Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ärger um Apotheker-Rechenzentrum AVP
Viele Apotheker warten seit Tagen auf Geld, das sie für Rezepte von Kassenpatienten bekommen sollen. Doch das Unternahmen zahlt offenbar nicht. Nun ist die Finanzaufsicht im Haus. AvP verweist auf Umstrukturierungsprobleme.
DÜSSELDORF Seit mehr als einer Woche warten viele Apotheker in Deutschland vergeblich auf Geld. Hintergrund: Das private Rechenzentrum AVP soll in vielen Fällen nicht gezahlt haben. Es seien am Freitag und Montag nur vereinzelt Zahlungen erfolgt, heißt es aus dem Umfeld des Unternehmens. Tagelang versuchte Firmenchef Matthias Wettstein offenbar zu beruhigen. Die Kunden müssten sich keine Sorgen machen, für etwaige Verluste der Apotheken aufgrund von Liquiditätsengpässen werde das Rechenzentrum selbstverständlich einstehen, hatte Wettstein gegenüber dem Branchendienst „Apotheke adhoc“erklärt.
Aber jetzt ist nicht nur bei den Apothekern der Geduldsfaden gerissen. Die Finanzaufsicht Bafin bestätigte am Dienstag auf Anfrage unserer Redaktion, dass ein Sonderbeauftragter
eingesetzt worden sei. Nach Informationen unserer Redaktion prüft zudem die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein Ermittlungsverfahren. Die Behörde wollte sich aber am Dienstag nicht dazu äußern.
Die Bafin-Prüfer sind dem Vernehmen nach seit dem Ende der vergangenen Woche bei dem Rechenzentrum aktiv, das seinen Sitz in Düsseldorf hat. Zuvor hatte es Beschwerden von Apothekern gegeben, die ausbleibende Zahlungen beklagt hatten. AVP ist auch ein Factoring-Unternehmen, an das die Apotheker ihre Ansprüche aus Rezepten von Kassenpatienten an die jeweilige Krankenkasse abtreten. Das Unternehmen leistet daraufhin Abschlagzahlungen an die Apotheken und rechnet selbst mit der Krankenkasse ab. Die Zahlungen an die Apotheker laufen über Treuhandkonten bei Banken.
Das AVP hat nach früheren Angaben etwa 3500 Kunden. Wie viele
Apotheker von dem aktuellen Zahlungsverzug betroffen sind, war am Dienstag nicht zu klären. Bei AVP war am frühen Dienstagabend niemand mehr für eine schriftliche Anfrage unserer Redaktion zu erreichen.
In einem Rundschreiben an Apotheker verweist die AvP darauf, dass hinter den Zahlungs-Problemen Umstrukturierungen steckten, die nicht reibungslos verlaufen seien. „Die letzten Tage waren sehr turbulent, und die Nachrichten über AvP haben sich überschlagen. Ein großer Teil von Ihnen hat deshalb die schlimmsten Befürchtungen um sein wohlverdientes Geld, auch weil Mitbewerber diese Gerüchte emotional zum eigenen Vorteil nutzen“, heißt es in dem Rundschreiben, aus dem die Agentur dpa zitiert. Es geht um viel Geld: Bei einzelnen Apothekern um sechsstellige Beträge. Sie brauchen das Geld auch, um ihrerseits die Großhändler zu bezahlen, die die Medikamente
an die Apotheken liefern.
Beim Apothekerverband Nordrhein ist man alarmiert. „Für die Apotheken ist es wichtig, dass die Abrechnungszentren funktionieren. Schließlich machen Apotheken rund 75 Prozent ihres Umsatzes mit Kassenpatienten, und die Rechenzentren sind die Mittler zwischen ihnen und den Krankenkassen“, erklärte ein Sprecher des Verbands. „In den vergangenen Tagen haben wir zahlreiche Anrufe von Apotheken bekommen, die in Sorge sind, ob die Zahlung des Rechenzentrums AvP rechtzeitig erfolgt. Daher beobachten wir die Entwicklung genau.“
Die AvP gehört zu den fünf großen Abrechnungszentren für Kassenpatienten in Deutschland und ist vor allem im Rheinland stark. Manche Zentren sind rein privat organisiert, andere hängen an den Berufsverbänden. AvP hat laut seiner eigenen Website vier Standorte in Deutschland.