Augsburger Allgemeine (Land West)
„Ich glaub’, der Söder wollte nur spielen“
Interview Kabarettist Bruno Jonas geht davon aus, dass Bayerns Ministerpräsident beim Machtgerangel der Union trotz seiner Niederlage an Ansehen gewonnen hat. Aber seine Favoritin aufs Kanzleramt ist eine Frau
Herr Jonas, wenn das Volk wählen dürfte, würde Markus Söder Kanzler, wenn man Umfragen Glauben schenken darf. Doch der kann es nun nicht werden, weil er vom Parteivorstand der CDU nicht ausgesucht worden ist. Jonas: Ja, so schaut es aus. Die große Schwester, die CDU, hat den kleinen Bruder mitspielen lassen, dann aber gesagt: Nein, Markus, so nicht! Ich bin hier der Bestimmer. Und Söder musste letztlich das Votum der großen Schwester akzeptieren. Die großen Schwestern haben halt das Sagen. Das ist so. Grundsätzlich könnte man aber auch festhalten, dass die CDU wieder einmal bewiesen hat, dass sie eine hohe Fehlerkompetenz hat. Der Laschet wollte halt zeigen, wie man es besser nicht macht.
Darf man Wählerstimmung und Parteibasis so ignorieren?
Jonas: Natürlich. Das Verhalten von Herrn Laschet zeigt ja, dass man die Parteibasis ignorieren darf, vielleicht sogar muss. Weil Stimmungen können wechseln, sagt Laschet. Und er glaubt fest daran, dass er den Wechsel herbeiführen kann. Mal schau’n, wer oder was am Ende wechselt.
Laschet geht im Wahlkampf über dünnes Eis. Bei jedem Fehler muss er damit rechnen, dass auch gerade die Leute aus den eigenen Reihen über ihn herfallen. Jonas: Dann geht’s eam nass nei, wie wir in Bayern sagen. Vielleicht kommt er eine Zeit lang ins Schwimmen, aber dann ruft bestimmt einer die Feuerwehr, die ihn wieder ins Trockene bringt. Laschet hält sich für geeignet, sonst hätte er sich nicht so in den Vordergrund geredet. Man sagt von ihm, er könne Dinge gut zusammenführen, auch die Widersprüche in seiner Partei, was seine Person angeht. Schon bei der Wahl zum Parteivorsitzenden hatte er ja mit Friedrich Merz einen starken Gegner. Und schon damals hat man gesehen, dass er viele Zweifel auf sich ziehen kann.
Wie ist Söders Verhalten in der Kandidatenfrage zu bewerten?
Jonas: Ich glaube, der Söder wollte nur spielen. Er hat nie wirklich damit gerechnet, Kanzlerkandidat der Union zu werden. Wichtig war ihm, seine Leute hinter sich versammeln zu können. Das ist ihm gelungen. Seine Anhänger haben in ihm den Kandidaten gesehen, weil er die alte Sehnsucht der CSU, endlich auch einmal bundesweit die Hauptrolle zu spielen, repräsentierte.
Manche behaupten, Söder habe Schaden genommen.
Jonas: Überhaupt nicht. Er hat ein Angebot gemacht, indem er sagte, er würde sich für Deutschland zur Verfügung stellen. Es geht um die Herausforderungen der Zukunft in Deutschland, und er dachte, er sei der Richtige.
Was passiert, wenn Laschet der Kandidat ist, aber die Umfragen für die Union im Sommer bei 20 Prozent liegen? Jonas: Ja, da werden wir schauen. Bestimmt wird er seinen Prinzipien treu bleiben und bis zum Umfallen weiterkämpfen. Er wird sein Programm abspulen und sein Bestes für Deutschland geben. Die sind ja alle nur für Deutschland unterwegs. Das ist unglaublich. Ich hatte übrigens bei beiden Kandidatenanwärtern das Gefühl, dass sie an einem kleinen Realitätsverlust leiden.
Erzählen Sie.
Jonas: Na ja, der Laschet mit seiner großen Schwester musste ausblenden, dass die Umfragen für ihn nicht die besten sind. Und er hat weitgehend ausgeblendet, dass es innerhalb seines eigenen Vereins Leute gibt, die ihn ablehnen. Es gab zwar eine Abstimmung innerhalb des CDU-Präsidiums, bei der er eine Mehrheit für sich organisieren konnte, aber es gab Enthaltungen und Gegenstimmen. Und in der Fraktion werden sie ihm noch erzählen, wie groß die Angst bei einigen ist, nicht mehr gewählt zu werden.
