Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Signale zeigen in Richtung Autobahntr­asse

Wo sollen künftig die schnellen Fernzüge zwischen Augsburg und Ulm fahren? Inzwischen deutet vieles auf eine neue Strecke an der Autobahn hin – obwohl das in der Region lange abgelehnt wurde

- VON JÖRG HEINZLE

Zjoeh@augsburger‰allgemeine.de

umindest in einem Punkt sind sich scheinbar alle einig: Die Bahnverbin­dung zwischen Augsburg und Ulm muss ausgebaut werden. Damit dort mehr Züge fahren können – und damit sie schneller sind als bisher. Doch damit hört die große Einigkeit zwischen Augsburg und Ulm schon auf.

Inzwischen werden die Pläne der Bahn konkreter. Kürzlich hat Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel vier mögliche Varianten für eine Fernverkeh­rs-Bahntrasse vorgestell­t. Nun soll weiter geplant werden – und in Zusammenar­beit mit Politik, Naturschut­zverbänden und den betroffene­n Orten sollen am Ende eine, maximal zwei mögliche Varianten dem Bundestag zur Entscheidu­ng vorgelegt werden.

Das klingt danach, dass es endlich vorangeht. Die große Frage ist aber: Schafft es die Region, sich in der Trassenfra­ge einig zu werden? Ein Problem dabei ist: Politiker haben in den vergangene­n Jahren Erwartunge­n geweckt, die so nicht zu

sind. Es wird nicht ohne Enttäuschu­ngen gehen.

Um was es geht, ist schnell erklärt: Bisher ist die Bahnstreck­e zwischen Augsburg und Ulm 86 Kilometer lang, Luftlinie sind die beiden Hauptbahnh­öfe nur rund 67 Kilometer entfernt. Die Kurven unterwegs kosten Zeit. Zu viel Zeit für den sogenannte­n Deutschlan­dTakt, dem großen Plan für die Zukunft des Bahnverkeh­rs. Fernzüge sollen künftig im Halbstunde­n- und Stundentak­t die großen Bahnhöfe anfahren, das soll deutliche bessere Anschlüsse und Umsteigemö­glichkeite­n bringen. Für die Strecke Augsburg – Ulm heißt das: Die Fahrzeit im Fernverkeh­r muss runter. Von über 40 Minuten auf 26. Und das geht nur, wenn man zumindest teilweise eine neue, direktere Streckenfü­hrung wählt. Ein reiner Ausbau der bestehende­n Strecke ist für die Bahn keine Option, das hat sie inzwischen ganz unmissvers­tändlich klar gemacht.

Der Konflikt um die Trasse könnte nun zu einem Zankapfel zwischen den Landkreise­n Augsburg und Günzburg werden. Im Kreis Augsburg galt bisher vereinfach­t formuliert die Maxime, dass die bestehende Bahnstreck­e bis hinter Dinkelsche­rben ausgebaut werden soll. Führende Köpfe wie Landrat Martin Sailer (CSU) und der Bundestags­abgeordnet­e Hansjörg Durz (CSU) setzten sich dafür immer wieder öffentlich ein. Dass man die folgende Strecke dann quasi mit einem Lineal durch den Kreis Günzburg ziehen muss, um die Fahrtzeit von 26 Minuten zu erreichen, spielte dabei keine Rolle.

Umgekehrt war es ähnlich: Die Günzburger wollten am liebsten ihre alte Streckenfü­hrung behalten – was wiederum bedeutet hätte, das man das Lineal im Kreis Augsburg anlegen müsste, nahezu zwingend entlang der Autobahn.

Aber auch im Kreis Augsburg selbst gibt es genug Potenzial für Konflikte. Wollen die Gemeinden entlang der bestehende­n Strecke wirklich einen Ausbau, wie auch von Durz und Sailer bisher propagiert? Klar ist inzwischen, dass es keinen schnellen Teilausbau für einen besseren Regionalve­rkehr geben wird. Das bedeutet für Komerfülle­n munen wie Neusäß oder Diedorf jahrelange Bauarbeite­n und eine doppelt so breite Trasse wie bisher, denn es braucht zwingend vier Gleise. Und es bedeutet auch, dass dann künftig hier alles unterwegs ist: mehr Fernzüge, mehr Regionalzü­ge und der Güterverke­hr.

Gerade für diese Orte hat eine Schnellfah­rtrasse entlang der Autobahn durchaus ihren Reiz. Am Ende ist auf der bestehende­n Strecke mehr Platz für einen reibungslo­sen Nahverkehr. Bauarbeite­n, Fernzüge, die ohnehin nicht halten, und die Masse des Güterverke­hrs wären abseits. Die große Einigkeit, die bisher im Kreis Augsburg propagiert wurde, könnte da bröckeln.

Es gibt erste Signale, dass auch in der Politik zunehmend die Realität akzeptiert wird. In Günzburg hat man sich damit abgefunden, dass die neue Fernverkeh­rsstrecke nicht über die Stadt führen wird. Es gibt dafür die Zusage, dass ein Teil der Fernzüge trotzdem weiter dort hält. Landrat Hans Reichhart (CSU) favorisier­t nun die von der Bahn ins Spiel gebrachte Variante in Autobahnnä­he. Hansjörg Durz will sich nicht mehr auf eine bestimmte Trasse festlegen. Er setzt vor allem darauf, dass ein großer Teil der Neubaustre­cke in Tunneln verlaufen könnte. Und so zeigen manche Signale, um in der Bahnsprach­e zu bleiben, inzwischen doch in Richtung einer Neubaustre­cke, die weitgehend dem Verlauf der Autobahn A8 folgen würde. Für Zusmarshau­sen, wo man eine Autobahntr­asse überwiegen­d kritisch sieht, könnte es ein Zuckerl geben. Bahnmanage­r Josel hält es für möglich, dort einen Bahnhalt zu bauen und einzelne, schnelle Regionalzü­ge über die Neubautras­se fahren zu lassen.

In der Stadt Augsburg, wo man die Autobahntr­asse schon länger als gute Lösung sieht, kann man sich relativ entspannt zurücklehn­en. Der Augsburger Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich (CSU), der mit seinen Parteifreu­nden auf dem Land in der Bahnfrage zuletzt ziemlich im Clinch lag, sagt: Wo die Bahnstreck­e verlaufe, da wolle er sich nicht einmischen. Wichtig sei, dass das Ziel von 26 Minuten Fahrzeit eingehalte­n werde. Sich über die Strecke zu einigen, sei nun vor allem die Sache der Landkreise. Das mag stimmen. Klar ist aber auch: Allzu lange Debatten kann man sich nicht mehr erlauben, wenn man die Region nicht vom Bahnverkeh­r der Zukunft abhängen will.

Mehr Fernzüge, mehr Regionalzü­ge - und Güterverke­hr

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Foto: Marcus Merk (Montage) So ähnlich wie auf dieser Fotomontag­e könnte es aussehen, wenn bei Zusmarshau­sen die Schnellbah­nstrecke entlang der Autobahn verläuft. In Augsburg will man sich aus der Trassendis­kussion raushalten ‰ aber drauf pochen, dass die Fahrzeit zwischen Augsburg und Ulm im Fernverkeh­r auf 26 Minuten sinkt.
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