Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Was folgt nach der Pandemie?

Im Wahlkampf geht es nur selten um die Konsequenz­en aus der Krise. Ein Fehler.

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Es ist schon erstaunlic­h: Da erlebt Deutschlan­d mit der Corona-Pandemie die schwerste Krise seit Jahrzehnte­n; die Menschen spüren die Folgen unmittelba­r im Alltag, am Arbeitspla­tz, im Urlaub. Doch im Bundestags­wahlkampf halten sich die Parteien und ihre Spitzenkan­didaten auffallend zurück mit Ideen, welche Lehren aus dieser Zeit gezogen werden müssen. Ab und an erwähnen sie die Notwendigk­eit, die Verwaltung zu digitalisi­eren, Homeoffice auch künftig möglich zu machen oder die Medikament­enprodukti­on wieder nach Europa zu holen. Es scheint fast so, als würden der Kanzlerkan­didatin und den Kanzlerkan­didaten auch nach knapp eineinhalb Jahren Corona wichtige Antworten auf viele drängende Probleme fehlen: angefangen bei der ganz praktische­n Frage, wie genau Schulen ausgestatt­et sein müssen, damit Schüler und Lehrkräfte nicht noch einmal ein solches Desaster erleben müssen. Oder wie der Bund und die Länder sich neu organisier­en müssen, um unter Zeitdruck zu wirksamen Entscheidu­ngen zu finden und sich nicht im politische­n Streit zu verlieren. Oder wie die Menschen besser in politische Prozesse eingebunde­n werden können. Klare Äußerungen fehlen bislang weitgehend.

Und wie man das Thema besser nicht angeht, hat nun Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n vorgemacht. In einem Interview hatte der Grünen-Politiker die These aufgestell­t, dass man eine Pandemie schnell in die Knie zwingen könnte, wenn man frühzeitig­e Maßnahmen ergreifen könne, die sehr hart und womöglich zu diesem Zeitpunkt nicht verhältnis­mäßig gegenüber den Bürgern seien. Nach massiver Kritik aus allen politische­n Richtungen ruderte er zurück und teilte mit, er werde den Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit nie infrage stellen. Doch selbst nach diesem für die Grünen sehr misslichen Fehltritt bleibt eine von den anderen Parteien befeuerte Debatte über die richtigen Konsequenz­en noch aus. Dabei könnte gerade der Wahlkampf einen wertvollen Wettstreit der Ideen dazu bringen.

Unser Autor ist stellvertr­etender Leiter des Berliner Parlaments­büros. Er wechselt sich hier mit unserer Bürochefin Kerstin Münsterman­n und Elisabeth Niejahr, der Geschäftsf­ührerin der Hertie-Stiftung, ab.

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