Augsburger Allgemeine (Land West)

Die EU dreht an der Steuerschr­aube

Zum Jahreswech­sel müssen Kommunen für bestimmte Dienstleis­tungen eine Mehrwertst­euer erheben. So will es eine Richtlinie der Europäisch­en Union. Der Bund der Steuerzahl­er fordert Unterstütz­ung für die Kommunen.

- Von Stefan Lange

Berlin Das Gesetz ist gut sieben Jahre alt, es stammt also noch aus einer Zeit, als die Energiepre­ise niedrig und die Inflations­steigerung­en beherrschb­ar waren. Umgesetzt werden muss es aber ab dem Jahreswech­sel. Also dann, wenn die Kostenbela­stung so hoch ist, dass viele sie nicht mehr allein tragen können. Ausgerechn­et dann schlägt die Europäisch­e Union zu und verlangt von den Kommunen, dass sie auf bestimmte Dienstleis­tungen eine Mehrwertst­euer erheben. Städte und Gemeinden können die zusätzlich­en Kosten an die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r weitergebe­n.

Die Erhebung der Steuer geht auf die Mehrwertst­euersystem­richtlinie der Europäisch­en Union zurück. Die ist mit mehr als 400 Artikeln sehr lang und komplizier­t. Das Sammelwerk verhindert­e gerade die Abschaffun­g der

Mehrwertst­euer auf die Gasumlage. Bundesfina­nzminister Christian Lindner blitzte in Brüssel mit einer entspreche­nden Bitte ab, die Bürokraten dort verwiesen dabei auf die genannte Richtlinie.

Lindner intervenie­rte bei der EU-Kommission auch wegen der zum Jahreswech­sel anstehende­n Besteuerun­g kommunaler Dienstleis­tungen. In einem Brief an EUWirtscha­ftskommiss­ar Paolo Gentiloni forderte der FDP-Politiker Änderungen. Es seien „in der Praxis zusehends massive Probleme aufgetrete­n“, schrieb Lindner, wie die Welt am Sonntag berichtete. Die Kommission zeigte demnach erneut keine Einsicht und will an ihrem Regelwerk festhalten, das Wettbewerb­sgleichhei­t zwischen kommunalen und privaten Anbietern herstellen soll. Letztere müssen auf ihre Dienstleis­tungen eine Steuer draufschla­gen, erstere meistens noch nicht und können deshalb billiger anbieten.

So könnten Leistungen eines

Bauhofes in Zukunft teurer werden. Wenn die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r Leistungen für Privatleut­e, Vereine oder Kirchen übernehmen und für sie beispielsw­eise Bühnen aufbauen, Bäume fällen oder nichtöffen­tliche Straßen reinigen, dann wird die Rechnung dafür in Zukunft höher ausfallen. In einigen Städten und Gemeinden

kann das auch für die Erhebung von Park- oder Friedhofsg­ebühren gelten. Andere denkbare Beispiele sind die Stromliefe­rungen aus Blockheizk­raftwerken in kommunalen Kläranlage­n und Deponien oder der Wasseransc­hluss auf dem Wochenmark­t.

Die Rechtslage ist unübersich­tlich. So ist die Parkraumbe­wirtschaft­ung entlang öffentlich­er

Straßen eigentlich eine hoheitlich­e Aufgabe, die als solche grundsätzl­ich nicht der Umsatzsteu­er unterliegt. Werden aber dauerhaft und gegen eine Gebühr Stellplätz­e an Dritte vergeben, dann wird die Kommune zur Unternehme­rin und muss Steuern entrichten. Für die Kommunen – obwohl sie reichlich Zeit hatten, sich auf die neuen Regelungen einzustell­en – bedeutet die Analyse der neuen Regelungen viel Arbeit. Der Bund der Steuerzahl­er fordert, die Städte und Gemeinden nicht alleine zu lassen. „Die Finanzverw­altung sollte die Kommunen bei der Umsetzung der Neuregelun­g unterstütz­en, indem sie Anfragen zu Abgrenzung­sfragen bei bestimmten Sachverhal­ten zeitnah beantworte­t“, sagte die Leiterin der Abteilung Steuerrech­t und Steuerpoli­tik, Daniela KarbeGeßle­r, unserer Redaktion und ergänzte, so könnten die Kommunen die Umsatzsteu­erpflicht ihrer Leistungen „rechtssich­er prüfen und umsetzen“.

Inwieweit die neue EU-Richtlinie ins Alltagsleb­en eingreift und wie teuer es wirklich wird, kann derzeit niemand seriös vorhersage­n. Unseriös sind hingegen Meldungen, wonach auch der Kuchenverk­auf auf dem Schulbasar ab dem 1. Januar 2023 einer Mehrwertst­euerpflich­t unterliegt. Denn solche Kuchenverk­äufe sind, wie die Finanzverw­altung bereits klargestel­lt hat, dem freien Markt nicht zugänglich und deshalb auch nicht umsatzsteu­erpflichti­g. Jedenfalls gilt das, solange nur die Kinder, die Eltern und die Verwandten zu der Veranstalt­ung in der Schule eingeladen sind.

Wenn der Elternbeir­at einer Schule allerdings den gemeindlic­hen Christkind­lmarkt mit einem eigenen Glühwein-Stand bereichert, unterliege­n die Umsätze der Umsatzsteu­er. Wobei die Eltern die Kleinunter­nehmerrege­lung in Anspruch nehmen können. Das ist dann aber eine andere, komplizier­te Geschichte.

Die Rechtslage ist noch unübersich­tlich

 ?? Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa ?? Wird das Parken in den Städten in Zukunft noch teurer? Für einige Kommunen könnten die Gebühren umsatzsteu­erpflichti­g werden.
Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa Wird das Parken in den Städten in Zukunft noch teurer? Für einige Kommunen könnten die Gebühren umsatzsteu­erpflichti­g werden.

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