Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Mein Herz schlägt für England“
Das Herz sagt „Ja“, der Kopf sagt „Nein“: Auch wenn Graham Thomas auf einen Sieg der Engländer beim EM-Achtelfinale gegen Deutschland hofft, ist er nicht ganz von seinem Tipp überzeugt.
DREIBÄUMEN Sein halbes Leben ist Graham Thomas bereits in Deutschland. Geht es um die Fußball-EM, drückt er jedoch seinem Heimatland England die Daumen. „Mein Herz schlägt für England, und wir werden am Dienstag 2:1 gegen Deutschland gewinnen“, tippt der 59-Jährige, auch wenn er von dem Sieg für England keineswegs überzeugt ist. Immerhin haben die Briten in den letzten Spielen meistens gegen die deutsche Nationalelf den Kürzeren gezogen. „Es darf bloß kein Elfmeterschießen geben, da hat England in der Geschichte immer gegen Deutschland verloren. Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte“, sagt Graham Thomas, der wegen des Brexit vor einiger Zeit auch die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat.
Als Sportler verfolgt er zum Teil die Vereinsmannschaften. „Die Champions League schaue ich in der K.O.-Phase, die Premier League – die höchste Spielklasse im englischen Fußball – ein wenig, habe aber keine Lieblingsmannschaft“, gesteht der 59-Jährige. Und natürlich lässt ihn auch die Fußball-Europameisterschaft nicht kalt. Doch die Euphorie im Land scheint gebremst zu sein durch Corona. „Es wird viel seltener darüber geredet, und es gibt auch weniger Fahnen an den Autos als sonst. Die Leute haben wahrscheinlich ganz andere Sorgen“, vermutet der Deutsch-Engländer mit doppelter Staatsangehörigkeit.
Als Golfprofessional kam er in den 80er-Jahren der Arbeit wegen nach Deutschland. Zunächst verschlug es ihn in den Schwarzwald, dann ins Sauerland nach Kierspe. Seit 1998 ist Graham Thomas beim Golfclub Dreibäumen beschäftigt und dort als Manager der Anlage und teilweise auch als Golflehrer im Einsatz. Mit seiner Ehefrau lebt er in Marienheide, wo auch eine Tochter mit Lebensgefährten und zwei Enkeltöchtern wohnt. Die jüngste Tochter hingegen lebt mit ihrem Ehemann und dem 20 Monate alten Sohn in England. „Meinen Enkel habe ich seit seiner Geburt nur einmal gesehen“, bedauert Thomas. Denn die Corona-Pandemie hat das Reisen trotz doppelter Staatsbürgerschaft erschwert. „Ich müsste fünf Tage vorher in England und 14 Tage bei der Rückreise in Quarantäne“, sagt der Golfspieler. „Zum Endspiel fliegen 2500 VIPs nach England. Das heißt, dass ein einziges Fußballspiel für die Politiker wichtiger ist als Familie“, zieht er einen bitteren Vergleich. Er hofft jedoch, die ganze Familie bei einem gemeinsamen Urlaub zu seinem baldigen 60. Geburtstag in den Niederlanden wiederzusehen.
Das Achtelfinale Deutschland gegen England will Graham Thomas
„Es darf bloß kein Elfmeterschießen geben“
Graham Thomas Golfprofi mit doppelter Staatsbürgerschaft
zu Hause alleine mit seiner Ehefrau am Fernseher verfolgen. „So kann ich in Ruhe über meine Mannschaft schimpfen und beleidige keine Freunde, falls wir doch gewinnen und meine Euphorie ungebremst ist“, sagt er und lacht. Aber auch wenn die Engländer das Spiel verlieren sollten, möchte der Golfclub-Geschäftsführer die EM-Spiele der deutschen Nationalelf weiterhin verfolgen. Bis dahin drückt er aber den Engländern die Daumen. „Die Geschichte ist zwar nicht für uns – vielleicht ist es aber die Zukunft“, bleibt der gebürtige Engländer zuversichtlich, dass er mit seinem 2:1Tipp doch richtig liegen könnte.