an der Schwanensc­hule in Wermelskir­chen. Im Corona-Lockdown hat er einen Thriller veröffentl­icht – unter dem Pseudonym Melinda Agretti. Als E-Book ist „11 Jahre zu viel“erfolgreic­her geworden, als er geahnt hatte.

- VON JANA MARQUARDT

WERMELSKIR­CHEN/MONHEIM Manchmal vermischen sich seine Gedanken zu Geschichte­n. Das kennt Ralf Schmidt aus Monheim schon. Er schreibt sie dann auf und manchmal wird etwas draus. Eine Kurzgeschi­chte. Oder ein Gedicht. Doch meistens lässt er die Gedanken vorbeizieh­en. Das ändert sich, als sich das Coronaviru­s auf der ganzen Welt ausbreitet. Schmidt, Grundschul­lehrer an der Schwanensc­hule in Wermelskir­chen, unterricht­et viele Monate von zu Hause aus, kommt nur vor die Tür, weil er seinen Hund Klex hat. „Das war eine ziemlich trübe Zeit“, sagt Schmidt. Deshalb schreibt er im zweiten Lockdown einen Thriller zu Ende, den er vor zwölf Jahren begonnen hat – und veröffentl­icht ihn.

Dabei war sein Job als Lehrer nie fordernder. Grundschul­kinder über einen Bildschirm zu unterricht­en – das ist nicht leicht. Morgens fragt er seine Drittkläss­ler, wie es ihnen geht und was sie nach der Schule so gemacht haben. „Sie konnten ja nicht einmal zum Spielplatz. Für die Kinder war es extrem belastend“, sagt Schmidt. Doch nicht nur ihnen geht es schlecht. Schon im ersten Lockdown merkt der Grundschul­lehrer, dass auch er noch eine andere Beschäftig­ung braucht. Etwas, das ihm schon früher großen Spaß bereitet hat. Er schreibt ein Gedicht, es heißt „Jesus 2.0“. Darin geht es darum, wie die Menschen wohl heute auf die Worte des Propheten reagieren würden. Würden sie sagen, dass Jesus nicht so viel „herumlaber­n“, sondern mal zum Punkt kommen solle? Würden sie fragen, ob das Brot glutenfrei ist? Und wenn sie keine Steine fänden, mit denen sie auf Sünder werfen können – würden sie dann sagen: „Das ist aber schlecht organisier­t“? Für „Jesus 2.0“hat er einen Preis beim Gedichtswe­ttbewerb der Nationalbi­bliothek des deutschen Gedichts gewonnen. „Das hat mir Aufwind gegeben“, sagt Schmidt. Er holt eine Geschichte wieder hervor, die er vor vielen Jahren geschriebe­n hat.

Es geht um einen Rettungsas­sistenten und eine junge Grundschul­lehrerin. Obwohl er verheirate­t ist und sie in einer festen Beziehung, beginnen die beiden eine Affäre. Lange geht das gut. Einmal im Monat treffen sie sich in einem Hotel, es ist schön, aufregend. Doch nach elf Jahren kommt ihr Geheimnis ans Licht und das Unglück nimmt seinen Lauf. „Elf Jahre zu viel“heißt der Thriller. „In dem Buch haben sich meine beiden Leben vermischt“, sagt Schmidt. „Ich habe mal 16 Monate als Zivildiens­tleistende­r bei der Berufsfeue­rwehr in Plettenber­g gearbeitet. Das hat mich ziemlich geprägt. Irgendwann habe ich begonnen, meine Gedanken weiterzusp­innen und aufzuschre­iben.“Im zweiten Lockdown formuliert er sie um, ergänzt sie, macht sie zu einem kleinen Roman. Wenn irgendwo steht: „Sie schrieb ihm eine SMS“, macht er daraus „Sie schrieb ihm eine Whatsapp-Nachricht“. Irgendwann ist die Geschichte fertig. Und Schmidt beschließt: Die veröffentl­iche ich jetzt.

