Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Küchenbulle wird 50
Geburtstag Tim Mälzer gehört seit Jahren zu den bekanntesten Fernsehköchen Deutschlands. Wie er einst zum Star ohne Stern wurde und welche Gerichte er heute noch am liebsten isst
Hamburg Köche sind ja heutzutage nicht einfach nur Köche, also Leute, die in der Küche stehen und schmackhafte Dinge auf Teller zaubern. Schon gar nicht, wenn sie ein „Star“vor ihre Berufsbezeichnung setzen. Bei Tim Mälzer ist das natürlich auch so. Der Mann, der an diesem Freitag 50 wird, ist fast so bekannt wie ein Staatspräsident und weiß, was die Nation von ihm will.
Mälzer ist Showman, schlagfertig, einer, dem man gerne zuhört, wenn er über Essen und Trinken philosophiert – und auch mal wütend oder frustriert über Politik redet. Trotz seiner medialen und kulinarischen Höhenflüge wirkt er aber, als wäre er geerdet geblieben. Was man nicht von jedem seiner Fernsehkochkollegen sagen kann.
So verwundert es nicht, dass Mälzer, Sohn eines Elmshorner Kaufmanns, auch heute noch das Essen seiner Kindheit liebt. „Das ist der Wackelpeter, das sind bei mir die Dosenravioli, die Spaghetti Bolognese und lustigerweise so was wie Spezi zu bestimmten Genüssen“, sagte er jüngst der Deutschen PresseAgentur. Und: Er esse auch heute noch sehr gern alles Frittierte und Fertiggerichte, „die vielleicht nicht über eine aromatische Raffinesse verfügen, die aber einfach die Grundbedürfnisse aufs Äußerste befriedigen“. So is(s)t er, der Mälzer!
Die bodenständige Küche passt auch zu einem, der – im Gegensatz zu Kollegen wie Alfons Schuhbeck – in keinem seiner vier Restaurants einen Stern, die internationale Auszeichnung für Spitzenköche, hat. Ein Starkoch ist er trotzdem. Und ein mittelständischer Unternehmer.
In seinen zwei Hamburger Läden – „Bullerei“und „Die gute Botschaft“– beschäftigt Mälzer rund 100 Mitarbeiter, denen er auch trotz Corona-Krise und Lockdown nicht kündigte. Zudem präsentiert er seine Küche und sich in diversen Kochshows, die ganz auf ihn zuge
sind. Bleibt die Frage: Wie wird man so ein „Starkoch“?
Da hilft vielleicht der Blick auf die Biografie Mälzers, der eine Tochter hat. Nach dem Abitur 1990 in Pinneberg leistete er Zivildienst und absolvierte in den frühen 90ern eine Ausbildung zum Koch im
Hamburger Hotel InterContinental. Danach war er bis 1997 als Koch im Hotel Ritz in London beschäftigt. Später jobbte er dort im Restaurant „Neal Street“, in dem zur gleichen Zeit der damals noch unbekannte, inzwischen weltberühmte Jamie Oliver kochte. Nach seiner Rückschnitten kehr nach Deutschland arbeitete sich Tim Mälzer durch verschiedene Spitzenrestaurants. Ab 2003 ging es dann Schlag auf Schlag: Auf Vox durfte er mit seiner eigenen Kochsendung „Schmeckt nicht, gibt’s nicht“zeigen, dass er auch echt unterhaltsam ist. Die Show war derart beliebt, dass sie zweimal für den Deutschen Fernsehpreis nominiert wurde. Seitdem ist Mälzer vom Bildschirm nicht mehr wegzudenken. Von 2013 bis 2015 war er Coach und Juror in der Sat.1-KochCastingshow „The Taste“. Seit Februar 2016 ist er mit „Kitchen Impossible“auf Sendung (Vox).
Zu Essen hat Mälzer eine Meinung. Und zu vielen anderen Dingen. Auch politisch nimmt er, der 2006 eine Art Burn-out hatte, selten ein Blatt vor den Mund mit der auffallenden Zahnlücke. Während der Corona-Pandemie organisierte Mälzer letztes Jahr eine Demo auf dem Hamburger Rathausmarkt, um auf die Not der Gastronomie aufmerksam zu machen, die weitgehend dichtmachen musste.
Und jetzt also nimmt Mälzer, der sich selbst auf dem Titel eines seiner Bücher als „Der Küchenbulle“bezeichnete, die für Männer oft kritische Altershürde von 50 Jahren. Er sieht das so pragmatisch, wie er auch in der Küche hantiert. In sozialen Netzwerken lädt er seine Fans an seinem Geburtstag zum Mitkochen ein: „Ich freu mich, wenn ihr alle mitfeiert. Ab 19 Uhr könnt ihr dann alle mitgucken, anstoßen und ja, mir gratulieren“, schrieb er. Und verquirlte damit – wieder einmal – Privates und Geschäftliches. Man darf davon ausgehen, dass er auch in den nächsten Jahren nichts anbrennen lassen wird. Meistens jedenfalls.