Augsburger Allgemeine (Land West)
Zwei Atommeiler als Notreserve für den Süden
Kraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim sollen bis Frühjahr 2023 zur Verfügung stehen.
Berlin Eine Laufzeitverlängerung für die drei letzten noch in Deutschland betriebenen Atomkraftwerke ist vorerst vom Tisch. Das AKW Emsland wird zum Ende des Jahres wie geplant abgeschaltet. Das Kraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg sowie der Meiler Isar 2 bei Landshut gehen vom Netz, werden aber noch nicht komplett heruntergefahren. Sie dienen als „Einsatzreserve bis Mitte April 2023“, bleiben in einer Art Stand-by-Betrieb und bekommen auch keine neuen Brennstäbe.
So lautet das Ergebnis des zweiten Strom-Stresstests, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montagabend in Berlin vorstellte. Das Resultat der wochenlangen Prüfung stellt einen gesichtswahrenden Kompromiss für Befürworter wie Gegner einer Laufzeitverlängerung dar und dürfte bei der Ampel-Koalition deshalb zunächst für einige Erleichterung sorgen.
Habeck stellte klar, dass die Bundesregierung am Atomausstieg festhält. Laut geltendem Atomgesetz müssen alle Kernkraftwerke zum Jahresende vom Netz gehen. Bundesländer wie Bayern wollen über den Bundesrat eine Änderung des Atomgesetzes und damit einen Weiterbetrieb erreichen. Der zweite Stresstest hatte nach Regierungsangaben ausdrücklich „die Sondersituation im Süden Deutschlands“in den Blick genommen. Insbesondere in Bayern ist die Lage aus mehreren Gründen speziell: Es gibt zwar viel teure Gas-, aber wenig Kohlekraftwerke. Die Windkraft ist nach Einschätzung des Wirtschaftsministeriums ausbaufähig.
Isar 2 und Neckarwestheim sollen nun „eine neue, zeitlich und inhaltlich begrenzte AKW-Einsatzreserve“bilden, wie Habeck erklärte. Die beiden Meiler würden „bis Mitte April 2023 noch zur Verfügung stehen, um, falls nötig, über den Winter hinaus einen zusätzlichen Beitrag im Stromnetz in Süddeutschland 2022/2023 leisten zu können“, ergänzte der Minister.
Danach aber soll Schluss sein. „Die Situation im Stromsystem in diesem Winter ist nicht mit der im Winter 2023/24 zu vergleichen“, sagte Habeck. Die Grundbedingungen seien dann ganz andere, etwa durch den Import von flüssigem LNG-Gas. SPD-Chefin Saskia Esken bekräftigte das Nein ihrer Partei zu einer generellen Laufzeitverlängerung für die drei verbliebenen Atomkraftwerke. Die Entscheidung zum Ausstieg aus der Atomenergie vor mehr als 20 Jahren sei nach wie vor richtig.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte Habecks Entscheidung dagegen verantwortungslos. „Der Energieminister nimmt mitten in der schwersten Energiekrise weiteren Strom aus dem Markt und verschärft die angespannte Energiesituation damit zusätzlich. Das ist ein fataler Fehler der Ampel, der Bürger und Wirtschaft noch bitter zu stehen kommen kann.“Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) twitterte: „Es ist eine Entscheidung gegen jede Vernunft und zum Schaden unseres Landes.“
FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte zuvor den Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke gefordert. Ob er nun zurückstecken wird oder das Ergebnis zum Stresstest für die Koalition macht, wird sich zeigen.
Der Energiekonzern EnBW erklärte, er wolle prüfen, ob sein Kernkraftwerk Neckarwestheim über das Jahresende hinaus betriebsbereit gehalten werden kann. Der Energieversorger Eon sieht eine technische und organisatorische Prüfung seines Kernkraftwerks Isar 2 als notwendig an, teilte er am Montagabend mit.
Habeck will am Atomausstieg festhalten