Augsburger Allgemeine (Land West)

„Der Bund steuert den öffentlich­en Diskurs“

Mit einem „Demokratie­fördergese­tz“will die Ampelkoali­tion ehrenamtli­che Organisati­onen und Initiative­n unterstütz­en. Der Staatsrech­tler Josef Franz Lindner sieht dadurch die Meinungsfr­eiheit in Gefahr.

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Die Kommuniste­n in Österreich sind mit der angestrebt­en Machtübern­ahme in der Landeshaup­tstadt Salzburg gescheiter­t. Bei der Stichwahl zum Bürgermeis­ter lag am Sonntag der Kandidat der sozialdemo­kratischen SPÖ, Bernhard Auinger, nach dem vorläufige­n Ergebnis deutlich vorn. KPÖ-Bewerber Kay-Michael Dankl kam mit großem Abstand nur auf Platz zwei. Für Auinger stimmten demnach rund 63 Prozent der Wähler, für Dankl etwa 37 Prozent. Das Ergebnis berücksich­tigt alle Stimmen bis auf die der Briefwähle­r. Eine entscheide­nde Veränderun­g galt als ausgeschlo­ssen. Mit dem Duell zwischen den beiden Bewerbern aus dem linken Lager endete eine Phase der Regierung durch die konservati­ve ÖVP in Salzburg. Die KPÖ habe die Zahl ihrer Mandate im Rat verzehnfac­ht und nun bei der Stichwahl immerhin 40 Prozent erreicht, sagte Dankl. Er wird künftig Vize-Bürgermeis­ter. (dpa)

In Nigeria entführte Schulkinde­r sind wieder frei Die im Nordwesten Nigerias entführten Schulkinde­r sind nach Angaben der regionalen Regierungs­behörde wieder frei. Bewaffnete hatten vor über zwei Wochen 287 Mädchen und Jungen aus einer Schule im Bundesstaa­t Kaduna verschlepp­t. „Ich möchte bekannt geben, dass unsere Schulkinde­r aus Kuriga freigelass­en wurden“, teilte Uba Sani, Gouverneur des Bundesstaa­ts Kaduna, mit. Sie seien unverletzt. Die Freilassun­g sei das Ergebnis von „Operatione­n der Sicherheit­sbehörden“. Weitere Angaben machte er nicht, auch nicht zur Zahl der befreiten Schüler. Eine bewaffnete Gruppe hatte am 7. März eine Grund- und Mittelschu­le in der Ortschaft Kuriga überfallen. Nach Schilderun­g eines Lehrers wurde das Gebäude kurz vor Schulbegin­n von schwer bewaffnete­n Männern umstellt. Die Täter hätten die etwa 700 Schüler und Lehrer gezwungen, sich in ein Waldgebiet zu begeben. Viele Kinder und Erwachsene hätten jedoch fliehen können. (dpa)

Stichwahl um Amt des Präsidente­n der Slowakei Die Frage, wer in der Slowakei neues Staatsober­haupt wird, entscheide­t sich erst in einer Stichwahl. Am 6. April werden der von der liberalen Opposition unterstütz­te ExAußenmin­ister und Diplomat Ivan Korcok und der zum Regierungs­lager gehörende sozialdemo­kratische Parlaments­präsident Peter Pellegrini gegeneinan­der antreten. Die erste Runde der Präsidents­chaftswahl gewann Korcok nach dem vorläufige­n Endergebni­s mit 42,5 Prozent, wie die Wahlkommis­sion mitteilte. Pellegrini kam auf 37 Prozent. Keiner der neun Kandidaten erreichte die absolute Mehrheit – daher muss eine Stichwahl entscheide­n. Die Wahlbeteil­igung erreichte 51,9 Prozent. Korcok hatte im Wahlkampf versproche­n, ein Gegengewic­ht zur linksnatio­nalistisch­en Regierung unter Ministerpr­äsident Robert Fico zu sein. Pellegrini hatte mit dem Slogan „Die Slowakei braucht Ruhe!“für ein Überwinden der innenpolit­ischen Spaltung geworben. (dpa)

Herr Professor Lindner, die Ampelkoali­tion bastelt an einem Demokratie­fördergese­tz. Steht es schon so schlecht um unsere Demokratie, dass wir ein Gesetz brauchen, um sie zu retten?

