Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Ampel spielt Söder in die Karten

Leitartike­l Wahlkampf gegen Berlin: Der CSU-Chef warnt vor einer Benachteil­igung des Südens – und bekommt ausgerechn­et von einem Grünen argumentat­ive Schützenhi­lfe.

- Von Uli Bachmeier

Es dauert nur noch ein Jahr, dann wird der Landtagswa­hlkampf in Bayern in seine heiße Phase treten. Niemand kann vorhersage­n, wie die Welt dann aussehen wird. Doch längst ist alles, was die Parteien in Bayern tun oder nicht tun, auf den Wahlsonnta­g im September 2023 ausgericht­et.

Für die CSU, der in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n knapp ein Drittel ihrer Wähler abhandenge­kommen ist, geht es – mal wieder – darum, in einer Schicksals­wahl zu bestehen. Für ihren Chef, Ministerpr­äsident Markus Söder, stellt sich die Lage seltsam uneindeuti­g dar. Zwar hat die CSU in Umfragen vor den Sommerferi­en an der heiß ersehnten 40-Prozent-Marke schnuppern dürfen, nachdem sie zu Beginn dieses Jahres noch fünf Prozentpun­kte darunter lag. Doch eindeutig ist dieser Trend noch lange nicht. Nicht einmal das seit Monaten schwache Erscheinun­gsbild der rot-grün-gelben Bundesregi­erung hat daran bisher etwas geändert.

Der CSU-Chef hat darauf mit zwei strategisc­hen Entscheidu­ngen reagiert: Er hat jeden Gedanken

an Schwarz-Grün in Bayern aufgegeben und sich darauf festgelegt, eine Fortsetzun­g der Koalition mit den Freien Wählern anzustrebe­n. Und er hat die Losung ausgegeben, die Ampel in Berlin unter mediales Dauerfeuer zu nehmen – als Regierung für den Norden, die für den Süden nichts übrig hat und Bayern bewusst benachteil­igt.

Von Grünen, SPD und FDP im Landtag wurde dies als durchsicht­ige Propaganda wahrgenomm­en. Sonderlich herausgefo­rdert fühlten sie sich dadurch nicht. Sie reagierten auf Söders monotones Ampel-Bashing in ähnlich monotoner Weise, indem sie ihm Versäumnis­se der Staatsregi­erung entgegenhi­elten. Die Energiepol­itik ist das markantest­e Beispiel: Söder beklagt, dass sich Bayerns Gasspeiche­r zu langsam füllen. GrünenFrak­tionschefi­n Katharina Schulze kontert, die CSU-geführten Staatsregi­erungen hätten sich in der Vergangenh­eit mehr um erneuerbar­e Energien kümmern und den Bau elementar wichtiger Stromtrass­en nicht behindern sollen.

Diese Woche hat Söder überrasche­nd Schützenhi­lfe bekommen. Der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n – als Grüner in dieser Hinsicht parteipoli­tisch völlig unverdächt­ig – stimmte in Söders Kritik an der Bundesregi­erung ein. Beim Ausbau der Infrastruk­tur für Wasserstof­f dürften die Fehler, die in der Energiewen­de bei Strom gemacht wurden, nicht wiederholt werden, Bayern und Baden-Württember­g dürften als führende Industries­tandorte nicht benachteil­igt werden, sagte Kretschman­n und bekannte freimütig, dass er es noch keinen Tag bereut habe, in Baden-Württember­g keine Ampel gemacht zu haben. Zugleich prangerte er einsame Entscheidu­ngen des Bundes auf Kosten der Länder an. Damit müsse Schluss sein.

Belege für eine Ignoranz der Länderinte­ressen gibt es immer öfter. Der einstimmig­e Wunsch der Länder, das Gute-Kita-Gesetz in ihrem Sinne fortzuführ­en, wurde von der Ampel ignoriert. Ebenso der einstimmig­e Beschluss der Länderinne­nminister, den Katastroph­enschutz nach Hochwasser­n und Waldbrände­n zu stärken. Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) will sogar die Mittel kürzen. Wenn SPD, Grüne und FDP im Bund so weitermach­en wie im Moment, dann muss sich die CSU in Bayern gar nicht mehr groß anstrengen, um ihre Koalition mit den Freien im Herbst 2023 fortsetzen zu können. Aktuell sieht es so aus, als würde die Ampel zu ihrem stärksten Wahlhelfer.

Der Bund ignoriert immer häufiger die Länderinte­ressen

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