Und bei Söder?
Jonas: Falls er geglaubt haben sollte, dass die CSU, die bundesweit einen Stimmenanteil von knapp sieben Prozent auf sich vereinigen kann, ohne Weiteres den Kandidaten stellen kann, dann kann man auch ihm ein gewisses realitätsfernes Geltungsbedürfnis unterstellen.
Wenn man Politik mit Schach vergleichen würde, was wäre dann passiert?
Jonas: Oh mei, das ist ein Vergleich! Mit Schach hat das wenig zu tun gehabt. Das war eher Mikado. Denn es ging ja darum: Wer kommt als erster ins Wackeln? Mir kam es vor wie ein Schauspiel im Wald, wenn zwei Hirsche auf die Lichtung treten. Beide haben Geweihe auf, die ein bisserl zu groß ausgefallen sind. Sie verhakeln sich ineinander und kämpfen, bis einer merkt, dass der andere den dickeren Schädel hat und er sich demütig ergibt.
Und wer hat letztendlich die bessere Strategie gehabt?
Jonas: Ich würde sagen, Söder. Er hat sich in der Rolle des Davids gesehen, der dem großen Goliath ein paar Steindl an den Kopf schleudert. Der Laschet hat mitgespielt, er hätte schon vor einer Woche als Chef der großen Schwester wissen lassen können, dass er als solcher bestimmt, was gemacht wird. Hätte er schon lang sagen können.
Jonas: Die Grünen haben das geschickt gemacht, besonders die Frau Baerbock. Die hat sich nämlich Gedanken gemacht, was wir von einem Bundeskanzler beziehungsweise einer Kanzlerin erwarten. Wenn wir eine Stellenanzeige in einer großen deutschen Tageszeitung für diese Spitzenposition schalten würden – wie würden wir für den Job das Anforderungsprofil beschreiben?
Sagen Sie es.
Jonas: Frau Baerbock hat ziemlich genau gesagt, was wir von einem Bundeskanzler erwarten. Nämlich keine Regierungserfahrung! Sie sagte, „wenn jetzt Regierungserfahrung das einzige Kriterium wäre, könnten wir auch einfach mit der Großen Koalition weitermachen.“Weiter sagt sie: „Ich bringe Entschlossenheit mit.“Das ist wichtig, weil wir in diesem Amt keine Zauderer haben wollen.
Und weiter.
Jonas: Das Zweite ist, sie hat Durchsetzungskraft. Das ist sehr wichtig. Das heißt in der Politik, sie beherrscht das Ränkespiel, sie ist zu Intrigen bereit, sie ist mit dem Wahrheitsmanagement vertraut, sie besitzt das Talent für Halbwahrheiten, Unwahrheiten, für strategisches Schweigen. Das sind wichtige Eigenschaften, die jeder Spitzenpolitiker mitbringen muss. Das ist mit Durchsetzungskraft gemeint. Und sie hat einen klaren Kompass. Das heißt bei den Grünen immer: Erhalt der Natur, der Lebensgrundlagen und Weltuntergang vermeiden.
Was fehlt noch?
Jonas: Das Letzte, was sie sagte, war: Sie sei lernfähig. Eine lernfähige Bundeskanzlerin, die zur Durchsetzungskraft entschlossen und zur Intrige fähig ist. Das passt. Das brauchen wir, eine BundeskanzlerinAzubine! Mehr können wir als Wähler nicht erwarten! Wenn man diese Kriterien ansetzt, wäre allerdings Söder auch nicht ganz schlecht gewesen.
Aber das ist ein Konjunktiv Irrealis. Jonas: Der Bayer lebt im Konjunktiv, das ist unser Weltbild. Los amoi wos sei, wia schnell is heit wos! Kannt sei, dass amoi wos sei kannt, und dann waar ebbs gwen, wos wos sei hätt kenna! Interview: Josef Karg
Bruno Jonas, 68, stammt aus Pas sau, lebt in München und ist einer der bekanntesten deutschen Kabaret tisten.