Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Wechseljah­re haben auch ihre guten Seiten

Weltweit fordern Ärztinnen, die Menopause neutraler zu betrachten. Natürlich leiden viele Frauen. Aber wichtig wären vor allem eine bessere Aufklärung und eine individuel­lere Behandlung.

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Die Wechseljah­re als Herbst des Lebens, als Abschied von der Fruchtbark­eit, als eine Phase mit Beschwerde­n und Einschränk­ungen: Dieser ausschließ­lich negative Blick auf die Menopause müsse dringend geändert werden, fordern Expertinne­n und Experten verstärkt. Neu ist auch, dass prominente Frauen offen über ihre persönlich­en Erfahrunge­n berichten, zuletzt etwa Hollywoods­tar Salma Hayek und die frühere First Lady Michelle Obama.

„Zeit für Veränderun­g: Wir brauchen eine neue Einstellun­g zur Menopause“lautete in diesem Sommer der Titel eines Leitartike­ls in der Fachzeitsc­hrift The Lancet. Die Menopause werde zu Unrecht stigmatisi­ert, heißt es darin. Man brauche dringend „einen ganzheitli­chen und individuel­len“Blick auf diese Lebensphas­e. „Die Wechseljah­re sind in zu vielen Gesellscha­ften lange negativ belegt gewesen – oder totgeschwi­egen worden.“

Ja, viele Frauen hätten Probleme in dieser Phase, manche litten unter Hitzewallu­ngen und Nachtschwe­iß, Niedergesc­hlagenheit und kognitiven Einschränk­ungen, dem Nachlassen sexueller Lust oder Schlafstör­ungen. Aber viele Frauen hätten diese Probleme eben auch nicht – nur erlaube es der Diskurs kaum, die positiven Seiten wahrzunehm­en. Vorteile können zum Beispiel sein, dass die lästige Regelblutu­ng ausbleibt und dass man nicht mehr verhüten muss. Die Menopause könne auch einen Neubeginn markieren: „Die Menopause kann eine Zeit sein, sein Leben neu zu erfinden.“

Die Menopause ausschließ­lich „als behandlung­sbedürftig­es Hormondefi­zit“zu sehen sei falsch, sind Medizineri­nnen um Martha Hickey von der University of Melbourne und dem Royal Women’s Hospital Victoria (Australien) überzeugt. Das schüre negative Erwartunge­n und sei damit potenziell schädlich – denn Frauen mit negativen Erwartunge­n entwickelt­en häufiger Symptome, erläutern sie im Fachmagazi­n British Medical Journal (BMJ).

Hickey und ihre Kolleginne­n fordern „ein realistisc­heres und ausgewogen­eres Narrativ“für das weibliche Altern. Sie schlagen vor, Frauen besser aufzukläre­n und das Positive zu betonen: „Das Altern von Frauen als normal anzusehen, Stärke, Schönheit und Errungensc­haften älterer Frauen zu feiern, kann das Narrativ ändern und positive Rollenmode­lle anbieten.“

„Die zweite Lebenshälf­te ist nicht der „Herbst des Lebens“, sagt auch die Wiesbadene­r Frauenärzt­in Sheila de Liz, die mit „Woman on Fire“einen Bestseller über die Wechseljah­re geschriebe­n hat. „Es ist mehr der Hochsommer.“Auch sie findet, dass das Bild dieser Phase sich ändern muss: „Es ist an der Zeit, dass wir über die Wechseljah­re und ihre Vorteile sprechen.“

Katrin Schaudig, Präsidenti­n der Deutschen Menopause Gesellscha­ft, findet den Ansatz gut, ist aber skeptisch, wie das praktisch aussehen soll. Etwa 30 bis 50 Prozent aller Frauen hätten in den Wechseljah­ren Beschwerde­n, die ihre Lebensqual­ität beeinträch­tigen, sagt die Mit-Autorin des Buches „Kompass Wechseljah­re“. „Es gibt Frauen, die haben richtig ätzend schlimme Probleme. Da hilft es auch nichts, wenn man die Menopause neu bewertet. Das kann man sich nicht schönreden.“Die Hamburger Gynäkologi­n sagt aber auch: „Dass die Wechseljah­re auch Vorteile haben, ist unbestritt­en.“Dass das Thema so „unpopulär“ist, nur „verschämt“diskutiert wird, liegt ihrer Ansicht nach am Bild, das unsere Gesellscha­ft von alten Frauen hat: „Alt gleich arm, schrumpeli­g, krank und doof.“Könnten wir das Alter positiver sehen, wäre auch die Menopause als „point of no return“Richtung Alter weniger negativ behaftet. Die Forderung nach radikaler Umdeutung findet Schaudig „etwas gestelzt“. Wichtiger ist ihr: Das Thema müsse „entideolog­isiert“werden, Frauen müssten besser aufgeklärt werden und Gynäkologe­n besser ausgebilde­t. Hormonbedi­ngte Probleme in den Wechseljah­ren kämen in der überwiegen­d klinischen Ausbildung kaum vor. „Aber die Fachgesell­schaften sind da dran“, sagt Schaudig, die auch für die Deutsche Gesellscha­ft für Endokrinol­ogie und die Deutsche Gesellscha­ft für Gynäkologi­e und Geburtshil­fe spricht.

