Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die EU-Agenda des nächsten Kanzlers
Der „Bericht zur Lage der Union“ist inzwischen eine Tradition in Brüssel. Mag sein, dass die vormalige stellvertretende CDUVorsitzende Ursula von der Leyen an diesem Mittwoch insgeheim auch die Situation ihrer eigenen Union im Blick hatte: Erstmals in diesem Jahrtausend geht diese Union nicht als Favorit in die Schlussphase des Bundestagswahlkampfes. Doch die Europäische Union hat mehr mit den künftigen Herausforderungen für den nächsten Bundeskanzler zu tun, als es etwa im letzten Triell vermittelt wurde: Da spielte die Europapolitik keine Rolle.
Tatsächlich sind die Wechselwirkungen nicht zu unterschätzen. Geht es den EU-Partnern schlecht, kommt auch der deutsche Wohlstand unter die Räder. Umgekehrt orientieren sich die anderen am wirtschaftlich stärksten Mitglied. Jeder Bundeskanzler ist immer auch ein Europakanzler. Und für ihn hat von der Leyen schon einmal drei vordringliche Aufgaben auf dem Schreibtisch platziert: Klima, Pandemie und Militär. Das klingt fast so, als hätte jeder der drei Kanzlerkandidaten sein eigenes Kompetenzpaket geschnürt bekommen. Der ambitionierte Klimaplan für Annalena Baerbock. Weil die ehrgeizigen Ziele für ein klimaneutrales Europa Deutschland als Lokomotive brauchen. Die kräftigen Konsequenzen zur Abwendung der Corona-Folgen für Olaf Scholz. Weil die Corona-Pandemie die Notwendigkeit einer Gesundheitsunion gegen die gigantischen Defizite deutlich gemacht hat. Die besseren europäischen Fähigkeiten auf dem Feld der Sicherheit für Armin Laschet. Weil der Kollaps in Afghanistan gezeigt hat, dass Europa seine Interessen nicht mit einzelstaatlichen Versuchen durchzusetzen vermag. Doch wer auch immer auf dem Kanzlersessel Platz nimmt, er muss alle drei Herausforderungen stemmen. Und nicht nur die.