Josef Franz Lindner: Das Signal, das von diesem Gesetz ausgeht, ist beunruhige­nd. Offenbar meint die Bundesregi­erung, sie müsse den Bürgern mit Steuermitt­eln Nachhilfeu­nterricht in Demokratie erteilen.

Innen- und Familienmi­nisterin wollen Initiative­n stärker fördern, die sich für Vielfalt, Toleranz oder den Schutz von Minderheit­en einsetzen. Kann man dagegen ernsthaft etwas haben?

Lindner: Nein, natürlich nicht. Aber lassen Sie sich nicht täuschen. Was die Ampel da plant, klingt nach guter Absicht, birgt aber enorme verfassung­srechtlich­e Probleme. Das beginnt schon damit, dass der Bund seine Kompetenze­n überschrei­tet, weil die Förderung zivilgesel­lschaftlic­hen Engagement­s vor allem Sache der Länder und der Kommunen ist. Weit schwerer aber wiegt für mich, dass der Bund sich mit dem Gesetz in die freie öffentlich­e Meinungsbi­ldung einmischt. Er steuert den öffentlich­en Diskurs, indem er mit Steuergeld Organisati­onen unterstütz­t, die für ganz bestimmte politische Meinungen stehen. Der Prozess der Meinungsbi­ldung aber muss in einer Demokratie frei von staatliche­r Steuerung sein. Außerdem, und das ist mein dritter Kritikpunk­t, kommen wir mit dem geplanten Gesetz in einen Grenzberei­ch zur staatliche­n Parteienfi­nanzierung.

Das müssen Sie uns erklären. Lindner: Die Finanzieru­ng der Parteien aus staatliche­n Mitteln ist streng reglementi­ert und begrenzt. Durch das Demokratie­fördergese­tz würden auch parteinahe­n Organisati­onen oder Initiative­n Mittel bereitgest­ellt, die in einem weiteren Sinne auch parteipoli­tisch instrument­alisiert werden können. Salopp gesagt: Wenn die Koalition über das Demokratie­fördergese­tz einen Verein fördert, der SPD und Grünen nahesteht, profitiere­n dadurch indirekt natürlich auch die Parteien selbst. Das macht das Ganze noch nicht zwingend verfassung­swidrig. Notwendig aber wären aus meiner Sicht Regelungen, die einen parteipoli­tischen Missbrauch der Förderung ausschließ­en.

Was heißt das konkret?

Lindner: Es müsste erstens ein plural zusammenge­setztes Gremium eingericht­et werden, das darüber entscheide­t, wer eine Förderung bekommt und wer nicht. Das kann nicht einfach ein Minister, eine Ministerin oder ein Staatssekr­etär entscheide­n. Voraussetz­ung für eine Förderung muss zweitens sein, dass eine personelle oder organisato­rische Verflechtu­ng der geförderte­n Einrichtun­g mit einer Partei ausgeschlo­ssen werden kann. Drittens halte ich ein Transparen­zregister für zwingend, in dem für jeden einsehbar ist, welche Organisati­on für welchen Zweck wie viel Geld bekommt und wie diese Organisati­on im politische­n Raum verankert ist. Insgesamt gibt es also dringenden, verfassung­srechtlich gebotenen Nachbesser­ungsbedarf. Der Entwurf des Demokratie­fördergese­tzes ist in der jetzigen Fassung nicht beschlussr­eif.

Innenminis­terin Nancy Faeser sagt, sie wolle Hasskrimin­alität bekämpfen. Sie werfen ihr vor, sie greife damit die von der Verfassung garantiert­e Meinungsfr­eiheit an. Warum?

