Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Demenzkranker tot, Pfleger vor Gericht
Vor dem Kölner Landgericht begann am Dienstagmorgen der Prozess gegen einen Krankenpfleger aus Remscheid. Der 47 Jahre alte Mann soll im Krankenhaus Wermelskirchen einen Patienten erwürgt haben.
KÖLN/WERMELSKIRCHEN Großer Andrang beim Prozessauftakt am Dienstagmorgen vor der 11. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht, der bereits mit rund einer halben Stunde Verzögerung begann. Knapp 20 Menschen hatten sich im Zuhörerbereich eingefunden, und auch die Zahl der Medienvertreter machte deutlich, dass hier nicht wegen einer Lappalie verhandelt wurde. Auf der Anklagebank saß ein 47-jähriger Krankenpfleger aus Remscheid. Dem Mann wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, während seines Nachtdienstes im Krankenhaus Wermelskirchen vom 16. auf den 17. April 2019, als er auf der Station 5 der Inneren Medizin alleine seinen Dienst versah und dabei für 30 Patientinnen und Patienten verantwortlich war, einen
„Er hat sich auch direkt sehr darüber aufgeregt und betont, dass er unschuldig ist und so etwas nicht getan hat“
Ein Kriminalhauptkommissar im Zeugenstand
79-jährigen Patienten in der Zeit von 2 Uhr bis 4.55 Uhr auf dessen Einzelzimmer erwürgt zu haben. Zuvor habe sich der 79-Jährige, der neben anderen Krankheiten unter anderem, auch an einer Demenz litt, mehrfach laut fluchend und in verwirrtem Zustand auf dem Stationsflur befunden. Der Angeklagte habe, so lautet die Anklage, den Senior nur immer unter dessen Protest wieder in sein Zimmer führen können, wo er dann auch einmal auf den Boden uriniert habe.
In schwarzem T-Shirt saß der Angeklagte neben seinen Anwälten und sagte außer den Angaben zu seiner Person erst einmal nichts. „Wir werden uns zunächst schweigend verteidigen“, sagte auch einer der beiden Anwälte. Als erster Zeuge war ein 53-jähriger Kriminalhauptkommissar aus Köln geladen, der die Vernehmung des Beschuldigten am 29. April 2019 geführt hatte. Einen Antrag der Verteidigung, diesen Zeugen nicht zu Beginn der Verhandlung zu hören, weil dadurch die Schöffen beeinflusst werden könnten, lehnte die Kammer ab. Nach der Aussage des Polizeibeamten sei der Angeklagte erschrocken über den Vorwurf gewesen, als er von ihm damit konfrontiert habe. „Er hat sich auch direkt sehr darüber aufgeregt und betont, dass er unschuldig ist und so etwas nicht getan hat“, sagte der Zeuge.
Er habe den Geschädigten bereits von früheren Aufenthalten im Krankenhaus her gekannt, habe der 47-Jährige bei der Polizei ausgesagt, sei auch über dessen Gesundheitszustand informiert gewesen. Der sei insgesamt nicht gut, und in der besagten Nacht habe der 79-Jährige zudem die Gabe von Sauerstoff verweigert. Der Patient sei sehr aggressiv gewesen, aber außerdem schwach. Er sei mit starker Luftnot ins Krankenhaus eingeliefert worden. Der Angeklagte habe zudem in besagter Nacht noch einen zweiten Patienten mit Demenz auf seine Station bekommen. „Ich habe ihn gefragt, ob das nicht sehr belastend gewesen sei. Er meinte aber, dass er grundsätzlich sehr ruhig bleiben könne. Darauf sei er auch schon von Kollegen
angesprochen worden“, schilderte der Zeuge die damalige Vernehmung des Angeklagten, die er insgesamt als „sehr kooperativ und angenehm“beschrieb. Der 47-Jährige habe die Nacht auf Nachfrage allerdings als „grausam“bezeichnet.
In der Nacht habe er den zusätzlichen Arbeitsaufwand mit gleich zwei dementen Patienten beschrieben, habe gesagt, dass er auch noch Medikamente und Spritzen für den Frühdienst herzurichten habe, was ebenfalls mehrere Stunden in Anspruch nehme, sagte der Zeuge. „Darauf habe ich ihm vorgehalten, dass dies doch eine so belastende Situation gewesen sei – in der man doch auch schon mal ausrasten könnte“, ergänzte er. Das sei vom Angeklagten allerdings deutlich zurückgewiesen worden.
Auf seiner letzten Runde, um 4.55 Uhr, habe er dann den 79-Jährigen leblos in dessen Bett vorgefunden. Er habe Puls gemessen und ein Hämatom im Gesichtsbereich festgestellt. Die Uhrzeit habe er deswegen so genau sagen können, weil er den Auffindezeitpunkt bei Todesfällen immer exakt in der Patientenakte notiere. Danach habe er den diensthabenden Arzt informiert.
Der Zeuge selbst habe nach dem Ende der Vernehmung den Tatvorwurf als nicht bekräftigt befunden, sagte der Kriminalbeamte. „Allerdings
stellt sich dann die Frage, wer es sonst gewesen sein könnte – wenn man von einem Tötungsdelikt ausgeht“, ergänzte er. Es sei nämlich auch keine Fremd-DNA am Opfer gefunden worden. Insgesamt habe es auch keinerlei Vorwürfe gegen den Angeklagten von Seiten der Patientinnen und Patienten auf der Station gegeben. „Alle sagten, dass er sehr zuverlässig sei und seine Arbeit gut mache“, berichtete der Zeuge. Der Angeklagte arbeite bereits seit 26 Jahren im Krankenhaus Wermelskirchen.
Von der Geschäftsführung des Krankenhauses in Wermelskirchen heißt es auf Nachfrage dieser Redaktion: „Wir haben keinen Zweifel an der Integrität unseres Mitarbeiters und nehmen keine Vorverurteilung vor. Für uns gilt die Unschuldsvermutung. Wir bitten um Verständnis, dass wir darüberhinaus zu einem laufenden Verfahren nichts sagen dürfen.“
Der nächste Verhandlungstag vor der 11. Großen Strafkammer am Landgericht in Köln ist für diesen Donnerstag anberaumt.