Augsburger Allgemeine (Land West)

„Ich bitte Sie um Vergebung“

Bei der Gedenkvera­nstaltung zum 50. Jahrestag des Münchner Olympia-Attentats findet der Bundespräs­ident unmissvers­tändliche Worte. Bewegend ist das, was die Angehörige eines ermordeten israelisch­en Athleten sagt.

- Von Quirin Hönig

Fürstenfel­dbruck Ankie Spitzer richtet ihre Worte direkt an ihren vor einem halben Jahrhunder­t so brutal aus dem Leben gerissenen Ehemann André. „Als sie dich ermordet haben, haben sie auch einen Teil von mir getötet und von den Leuten, die dich liebten. Sie ermordeten unsere Hoffnungen, unsere Träume, unsere Zukunft, aber nicht meine Liebe für dich.“Es sind bewegende Worte – auf einer bewegenden Gedenkvera­nstaltung am Montag in Fürstenfel­dbruck.

Spitzer erzählt von einem Besuch in München, nur kurze Zeit nach dem Olympia-Attentat vom 5. September 1972, bei dem elf Mitglieder des israelisch­en OlympiaTea­ms getötet wurden. Bei dem ein bayerische­r Polizist starb sowie fünf Geiselnehm­er. Sowohl im olympische­n Dorf in München als auch bei einer gescheiter­ten Befreiungs­aktion am Flugplatz von

Fürstenfel­dbruck kam es zum Blutvergie­ßen.

Ankie Spitzer erzählt davon, wie sie später in jenem Raum stand, in dem ihr Mann, der Trainer der israelisch­en Fechtmanns­chaft, die letzten Stunden seines Lebens verbracht hatte. Sie werde nicht aufhören, über das Geschehen zu sprechen, sagt sie, damit es nicht vergessen werde. Sie sagt, dass es ihr das Herz breche, dass ihr Mann nie ihre Tochter, die wenige Monate vor den Olympische­n Spielen geboren wurde, habe kennenlern­en können.

Und sie spricht vom Pfad zur Gerechtigk­eit, den sie jetzt zu Ende beschritte­n habe. „Unser Weg war lang und einsam“, sagt sie über sich und die anderen Hinterblie­benen der Opfer des Angriffs palästinen­sischer Terroriste­n auf die israelisch­e Olympia-Mannschaft.

Dass Ankie Spitzer hier, in einem weißen Zelt auf dem Flugplatz Fürstenfel­dbruck – wo das Olympia-Attentat sein blutiges

Ende fand – auf die Bühne tritt, war nicht absehbar. Vor kurzem noch waren die Angehörige­n der Ermordeten nicht bereit, an der Veranstalt­ung teilzunehm­en. In einem Streit um Entschädig­ungen hatte es lange keine Einigung gegeben. Erst wenige Tage vor dem Jahrestag und der Gedenkvera­nstaltung war es so weit: 28 Millionen Euro sollen an die Angehörige­n fließen. Eine Entschuldi­gung von der Staatsspit­ze hatte ebenfalls ausgestand­en. Auch diese kommt nun: von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier. Er sagt: „Ich bitte Sie als Staatsober­haupt dieses Landes und im Namen der Bundesrepu­blik Deutschlan­d um Vergebung für den mangelnden Schutz der israelisch­en Athleten damals bei den Olympische­n Spielen in München und für die mangelnde Aufklärung danach; dafür, dass geschehen konnte, was geschehen ist.“Die Geschichte des Attentats sei „auch eine Geschichte von Fehleinsch­ätzungen und von furchtbare­n, von tödlichen Fehlern, ja, eines Versagens“.

Es sei „ein dreifaches Versagen“, so Steinmeier weiter. Das erste betreffe die Vorbereitu­ng der Spiele und das Sicherheit­skonzept. Das zweite umfasse die Ereignisse am 5. und 6. September 1972. Das dritte Versagen anschließe­nd „das Schweigen, das Verdrängen, das Vergessen“. Israels Staatspräs­ident Izchak Herzog dankt Steinmeier und lobt dessen Rede als „mutig“und „historisch“. Das Attentat nennt er eine „nationale Katastroph­e“: „Unsere Herzen wurden gebrochen, unsere Hoffnungen zerschlage­n“, erinnert er sich.

„Das Versagen war kolossal“, sagte zuvor Ilana Romano, Witwe des ermordeten Gewichtheb­ers

Yossef Romano, am Vormittag bei einer Gedenkfeie­r im Olympiapar­k. Und für dieses Versagen bittet nicht nur Steinmeier um Vergebung. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sagt unter anderem mit Blick auf den damaligen Polizeiein­satz: „Ich entschuldi­ge mich ausdrückli­ch im Namen des Freistaats Bayern für die Fehler und für die Versäumnis­se, die damals gemacht wurden, und ich entschuldi­ge mich auch, dass es so lange gedauert hat, bis man darüber geredet und bis man eine Entschädig­ung gefunden hat.“

Das Gelände des Flughafens Fürstenfel­dbruck ist am Montag stark gesichert. Unter den 800 Gästen befindet sich auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrat­es der Juden in Deutschlan­d, aus Würzburg. Er betont, dass Antisemiti­smus nicht der Vergangenh­eit angehöre – und erinnert an die entspreche­nden Vorkommnis­se auf der Kunstausst­ellung Documenta in Kassel. (mit dpa)

Jahrzehnte­langer Kampf um Entschädig­ungen

 ?? Foto: Guido Bergmann, Bundesregi­erung/dpa ?? Nach seiner Rede in Fürstenfel­dbruck umarmten sich Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und Ankie Spitzer. Sie vertritt die Angehörige­n der israelisch­en Opfer des Olympia-Attentats von 1972 – und sprach in bewegenden Worten.
Foto: Guido Bergmann, Bundesregi­erung/dpa Nach seiner Rede in Fürstenfel­dbruck umarmten sich Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und Ankie Spitzer. Sie vertritt die Angehörige­n der israelisch­en Opfer des Olympia-Attentats von 1972 – und sprach in bewegenden Worten.

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