Augsburger Allgemeine (Land West)
Wohin führt der Weg des FC Augsburg?
Analyse Der Bundesligist beendet die Vorrunde mit 19 Punkten als Zwölfter. Es waren 17 Spiele mit einigen Glanzleistungen, aber auch vielen Enttäuschungen. Jetzt folgen die Wochen der Wahrheit
Ein Pfosten eines Fußballtores darf maximal zwölf Zentimeter tief und breit sein. Das regelt die DIN 7900 des Deutsches Instituts für Normung. Es hat also am Mittwochabend nicht viel gefehlt und der Elfmeter von Alfred Finnbogason wäre zum 1:1 (76.) im Netz des FC Bayern gelandet und nicht ins Feld zurückgesprungen. Doch die Physik unterscheidet nicht zwischen verdient oder unverdient, und so blieb es am Ende beim glücklichen 1:0(1:0)-Sieg des Favoriten. Mit einen Punktgewinn gegen den Rekordmeister hätten nicht nur der Isländer, sondern auch Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter und Trainer Heiko Herrlich etwas sorgenfreier einen Schlussstrich unter eine durchwachsene Vorrunde ziehen können. Unsere Analyse:
● Die Fakten Nach 17 Spielen liegt der FCA mit 19 Punkten auf Platz zwölf. Fünf Siege stehen acht Niederlagen gegenüber, dazu kommen vier Unentschieden. Das Torverhältnis ist mit 17:26 negativ. DerVorsprung auf den Relegationsplatz beträgt vier Punkte, auf den ersten Abstiegsplatz zwölf Punkte. Unter Martin Schmidt hatte der FCA in der Vorsaison in 17 Spielen 23 Punkte eingesammelt und war Zehnter. Der Vorsprung betrug damals acht bzw. neun Punkte.
● Der Trainer Als Heiko Herrlich (Vertrag bis 2022) vor genau zehn Monaten das Amt von Martin Schmidt übernahm, war seine erste Aufgabe der Klassenerhalt und die defensive Stabilität zu verbessern. Beides gelang. Der nächste Schritt sollte folgen – die spielerische Weiterentwicklung. Die ist derzeit aber nur in homöopathischen Dosen zu sehen. Guten Spielen zu Beginn der Saison wie beim 3:1-Auswärtserfolg gegen Union Berlin, wie das 2:0 zu Hause gegen Borussia Dortmund folgten miserable Auftritte wie beim 1:3 in Hoffenheim, beim 1:4 gegen den VfB und beim 0:2 in Bremen.
Was augenfällig ist: Kann der FCA aus einer geordneten Defensive reagieren, ist das Gezeigte wesentlich strukturierter und effektiver, als wenn die Mannschaft selbst agieren, mit (selten sichtbaren) automatisierten Spielzügen und eingeübten Laufwegen eine massierte Deckung aushebeln muss. Da ist Herrlich, 49, bisher den Beweis zumeist schuldig geblieben, dass er den Spielern das entsprechende Werkzeug mit auf dem Weg geben kann. Noch fehlt die klare Handschrift des Trainers, ein festes Fundament, auf dem er seine Taktik aufbaut. Auch im Verhältnis zur Mannschaft scheint es Höhen und Tiefen zu geben. Natürlich kann ein Trainer nicht der Liebling eines jeden Spielers sein, aber ihm muss es gelingen, dass sich die Mannschaft auf und neben dem Feld als eine Einheit wahrnimmt und präsentiert. Das war in den letzten Wochen nicht immer der Fall.
● Das Management Seit acht Jahren ist Stefan Reuter, 54, Manager und dann Sport-Geschäftsführer beim FC Augsburg. Sein großer Verdienst ist es, dass er den FCA seitdem immer in der Bundesliga halten konnte. Höhepunkt: die EuropaLeague-Teilnahme in der Saison 15/16. Mit Markus Weinzierl bildete er ein eingespieltes Duo. Doch seit Weinzierl den FCA im Sommer 2016 verlassen hat, hatte er kein so glückliches Händchen mehr mit seiner Trainerwahl. Die Romanzen mit Dirk Schuster (fünf Monate), Manuel Baum (zwei Jahre, vier Monate) und Martin Schmidt (elf Monate) beendete der FCA vorzeitig.
Auch die Kaderzusammenstellung wirkt in dieser Saison nicht so richtig austariert und stimmig. Beobachter fragen sich: Für welchen Spielstil steht die Mannschaft? Für schnelles Umschaltspiel, für ein Spiel mit Ballbesitz? Wohl eher für Ersteres. Dann müssen Spieler mit den entsprechenden Qualitäten gefunden werden. Optimal wäre es, sie könnten beides. Natürlich sind diese Spieler für einen „kleinen“Verein wie den FCA schwer zu finden. Aber genau das macht ein gutes Management mit einer guten Scoutingabteilung aus. Was auffällt: Derzeit fehlt der kreative Mittelfeld-Spieler, der mit Ideen und mutigen vertikalen Bällen die gegnerische Defensive überrascht. Und auf der Außenverteidigerposition spielt keiner konstant auf einem so hohen Niveau, wie es in der Bundesliga nötig ist.
● Die Neuzugänge Torhüter Rafal Gikiewicz und Rechtsaußen Daniel Caligiuri haben eingeschlagen. Auch die deftige Ablösesumme für Innenverteidiger Felix Uduokhai ist wohl eine gute Investition gewesen. Aber weder Robert Gumny, Tobias Strobl noch die Rückkehrer Mads Pedersen und Michael Gregoritsch konnten bisher, teilweise auch aus Verletzungsgründen, überzeugen.
● Gewinner Der Gewinner des letzten Abschnitts der Vorrunde ist Reece Oxford, 22. Nach der Weihnachtspause hat er sich als rechter Innenverteidiger festgespielt und straft derzeit seine Kritiker Lügen.
● Verlierer Der Verlierer der Vorrunde ist Rani Khedira. Je länger die Halbsaison dauerte, desto schlechter wurden seine Leistungen. Gegen Bayern musste er in der Halbzeit raus. Auch, aber nicht nur, weil er Gelb-Rot-gefährdet war. Sein Vertrag läuft am Saisonende aus. Man wolle sehen, ob sich die Ambitionen des Vereins und seine noch decken, hatte er vor ein paar Wochen gesagt. Derzeit sieht es nicht danach aus.
● Ausblick Wohin führt der Weg des FCA? Mit dem direkten Abstieg wird der FCA nichts mehr zu tun haben. Mainz und Schalke haben derzeit sieben Punkte. Um auf 37 Punkte zu kommen, die wohl für den Nichtabstieg reichen, müssten sie in der Rückrunde 30 Punkte holen, das ist Europa-League-Niveau. Aber die Teams, die hinter dem FCA liegen, wie Bielefeld oder Köln, holen auf. Darum wäre ein Sieg beim Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Union Berlin enorm wichtig. Denn dann kommen die Spiele gegen die Topteams Dortmund, Wolfsburg, Leipzig, Leverkusen. Der FCA kann sich mit guten Ergebnissen profilieren, aber auch eine Negativserie ist nicht auszuschließen. Was Mut macht: die zweite Halbzeit gegen Bayern. Auch wenn am Ende ein paar Zentimeter zum Punktgewinn gefehlt haben.