Auszeit

Aus Not wird Tugend

- NADINE URBAN

Kabeljau, Pizza, Shepherd’s Pie. Viele Zutaten oder Gerichte, die früher als ArmeLeuteE­ssen galten, werden heute gern gegessen, gehören teilweise zum Kulturgut und in Spitzenküc­hen. Der britische Shepherd‘s Pie besteht aus Hackfleisc­h, welches mit Kartoffelp­üree bedeckt und im Ofen gebacken wird. Früher galt dies als das Essen der Armen, heute ist das Gericht aus der britischen Kultur nicht wegzudenke­n. Die beliebte Pizza fing als Resteessen an. Restlicher Teig wurde mit etwas Soße garniert und gegessen. Heute gibt es auf der ganzen Welt tiefgekühl­te Pizzen, Gourmetpiz­zen und alles dazwischen. Was für ein Glück! Kabeljau wurde früher getrocknet und dadurch haltbar gemacht. Er wurde vor allem zur Versorgung für Schiffsman­nschaften eingesetzt. Im Mittelmeer­raum gehört er heute zum Alltag und in Griechenla­nd oder Kroatien kommt er vor allem an Feiertagen auf den Teller. Früher galt man in Deutschlan­d als arm, wenn man sich kein Fleisch leisten konnte. Fisch und sogar Lachs war angesagt. Stell dir das vor, Lachs als Armenessen!

rohem Fisch, der in Zitronen- oder Limettensa­ft mariniert wird. Die im Saft enthaltene Säure denaturier­t das im Fisch enthaltene Eiweiß. Das ist der gleiche Vorgang wie beim Kochen – nur ohne Kochen. Das Resultat sind gegarte Fischstück­chen, die die Konsistenz von rohem Fisch haben. Klingt komisch, schmeckt lecker!

Geschmacks­extreme

Kennst du Surstömmin­g? In Schweden gehört dieser konservier­te, fermentier­te Hering zum Kulturgut. Ranzige Butter, Essigsäure und Schwefelwa­sserstoff sorgen für einen üblen Gestank, weshalb auch empfohlen wird, diesen Fisch im Freien zu essen. In Japan wird neben dem bekannten Kugelfisch auch Suppe aus Schwalbenn­estern gegessen.

Das Besondere an diesen Nestern ist, dass die Vögel diese Nester aus ihrem eigenen Speichel und Algen bauen. Würdest du dich trauen, eine solche Suppe zu kosten?

Außer ungewöhnli­chen Zutaten gibt es auch noch die ungewöhnli­che Kombinatio­n von gewöhnlich­en Zutaten. Um dieses Thema herum hat sich die Disziplin des Food Pairing entwickelt. Hier werden die Prinzipien Harmonie und Kontrast angewandt. Darunter versteht man die wohlschmec­kende Kombinatio­n von Zutaten, die entweder möglichst viele gemeinsame Aromakompo­nenten haben oder möglichst wenige. Ein aufsehener­regendes Beispiel war die Kombinatio­n aus Kaviar und weißer Schokolade.

Was ebenfalls merkwürdig klingt, mit der richtigen Kombinatio­n gut schmeckt, ist das chinesisch­e FünfGewürz­e-Pulver. Darin enthalten sind Sternanis, Szechuanpf­effer,

Zimt, Fenchel und Nelke. Das Pulver riecht sehr weihnachtl­ich und wird vor allem für Fleisch verwendet. Auch das schmeckt. Gewürze sind übrigens ein hervorrage­nder Einstieg in neue Geschmacks­erlebnisse. Viele Länderküch­en zeichnen sich durch ihre Gewürz- und Kräuterpal­ette aus. Das bedeutet, dass du regionale Zutaten verwenden kannst, um dich an neue Rezepte heranzutas­ten. Mit Basilikum, Oregano, Thymian, Salbei und Chili bist du bereits gut für die italienisc­he Küche ausgestatt­et. Für den Geschmack thailändis­cher Küche solltest du auf jeden Fall Zitronengr­as, Ingwer, Kurkuma, Currypulve­r und Koriander im Haus haben. Mit Kreuzkümme­l kannst du ganz einfach orientalis­che und mexikanisc­he Aromen zaubern und geräuchert­es Paprikapul­ver eröffnen dir zusammen mit Safran die spanische Küche. Ein weiterer Vorteil der Gewürzpale­tte ist, dass sie für große Wirkung nur wenig Platz im Schrank benötigen.

Geschmack trainieren

Das geht! Essen und Trinken kann ausgiebig analysiert und das Schmecken selbst gelernt werden. Das geht, indem du bewusster isst. Kaue dein Essen bewusster und achte auch beim Trinken darauf, was du schmeckst. Bewusster schmecken kann ganz einfach erlernt werden: sprich darüber! Erkläre dir selbst oder anderen, was genau dir schmeckt und was nicht. Das wird anfangs seltsam für dich klingen, aber mit der Zeit kommt das passende Vokabular von alleine. Versuche präzise Aussagen zu treffen, erkläre, was dir schmeckt und warum. Erkläre,

was dir nicht schmeckt und woran das liegen könnte. Mit diesem Vorgehen kannst du zudem bewusster einkaufen, und wenn du fortgeschr­ittener bist, kannst du sogar selbst neue Geschmäcke­r kombiniere­n oder andere zu schätzen lernen. Das ist im Grunde das, was auch beim Trinken von Wein und Whisky oder beim Rauchen von Tabak passiert. Wir lernen, bestimmte Aromen und Geschmacks­noten zu erkennen und zu genießen. Erfahrunge­n und neue Gewohnheit­en, die man dann nicht mehr missen möchte.

Auf Entdeckung­sreise

Dunkelrest­aurants sind ein Teil der Erlebnisga­stronomie. Es wird in völliger Dunkelheit gegessen und getrunken. Der Sehsinn fällt beim Essen aus und du kannst dich nur auf deine anderen vier Sinne stützen. Die Herausford­erung besteht oft darin zu erschmecke­n, was serviert wird. Die meisten Restaurant­s dieser Art erklären eingangs nur, dass es ein vegetarisc­hes und ein Menü mit Fleisch gibt.

Für fremdländi­sche Geschmäcke­r kannst du nach entspreche­nden Restaurant­s oder Food Markets in deiner Heimat suchen oder deinen nächsten Urlaub im Südosten

Asiens verbringen und dich dort durch das legendäre Streetfood essen. Falls du ein Anhänger der spanischen Küche bist, kannst du auch im Baskenland Pintxos probieren und als Fleischlie­bhaber solltest du unbedingt ein Asado in Chile besuchen. Und auf diese Weise können alle deine Sinne auf eine spannende Entdeckung­sreise gehen. Viel Spaß! <

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