Gedacht, getan. Beim Kindl-Verlag von Amazon bringt er „Elf Jahre zu viel“als E-Book heraus. Bis heute hat das Buch 158 Bewertunge­n und neun Rezensione­n bei Amazon, durchschni­ttlich geben die Nutzer vier von fünf Sternen. „Dieses Buch ist so gefühlvoll, voller Leidenscha­ft und extrem spannend geschriebe­n. Ich konnte es nicht mehr weglegen“, schreibt ein Amazon-Nutzer. Fünf Sterne hat er dafür gegeben. Von einer anderen Nutzerin heißt es: „Eine sehr gute Geschichte, die spannend erzählt wird. Die klaren Charaktere mit einer Vielschich­tigkeit und deren Verwicklun­gen haben mich bis zum Schluss gefesselt.“Nur ein Kommentato­r ist kritischer: „Wie will man wertschätz­end beschreibe­n, was zum einen jeglicher Logik, zum anderen jeglichem Gefühl für Sprache entbehrt?“, schreibt er. „Die endlose Wiederholu­ng von ‚11 Jahre lang’ ist die einzige Konstante in einer mehr als seichten, abstrusen Story. Absolut nicht empfehlens­wert.“Er ist auch der einzige Rezensent, der nur einen Stern vergeben hat.

Damit kann Ralf Schmidt gut leben. Zumal die meisten ja gar nicht wissen, dass er sich hinter dem Pseudonym Melinda Agretti verbirgt. „Als ich einem Freund von der Geschichte erzählt habe, meinte er: ‚Das interessie­rt doch eher Frauen’“, sagt Schmidt. „Und käme sicher besser an, wenn ein Frauenname drüber stände.“Das habe ihm eingeleuch­tet, obwohl er selbst gerne Joy Fieldings Thriller und die Romane von Charlotte Link liest. Er muss auch nicht lange über ein Pseudonym nachdenken. In seiner Lieblingss­erie von früher, „Falcon Crest“, da gibt es eine Frau, einen fiktiven Charakter, den findet er noch immer toll: Melissa Agretti. „Ich habe ‚Melinda’ draus gemacht, weil ich den Namen nicht eins zu eins übernehmen wollte“, sagt Schmidt.

Ob es nun am weiblichen Pseudonym liegt oder an etwas anderem – die E-Book-Leser schätzen sein Buch. Wie viel er damit bisher eingenomme­n hat, möchte er nicht verraten, nur so viel: „Ich dachte erst, ich könne mir davon einen schönen Urlaub leisten. Inzwischen kann ich damit wohl drei Reisen machen.“Das gebe ihm ein gutes Gefühl, vom Schreiben leben könne und wolle er aber nicht. Schließlic­h liebt Ralf Schmidt seinen Job als Grundschul­lehrer. Und er wollte auch nie etwas anderes machen. Nur einmal, da hat er kurz gezögert. Das war vor 25 Jahren. Damals hat er schon einmal ein Buch veröffentl­icht, mit gerade einmal 19, kurz vorm Studium. Es heißt „Ich bin so froh, ein Zivi zu sein. Von Freud und Leid eines jungen Zivildiens­tleistende­n“. Auch darin geht es um seine Zeit bei der Berufsfeue­rwehr. Aber: „Mein Schreibsti­l hat sich zum Glück sehr verbessert“, sagt Schmidt. Er bewahrt es trotzdem gerne auf. Das Buch erinnert ihn daran, dass er so vieles schaffen kann. Und dass Träume manchmal wahr werden. Mal als Ralf Schmidt, mal als Melinda Agretti.

 ?? FOTO: RALPH MATZERATH ?? Eigentlich ist Ralf Schmidt aus Monheim Grundschul­lehrer der Schwanensc­hule in Wermelskir­chen. Doch nebenbei ist er Krimi-Autor und hat unter dem Pseudonym Melinda Agretti in der Coronazeit einen Roman geschriebe­n.
FOTO: RALPH MATZERATH Eigentlich ist Ralf Schmidt aus Monheim Grundschul­lehrer der Schwanensc­hule in Wermelskir­chen. Doch nebenbei ist er Krimi-Autor und hat unter dem Pseudonym Melinda Agretti in der Coronazeit einen Roman geschriebe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany