Augsburger Allgemeine (Land West)
Mit Beat, Beatles und Bebop
Der Friedberger Musiksommer startet wieder mit voller Wucht. Die Allstar-Band zeigt sich zum Auftakt im Jazz-Konzert einmal ganz anders – mit einer Bandbreite von Stevie-Wonder-Songs bis Amy-Winehouse-Hits.
Ein euphorischer Seufzer erklang als erstes: „Wunderbar! Gemeinschaft und Musik – das hat uns allen gefehlt!“. Gerd Horseling entfuhr er bei der Eröffnung des Friedberger Musiksommers, der durch Corona zweimal erhebliche Beschränkungen über sich hatte ergehen lassen müssen. Horseling und die veranstaltenden „Bürger für Friedberg“sahen eine voll besetzte Rothenberg-Halle. Traditionell eröffnen die „Friedberger Allstars“den Konzertreigen. Die Jazzer zeigten sich diesmal „As never before“. Ihr Programm „School of Pop“war etwas Neues, und doch blieben sie authentisch beim Einsatz ihrer künstlerischen Mittel.
Der Titel hört sich zwar akademisch an, brachte aber einen genussvollen Abend mit Musizierlust und Virtuosität. Dafür hatte Thomas Zoller gesorgt. Die Arrangements des Dresdner Jazz-Professors und Saxofonisten, die legendäre Hits der Popgeschichte, Beats, Beatles und anderer Kultgestalten mit Bigband in Verbindung brachten, kamen bestens an.
Karl-Heinz Steffens, künstlerischer Leiter und Dirigent des Musiksommers, als Klarinettist das geschmeidige Musik-Chamäleon zwischen Klassik und Jazz, verriet in seiner Moderation des bunten Geschehens mit hintergründigem Schmunzeln, dass eine „Verjüngung“des Stoffes der ehrbaren Jazz-Tradition ja nicht schaden könne. Das tat sie auf keinen Fall.
Für die ja durchwegs „elektrisch“gesteuerte Popmusik waren als soundmäßige Stellvertreter, wie er sagte, Vibraphon und Marimba zuständig (Martin Ruhland),
doch auch die „akustische“stromlose Truppe der Allstars wischte mit ihrem unbeirrbaren Können alle Zweifel beiseite: Tal Balshai (Piano), Andreas Binder (Horn), Lukas Jochner (Posaune), Claus Reichstaller (Trompete), Karlheinz Steffens (Klarinette), Werner Neumann (Gitarre), Jan Roder (Bass), Michael Griener (Schlagzeug), sowie die Saxofone Michal Skulski, Alexander von Hagke, Thomas Zoller und – Nobert Nagel. Der ungemein variable Künstler (dazu Klarinette), der sein 50-jähriges Bühnenjubiläum feiert, dirigierte
Einsätze, wurde auch mit mehreren fulminanten Soli vom Publikum gefeiert. Da waren aber auch die anderen Musiker mit effektvoll hervorgehobenen und raffiniert in den Pop-Stream und -Sound eingewobenen Soli bedacht.
Pop-Huldigung und Jazz gingen mühelos einher, die unsterblichen Schlager des Beat- und Popgeschehens vertrugen sich klaglos mit stürmischen bis coolen jazzigen Bigband-Eingriffen dieser imponierenden Profis, die spürbar auch diese Hits lieben, mit ihnen natürlich aufgewachsen sind und musikalisch sofort „drin“sind.
Die Beatles: Sie waren eine Hauptschiene dieses Pop-Jazz-Expresses. „Lady Madonna“eröffnete mit elektrisierendem BoogieDrive den Abend, wurde toll gesteigert mit Soli und Bläsern; „Penny Lane“, den wunderbaren Duft dieser nostalgischen Liverpooler Heimat-Huldigung verlängerte Nagels melancholisches Sax-Kolorit; „Get back“bekam zu seinen kessen Akzenten weitere Farben durch die fast skurril einschreitende Posaune. Vor allem auch Werner Neumanns hinreißende Gitarre zog die rockigen Fäden, wie schon bei „Lady Madonna“und den unbeirrbar treibenden Riffs in „On The Road Again“von den unverwüstlichen Canned Heat.
Woodstock, die 60er-Jahre! Stevie Wonder war präsent, seine Power in Songs wie „Living For The City“oder auch „I Wish“, das ein Höhepunkt der glühenden SaxSoli von Michal Skulski war. Die Klang- und Motorik-Fantasien von Miles Davis wurden weitergesponnen, u.a. mit „Big Time“, worin die charismatische Trompete von Claus Reichstaller gefiel und das bizarre Tubax, einem Mix aus Tuba und Saxofon, hinriss, in dem Zoller mit den körperlich spürbaren unendlichen tiefen Frequenzen auch für Erheiterung sorgte.
Die mit 27 Jahren verstobene Sängerin Amy Winehouse, ein Vokal-Genie, kam mit mehreren Allstar-Glanzlichtern zu instrumentalen Ehren. Der Schluss-Gag war „Mamma mia“von Abba, der u.a. vom Schlagzeug, Steffens’ virtuos tüftelnder Klarinette und dem Tubax durchgeschüttelt wurde. Am Ende vereinte in den Zugaben „All You Need Is Love“alle Musiker und das dankbar mitsingende Publikum. Stürmischer Applaus.