Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Seelische Defizite sind nicht messbar
Normalität in der Schule kann nur durch umfassendes Impfen ermöglicht werden. Daher fordert Karlheinz Rennau vom Leitungsteam der Montanusschule möglichst schnelle Impfung für alle Lehrkräfte.
HÜCKESWAGEN Für Karlheinz Rennau ist nach einem Jahr Corona eines klar: „Wir können nur abschätzen, wie es den Schülerinnen und Schülern in der Pandemiewirklichkeit des Schulbetriebs tatsächlich geht“, sagt das Mitglied der Schulleitung der Hückeswagener Hauptschule „Es ist aber ganz klar, dass allen die soziale Komponente deutlich fehlt.“Der Distanzunterricht würde dank der eingesetzten Endgeräte und der genutzten Softwaremöglichkeiten einigermaßen gut funktionieren. „Und auch die Belastung der Eltern ist eine Größe, die man in diesem Zusammenhang nicht vernachlässigen darf“, betont Rennau.
„Normalität ist für alle Beteiligten das große Ziel – das steht wohl außer Frage“
Karlheinz Rennau
Mitglied der Schulleitung Montanusschule
Zuletzt seien die Schüler vor Ostern eine Woche in der Schule gewesen, da sei dann natürlich nur eine Momentaufnahme der psychischen Verfassung der Kinder und Jugendlichen möglich. Es gehe letztlich darum, den Schülern wieder Strukturen an die Hand zu geben, die durch Corona gelitten hätten. „Auf Distanz wollen wir das vor allem über die Chats und Videokonferenzen ermöglichen“, sagt Rennau.
Die Zahlen dazu sind durchaus eindrucksvoll, wie er anhand der erhobenen Statistik der verwendeten Software „Sdui“deutlich macht. „Seit der Einführung der Software im Sommer 2020 haben wir zirka 66.000 Chat-Nachrichten geschrieben, über 1500 Gruppen erstellt und rund 21.500 Dateien hochgeladen“, rechnet er vor. Aber es liege in der Natur der Sache, dass auch auf diese Weise nicht alle Schüler erreicht werden könnten. In Einzelfällen habe man daher auch Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen, wenn man mitbekommen habe, dass es zu Hause nicht rund laufe.
Rennau sagt aber auch: „Seelische Defizite der Kinder und Jugendlichen
kann man leider nicht ausschließen – und sie lassen sich auch nicht messen.“Anders sei das bei der körperlichen Fitness der Jungen und Mädchen. „Nach dem letzten großen Lockdown war deutlich zu sehen, dass die meisten ziemlich unfit in die Schule gekommen sind. Ist ja auch kein Wunder, denn sie hatten keinen wirklichen Anlass, um nach draußen zu gehen – treffen durfte man sich ebenso wenig als dass Veranstaltungen stattgefunden hätten“, blickt Rennau zurück.
Das sei durchaus besorgniserregend, vor allem, da die Tendenz zu weniger Bewegung bei jungen Menschen auch ohne Corona schon zugenommen habe. Dem will man an der Montanusschule mit einem ganz konkreten Plan entgegenwirken: „Wir wollen ein Projekt ins Leben
rufen, das den Namen ‚Fit nach Corona’ tragen soll. Dazu soll es Kooperationen mit den Sportvereinen in der Stadt geben“, erläutert das Mitglied der Schulleitung. Wann genau „Fit nach Corona“starten soll und kann, sei dabei noch nicht klar.
Belastend seien die Wochen und Monate mit Corona aber auch für das Kollegium. „Es ist, wie sich ebenfalls an den ,Sdui’-Zahlen sehen
lässt, ein enormer Mehraufwand für Lehrerinnen und Lehrer. Vieles läuft schriftlich, das muss alles aufgearbeitet werden – und in Zeiten von Hybridunterricht muss das Kollegium beide Unterrichtsarten praktisch gleichzeitig machen. Das belastet sehr“, macht Rennau deutlich.
Interessanterweise habe man bemerkt, dass ein Teil der Schüler mit dem Distanzunterricht besser klarkomme als mit dem Präsenzunterricht. „In der Präsenz erfordert es von den Kindern und Jugendlichen, einander auszuhalten. Das fehlt in der Distanz – gleichzeitig ist das aber auch ein wichtiger Entwicklungsschritt“, sagt Rennau. Er verstehe, dass ein gewisser Druck da sei, die Kinder und Jugendlichen möglichst schnell wieder zum normalen Unterricht in die Schulen zu schicken.
Allerdings müsse man immer den Preis im Hinterkopf behalten, den dieser Druck koste. „Normalität ist für alle Beteiligten das große Ziel, das steht wohl außer Frage“, sagt Rennau. Diese Normalität könne aber nur durch eine möglichst hohe Zahl an geimpften Menschen erlangt werden. Daher sei nicht nur sein Wunsch recht konkret. „Ich wünsche mir, dass alle Lehrerinnen und Lehrer möglichst bald geimpft werden – das Angebot sollte nicht nur für Grund- und Förderschullehrer gelten, sondern für alle Lehrkräfte.“