Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Signale zeigen in Richtung Autobahntrasse
Wo sollen künftig die schnellen Fernzüge zwischen Augsburg und Ulm fahren? Inzwischen deutet vieles auf eine neue Strecke an der Autobahn hin – obwohl das in der Region lange abgelehnt wurde
Zjoeh@augsburgerallgemeine.de
umindest in einem Punkt sind sich scheinbar alle einig: Die Bahnverbindung zwischen Augsburg und Ulm muss ausgebaut werden. Damit dort mehr Züge fahren können – und damit sie schneller sind als bisher. Doch damit hört die große Einigkeit zwischen Augsburg und Ulm schon auf.
Inzwischen werden die Pläne der Bahn konkreter. Kürzlich hat Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel vier mögliche Varianten für eine Fernverkehrs-Bahntrasse vorgestellt. Nun soll weiter geplant werden – und in Zusammenarbeit mit Politik, Naturschutzverbänden und den betroffenen Orten sollen am Ende eine, maximal zwei mögliche Varianten dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden.
Das klingt danach, dass es endlich vorangeht. Die große Frage ist aber: Schafft es die Region, sich in der Trassenfrage einig zu werden? Ein Problem dabei ist: Politiker haben in den vergangenen Jahren Erwartungen geweckt, die so nicht zu
sind. Es wird nicht ohne Enttäuschungen gehen.
Um was es geht, ist schnell erklärt: Bisher ist die Bahnstrecke zwischen Augsburg und Ulm 86 Kilometer lang, Luftlinie sind die beiden Hauptbahnhöfe nur rund 67 Kilometer entfernt. Die Kurven unterwegs kosten Zeit. Zu viel Zeit für den sogenannten DeutschlandTakt, dem großen Plan für die Zukunft des Bahnverkehrs. Fernzüge sollen künftig im Halbstunden- und Stundentakt die großen Bahnhöfe anfahren, das soll deutliche bessere Anschlüsse und Umsteigemöglichkeiten bringen. Für die Strecke Augsburg – Ulm heißt das: Die Fahrzeit im Fernverkehr muss runter. Von über 40 Minuten auf 26. Und das geht nur, wenn man zumindest teilweise eine neue, direktere Streckenführung wählt. Ein reiner Ausbau der bestehenden Strecke ist für die Bahn keine Option, das hat sie inzwischen ganz unmissverständlich klar gemacht.
Der Konflikt um die Trasse könnte nun zu einem Zankapfel zwischen den Landkreisen Augsburg und Günzburg werden. Im Kreis Augsburg galt bisher vereinfacht formuliert die Maxime, dass die bestehende Bahnstrecke bis hinter Dinkelscherben ausgebaut werden soll. Führende Köpfe wie Landrat Martin Sailer (CSU) und der Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz (CSU) setzten sich dafür immer wieder öffentlich ein. Dass man die folgende Strecke dann quasi mit einem Lineal durch den Kreis Günzburg ziehen muss, um die Fahrtzeit von 26 Minuten zu erreichen, spielte dabei keine Rolle.
Umgekehrt war es ähnlich: Die Günzburger wollten am liebsten ihre alte Streckenführung behalten – was wiederum bedeutet hätte, das man das Lineal im Kreis Augsburg anlegen müsste, nahezu zwingend entlang der Autobahn.
Aber auch im Kreis Augsburg selbst gibt es genug Potenzial für Konflikte. Wollen die Gemeinden entlang der bestehenden Strecke wirklich einen Ausbau, wie auch von Durz und Sailer bisher propagiert? Klar ist inzwischen, dass es keinen schnellen Teilausbau für einen besseren Regionalverkehr geben wird. Das bedeutet für Komerfüllen munen wie Neusäß oder Diedorf jahrelange Bauarbeiten und eine doppelt so breite Trasse wie bisher, denn es braucht zwingend vier Gleise. Und es bedeutet auch, dass dann künftig hier alles unterwegs ist: mehr Fernzüge, mehr Regionalzüge und der Güterverkehr.
Gerade für diese Orte hat eine Schnellfahrtrasse entlang der Autobahn durchaus ihren Reiz. Am Ende ist auf der bestehenden Strecke mehr Platz für einen reibungslosen Nahverkehr. Bauarbeiten, Fernzüge, die ohnehin nicht halten, und die Masse des Güterverkehrs wären abseits. Die große Einigkeit, die bisher im Kreis Augsburg propagiert wurde, könnte da bröckeln.
Es gibt erste Signale, dass auch in der Politik zunehmend die Realität akzeptiert wird. In Günzburg hat man sich damit abgefunden, dass die neue Fernverkehrsstrecke nicht über die Stadt führen wird. Es gibt dafür die Zusage, dass ein Teil der Fernzüge trotzdem weiter dort hält. Landrat Hans Reichhart (CSU) favorisiert nun die von der Bahn ins Spiel gebrachte Variante in Autobahnnähe. Hansjörg Durz will sich nicht mehr auf eine bestimmte Trasse festlegen. Er setzt vor allem darauf, dass ein großer Teil der Neubaustrecke in Tunneln verlaufen könnte. Und so zeigen manche Signale, um in der Bahnsprache zu bleiben, inzwischen doch in Richtung einer Neubaustrecke, die weitgehend dem Verlauf der Autobahn A8 folgen würde. Für Zusmarshausen, wo man eine Autobahntrasse überwiegend kritisch sieht, könnte es ein Zuckerl geben. Bahnmanager Josel hält es für möglich, dort einen Bahnhalt zu bauen und einzelne, schnelle Regionalzüge über die Neubautrasse fahren zu lassen.
In der Stadt Augsburg, wo man die Autobahntrasse schon länger als gute Lösung sieht, kann man sich relativ entspannt zurücklehnen. Der Augsburger Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich (CSU), der mit seinen Parteifreunden auf dem Land in der Bahnfrage zuletzt ziemlich im Clinch lag, sagt: Wo die Bahnstrecke verlaufe, da wolle er sich nicht einmischen. Wichtig sei, dass das Ziel von 26 Minuten Fahrzeit eingehalten werde. Sich über die Strecke zu einigen, sei nun vor allem die Sache der Landkreise. Das mag stimmen. Klar ist aber auch: Allzu lange Debatten kann man sich nicht mehr erlauben, wenn man die Region nicht vom Bahnverkehr der Zukunft abhängen will.
Mehr Fernzüge, mehr Regionalzüge - und Güterverkehr