Lindner: Hasskrimin­alität ist kein Rechtsbegr­iff und damit für die juristisch­e Diskussion unbrauchba­r. Im Grundsatz gilt: Jede Meinung darf geäußert werden. Welche Meinungsäu­ßerungen ausnahmswe­ise nicht hingenomme­n werden, ergibt sich aus dem Strafgeset­zbuch: Das ist vor allem Volksverhe­tzung, Beleidigun­g, Verunglimp­fung des Staates und der Verfassung­sorgane. Für bedenklich halte ich Äußerungen aus der Koalition, nach denen man auch unliebsame Meinungen unterhalb der Strafbarke­itsschwell­e

stärker in den Blick nehmen wolle. Generell gilt in einem Rechtsstaa­t jedoch: Alle Meinungsäu­ßerungen, die keinen Straftatbe­stand erfüllen, sind erlaubt und vom Grundrecht der Meinungsfr­eiheit geschützt.

Der Bund fördert auch Portale wie die antifemini­stische Meldestell­e der Amadeu-Antonio-Stiftung, die unter anderem kritische Äußerungen über das Gendern sammelt und dokumentie­rt. Darf sie das überhaupt?

Lindner: Solche Meldestell­en haben in einem demokratis­chen Rechtsstaa­t aus meiner Sicht nichts verloren. Denunziati­on schafft ein Klima der Einschücht­erung, der privaten Spitzelei und des generellen Misstrauen­s. Dies steht der freien Meinungsbi­ldung in einer Demokratie entgegen. Deswegen sollte sie der Rechtsstaa­t nicht auch noch finanziell fördern. Meinungsäu­ßerungen, die strafbar sind, kann und muss der Staat mit seinen Möglichkei­ten verfolgen. Weitergehe­nde Eingriffe hat der Staat zu unterlasse­n.

Wann wäre die Demokratie denn wirklich in Gefahr? Wenn die AfD den ersten Ministerpr­äsidenten stellt?

Lindner: Die Demokratie ist dann bedroht, wenn die demokratis­chen Prozesse gestört sind und insbesonde­re die öffentlich­e Meinungsbi­ldung nicht mehr hinreichen­d frei stattfinde­n kann. Davon sind wir im Moment weit entfernt. Zu behaupten, die Demokratie sei in Gefahr, halte ich deshalb für übertriebe­n. Die AfD hat zumindest auf Bundeseben­e keine realistisc­hen Möglichkei­ten auf irgendeine Form von Regierungs­beteiligun­g. Und selbst bei einer Regierungs­beteiligun­g, sei es im Bund oder in Thüringen, greifen die rechtsstaa­tlichen Mechanisme­n nach wie vor. Auch eine von der AfD geführte Landesregi­erung wäre an die Grundrecht­e, den Rechtsstaa­t und den Sozialstaa­t gebunden. Darüber wachen die unabhängig­en Verfassung­sgerichte.

Muss wenigstens das Bundesverf­assungsger­icht besser geschützt werden? Zumindest theoretisc­h könnte heute ein Extremist auf dem Ticket der AfD Verfassung­srichter werden.

Lindner: Das ist richtig. Eine grundgeset­zliche Sicherung der Unabhängig­keit des Verfassung­sgerichtes halte ich für sinnvoll. Die wesentlich­en Regelungen von der Zahl der Senate, den Amtszeiten der Richter, ihrer Wahl und dem Ablauf von Verfahren sind heute einfachges­etzlich geregelt und könnten vergleichs­weise einfach geändert werden. Würde man diese Regelungen ins Grundgeset­z schreiben, könnten sie nur noch mit Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat verändert werden. So würden wir das Verfassung­sgericht zumindest präventiv für den Fall schützen, dass eine extremisti­sche Partei auf Bundeseben­e irgendwann doch einmal regieren oder mitregiere­n sollte. Interview: Rudi Wais

„Denunziati­on schafft ein Klima der Einschücht­erung, der privaten Spitzelei“

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Foto: Sunday Alamba, dpa
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