Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Pandemie schleicht sich ein
Lyrik Knut Schaflinger legt einen neuen Gedichtband vor
Ein Atommodell mit den möglichen Umlaufbahnen von Elektronen ist auf dem Cover zu sehen. Dahinter verbergen sich dann aber nicht physikalische Formeln, sondern Gedichte. „Die Unrast der Atome“heißt der neue Gedichtband von Knut Schaflinger, der Werke, die zwischen 2018 und 2020 entstanden sind, versammelt. Schaflinger legt Spannung an – sowohl an die Sprache, als auch an das Leben – versetzt beides in Schwingung und lässt beides verschmelzen.
Es sind konkrete Situationen, die der Lyriker auflädt. Ein Gedicht beginnt etwa: „Ich habe unter einem Baum sitzend das Fallen einer Kastanie gehört und als ein/ Wissender stehe ich auf. Der Kies konnte den Aufprall nicht ganz verschlucken.// Also weiß ich jetzt von Himmel und Erde genug.“Da schwingt Newtons Apfel mit, der diesen der Legende nach zu seinem allgemeinen Gravitationsgesetz inspirierte. Gleichzeitig kommt später im Gedicht die Erkenntnis auf, dass dieser Kies nicht zu einem Biergarten gehören kann. So blitzt der geistreiche Humor Schaflingers zwischen den Strophen auf, fein eingewoben in die überbordende Sprachlichkeit.
Schaflingers Lyrik braucht Raum, seine Sätze Länge, das ist auf den ersten Blick zu sehen. Die Zeilen des Buchs werden ausgeschrieben, der Aufbau eines jeden Gedichts ist gleich. Sieben zweizeilige Strophen, zum Abschluss eine einzeilige. Jedes Gedicht trägt eine Überschrift, die wie ein Kommentar zum Folgenden gelesen werden kann. Das zwingt förmlich zu wiederholtem Lesen. Eingeteilt ist der Band in sechs Blöcke zu je zehn Gedichten.
So, wie alles auf der Welt sich aus Atomen zusammensetzt, die alles Mögliche sein können, so findet der Lyriker Schaflinger mit Worten Zugang zu allen möglichen Themen. Hier Anleihen bei der Jagd, dort beim Fernsehen, hier ein Nachdenken über die Lyrik, dort schimmert die Pandemie auf, die sich sprachlich über Aerosole oder den Mundschutz einschleicht. Bei Schaflinger findet so auch das Pandemiejahr einen Niederschlag – bemerkenswert unaufgeregt übrigens.
» Knut Schaflinger: Die Unrast der Atome; Verlag Ralf Liebe, 87 S., 20 Euro ⓘ
Lesung Via ZoomLesung präsentiert Schaflinger am Mittwoch, 10. Februar, um 19 Uhr seinen Gedichtband, organi siert von der Buchhandlung am Obst markt, auf deren Homepage alles Weitere dazu zu finden ist.