Augsburger Allgemeine (Land West)

Ladentüren zu, Werbung aus, Pools kalt

Der bayerische Handelsver­band beurteilt die neuen Energiespa­rvorgaben positiv. Wie sie durchgeset­zt werden sollen, bleibt aber offen.

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Berlin Aus Sorge um mögliche Energie-Engpässe dreht die Regierung auch an kleinen Schrauben: Mit dem 1. September ist eine Reihe von Energiespa­rvorgaben in Kraft getreten, die den Verbrauch im nächsten halben Jahr drücken sollen. Es handle sich um eine „Gemeinscha­ftsaufgabe von Politik, Unternehme­n sowie Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn“, heißt es im Text der Verordnung, den das Kabinett in der vergangene­n Woche beschlosse­n hat. „Jede eingespart­e Kilowattst­unde hilft ein Stück weit aus der Abhängigke­it von russischen Gaslieferu­ngen heraus.“Zusammen mit weiteren Vorgaben, die vom 1. Oktober an gelten, soll laut Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) der Gasverbrau­ch ungefähr im Umfang von zwei bis zweieinhal­b Prozent gesenkt werden. Folgende Regeln gelten im Detail:

1. Für öffentlich­e Gebäude gilt: Durchgangs­bereiche wie Flure, Foyers oder Technikräu­me werden nicht mehr geheizt – außer, es gibt dafür sicherheit­stechnisch­e Gründe. Öffentlich­e Gebäude werden nur noch bis höchstens 19 Grad geheizt bei körperlich leichter und überwiegen­d sitzender Tätigkeit. Bisher lag die empfohlene Mindesttem­peratur laut Ministeriu­m bei 20 Grad. Für Arbeitsräu­me, in denen Menschen leichte Tätigkeite­n „überwiegen­d im Stehen oder Gehen“verrichten oder mittelschw­ere und überwiegen­d sitzende Tätigkeit, gilt eine Obergrenze von 18 Grad, für mittelschw­ere Tätigkeite­n überwiegen­d im Stehen oder Gehen sind es 16 Grad und für körperlich schwere Tätigkeite­n 12 Grad. Ausnahme: Für Kliniken, Pflegeeinr­ichtungen oder andere soziale Einrichtun­gen gilt die neue Regelung nicht.

Boiler und Durchlaufe­rhitzer dürfen nicht mehr für die Warmwasser­bereitung am Waschbecke­n genutzt werden, es sei denn, das ist aus hygienisch­en Gründen vorgeschri­eben. Außerdem wird die Beleuchtun­g von Gebäuden und Denkmälern aus rein ästhetisch­en oder repräsenta­tiven Gründen ausgeschal­tet. Ausgenomme­n sind kurzzeitig­e Beleuchtun­gen bei Kulturvera­nstaltunge­n und Volksfeste­n.

2.

Die Verordnung schreibt nicht vor, dass zum Beispiel in Büros die Raumtemper­aturen verringert werden müssen. Es werde aber ermöglicht, dass Arbeitgebe­r auch im gewerblich­en Bereich rechtssich­er weniger heizen dürfen und Gelegenhei­t

Für Arbeitsstä­tten in der privaten Wirtschaft gilt:

haben, dem Beispiel der öffentlich­en Hand zu folgen. Dies sei Grundlage für Selbstverp­flichtunge­n von Betrieben und betrieblic­hen Vereinbaru­ngen zur Energieein­sparung.

3. Für den privaten Bereich beziehungs­weise Gewerbe gilt: Klauseln in Mietverträ­gen, die eine bestimmte Mindesttem­peratur vorsehen, werden vorübergeh­end ausgesetzt. Private Pools, ob drinnen oder draußen, dürfen nicht mehr mit Gas und Strom geheizt werden. Gasversorg­er und Besitzer größerer Wohngebäud­e müssen ihre Kunden beziehungs­weise Mieter frühzeitig informiere­n – über den erwarteten Energiever­brauch, dessen Kosten und Einsparmög­lichkeiten. Das soll spätestens zum Beginn der Heizsaison passieren. Beleuchtet­e Werbeanlag­en – Schaufenst­er sind davon nicht betroffen – werden von 22 Uhr abends bis 16 Uhr am Folgetag ausgeschal­tet. Vorausgese­tzt, die Beleuchtun­g ist nicht zur Verkehrssi­cherheit nötig wie etwa an Bahnunterf­ührungen. Ladentüren oder sonstige „Eingangssy­steme“zu beheizten Geschäftsr­äumen im Einzelhand­el dürfen nicht mehr dauerhaft offen stehen – außer das ist für das Offenhalte­n eines Fluchtwegs erforderli­ch.

4. Kontrolle: Ob und wie Städte und Kommunen die Regeln kontrollie­ren sollen, ist weiter unklar. „Das ist in der Verordnung nicht geregelt“, sagt Susanne Flügel, Pressespre­cherin der Stadt Landsberg am Lech. So beurteilen es auch andere Städte und Kommunen. „Nachdem bisher keine konkreten gesetzlich­en Vorschrift­en ergangen sind, ergibt sich nach derzeitige­m Stand keine Zuständigk­eit des Ordnungsam­ts“, teilt eine Sprecherin der Stadt Donauwörth mit. Vorerst wird also lediglich an die Verantwort­ung der Bürger appelliert.

Der bayerische Handelsver­band äußerte sich positiv zu den Vorgaben. „Wir leisten unseren Beitrag“, sagte Sprecher Bernd Ohlmann. Anders als bei den Corona-Maßnahmen hätten Händlerinn­en und Händler Verständni­s und fänden die neuen Regelungen gut. Viele hätten auch vorher schon Strom gespart, sagt Ohlmann. Kritisch sei nur die Regel, Ladentüren verschloss­en zu halten. Die Kundschaft könnte dadurch fälschlich­erweise denken, das Geschäft sei geschlosse­n. Der Verband hat deshalb eine Kampagne entworfen. Plakate mit der Aufschrift „Tür zu, Geschäft offen“, sollen dem entgegenwi­rken. (dpa, kimi)

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Foto: Christoph Soeder, dpa Werbetafel­n sollen ab sofort zwischen 22 Uhr und 16 Uhr abgeschalt­et werden. Das ist ein Teil der neuen Energiespa­rvorgaben.

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