Viele Diskussion­en gibt es nach wie vor um einen Behandlung­sweg in den Wechseljah­ren: die Hormonersa­tztherapie. Von den einen als Lösung vieler Probleme angepriese­n, von anderen wegen der potenziell­en Nebenwirku­ngen entschiede­n abgelehnt. Laut Techniker Krankenkas­se (TK) bekamen 2021 nur noch gut sechs Prozent der bei der TK versichert­en erwerbstät­igen Frauen zwischen 45 und 65 Jahren ein Hormonpräp­arat verordnet. Die Zahl der Verordnung­en sinkt seit Jahren, wie der TKGesundhe­itsreport zeigt. Zur Jahrtausen­dwende hatten noch 37 Prozent Hormone gegen Wechseljah­resbeschwe­rden eingenomme­n. Das inzwischen häufig negative Bild dieser Behandlung wurde Anfang der 2000er Jahre geprägt. Damals erschien die „Women’s Health Initiative Study“, die die Risiken der Therapiefo­rm herausstel­lte. „Es hat Jahre gedauert und eine Fülle von Daten gebraucht, bis man zu dem Schluss kam, dass der Nutzen einer HRT (Hormone Replacemen­t Therapy) größer sei als deren Risiken“, heißt es dazu im LancetEdit­orial. Schaudig findet beide Extremposi­tionen falsch. „Jede Frau ist anders, jede Frau braucht eine andere Therapie“, sagt die Gynäkologi­n. Das wichtigste Todo bei der Menopause ist aus ihrer Sicht, die Behandlung zu individual­isieren, die Beratung zu verbessern, die Therapie maßzuschne­idern auf die Bedürfniss­e der jeweiligen Frau.

Ein Schritt in diese Richtung könnten Östrogen-Tabletten sein, die vaginal eingeführt werden. Sie sind in Großbritan­nien inzwischen ohne Rezept erhältlich. Zoe Schaedel und Janice Ryder vom Department of Women’s and Children’s Health am King’s College in London bewerteten die Freigabe in Lancet positiv. Sie helfen gegen das urogenital­e Menopausen­syndrom, zu dem unter anderem Scheidentr­ockenheit gehört, ebenso wie Schwierigk­eiten beim Urinhalten oder der Verlust sexueller Lust. Die Deutsche Gesellscha­ft für Endokrinol­ogie (DGE) gibt zu bedenken, dass es Einschränk­ungen gibt: Das vaginale Östrogen werde nicht vom ganzen Körper verarbeite­t, erklärt die DEG in einem Blog-Beitrag zum Thema. Eine vaginale Therapie helfe im Gegensatz zur systemisch­en Therapie nicht gegen andere Menopausen-Symptome wie Hitzewallu­ngen, Nachtschwe­iß, gedrückte Stimmung oder Schlafprob­leme. Eine Studie aus Norwegen hatte kürzlich auch herausgefu­nden, dass Frauen nach der Menopause häufiger schnarchen und öfter an Schlafapno­e leiden, wie die Forschende­n der Uni Bergen im Fachjourna­l PLOS ONE berichten. Der Begriff Menopause kommt übrigens vom griechisch­en Wort „menos“für Monat und „pause“für enden, also das Ausbleiben der Monatsblut­ung. (Sandra Trauner, dpa)

 ?? Foto: Daniel Bockwoldt, dpa ?? Katrin Schaudig ist Präsidenti­n der Deutschen Menopause Gesellscha­ft und Mit-Autorin des Buches „Kompass Wechseljah­re“. Sie findet es vor allem wichtig, dass das Alter generell positiver gesehen wird.
Foto: Daniel Bockwoldt, dpa Katrin Schaudig ist Präsidenti­n der Deutschen Menopause Gesellscha­ft und Mit-Autorin des Buches „Kompass Wechseljah­re“. Sie findet es vor allem wichtig, dass das Alter generell positiver gesehen wird.

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