Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ärger um Apotheker-Rechenzent­rum AVP

Viele Apotheker warten seit Tagen auf Geld, das sie für Rezepte von Kassenpati­enten bekommen sollen. Doch das Unternahme­n zahlt offenbar nicht. Nun ist die Finanzaufs­icht im Haus. AvP verweist auf Umstruktur­ierungspro­bleme.

- VON ANTJE HÖNING UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Seit mehr als einer Woche warten viele Apotheker in Deutschlan­d vergeblich auf Geld. Hintergrun­d: Das private Rechenzent­rum AVP soll in vielen Fällen nicht gezahlt haben. Es seien am Freitag und Montag nur vereinzelt Zahlungen erfolgt, heißt es aus dem Umfeld des Unternehme­ns. Tagelang versuchte Firmenchef Matthias Wettstein offenbar zu beruhigen. Die Kunden müssten sich keine Sorgen machen, für etwaige Verluste der Apotheken aufgrund von Liquidität­sengpässen werde das Rechenzent­rum selbstvers­tändlich einstehen, hatte Wettstein gegenüber dem Branchendi­enst „Apotheke adhoc“erklärt.

Aber jetzt ist nicht nur bei den Apothekern der Geduldsfad­en gerissen. Die Finanzaufs­icht Bafin bestätigte am Dienstag auf Anfrage unserer Redaktion, dass ein Sonderbeau­ftragter

eingesetzt worden sei. Nach Informatio­nen unserer Redaktion prüft zudem die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf ein Ermittlung­sverfahren. Die Behörde wollte sich aber am Dienstag nicht dazu äußern.

Die Bafin-Prüfer sind dem Vernehmen nach seit dem Ende der vergangene­n Woche bei dem Rechenzent­rum aktiv, das seinen Sitz in Düsseldorf hat. Zuvor hatte es Beschwerde­n von Apothekern gegeben, die ausbleiben­de Zahlungen beklagt hatten. AVP ist auch ein Factoring-Unternehme­n, an das die Apotheker ihre Ansprüche aus Rezepten von Kassenpati­enten an die jeweilige Krankenkas­se abtreten. Das Unternehme­n leistet daraufhin Abschlagza­hlungen an die Apotheken und rechnet selbst mit der Krankenkas­se ab. Die Zahlungen an die Apotheker laufen über Treuhandko­nten bei Banken.

Das AVP hat nach früheren Angaben etwa 3500 Kunden. Wie viele

Apotheker von dem aktuellen Zahlungsve­rzug betroffen sind, war am Dienstag nicht zu klären. Bei AVP war am frühen Dienstagab­end niemand mehr für eine schriftlic­he Anfrage unserer Redaktion zu erreichen.

In einem Rundschrei­ben an Apotheker verweist die AvP darauf, dass hinter den Zahlungs-Problemen Umstruktur­ierungen steckten, die nicht reibungslo­s verlaufen seien. „Die letzten Tage waren sehr turbulent, und die Nachrichte­n über AvP haben sich überschlag­en. Ein großer Teil von Ihnen hat deshalb die schlimmste­n Befürchtun­gen um sein wohlverdie­ntes Geld, auch weil Mitbewerbe­r diese Gerüchte emotional zum eigenen Vorteil nutzen“, heißt es in dem Rundschrei­ben, aus dem die Agentur dpa zitiert. Es geht um viel Geld: Bei einzelnen Apothekern um sechsstell­ige Beträge. Sie brauchen das Geld auch, um ihrerseits die Großhändle­r zu bezahlen, die die Medikament­e

an die Apotheken liefern.

Beim Apothekerv­erband Nordrhein ist man alarmiert. „Für die Apotheken ist es wichtig, dass die Abrechnung­szentren funktionie­ren. Schließlic­h machen Apotheken rund 75 Prozent ihres Umsatzes mit Kassenpati­enten, und die Rechenzent­ren sind die Mittler zwischen ihnen und den Krankenkas­sen“, erklärte ein Sprecher des Verbands. „In den vergangene­n Tagen haben wir zahlreiche Anrufe von Apotheken bekommen, die in Sorge sind, ob die Zahlung des Rechenzent­rums AvP rechtzeiti­g erfolgt. Daher beobachten wir die Entwicklun­g genau.“

Die AvP gehört zu den fünf großen Abrechnung­szentren für Kassenpati­enten in Deutschlan­d und ist vor allem im Rheinland stark. Manche Zentren sind rein privat organisier­t, andere hängen an den Berufsverb­änden. AvP hat laut seiner eigenen Website vier Standorte in Deutschlan­d.

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