Augsburger Allgemeine (Land West)
Menschen in Belarus zeigen Mut
Hunderttausend demonstrieren trotz Schikanen und Militär
Minsk Mehr als 100000 Menschen haben ungeachtet eines massiven Polizei- und Militäraufgebots den elften Sonntag in Serie in Belarus (Weißrussland) gegen Machthaber Alexander Lukaschenko protestiert. Die Menschen strömten aus verschiedenen Richtungen im Zentrum von Minsk zur „Stele“, einem Platz zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. „Lang lebe Belarus!“, skandierten sie dabei. Viele trugen die historischen weiß-rot-weißen Fahnen und hissten sie an Laternen.
Das Menschenrechtszentrum Wesna berichtete von mehr als 200 Festnahmen in verschiedenen Städten des Landes, in denen es ebenfalls Proteste gab. In der Stadt Lida bestätigten die Behörden den Einsatz von Tränengas. Hundertschaften von Polizei und Militär hatten das Zentrum der Hauptstadt Minsk abgeriegelt. Bewaffnete Uniformierte mit Sturmhauben bezogen Stellung. Die Behörden sperrten sämtliche Metrostationen im Zentrum, um den Zustrom aus den Stadtteilen zu verhindern. Sie schalteten auch das mobile Internet ab, damit sich die Menschen nicht zu Protesten verabreden können.
Die Demokratiebewegung beansprucht den Sieg für die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja. Die EU unterstützt Lukaschenkos Gegner und erkennt den langjährigen Machthaber nicht mehr an. „Heute ist ein besonderer Tag“, sagte Tichanowskaja in ihrem Exil in der EU in einer Live-Schalte. Am Sonntag lief ihr Volksultimatum an Lukaschenko aus. Die Demokratiebewegung fordert ein Ende der Polizeigewalt, die Freilassung aller politischen Gefangenen und den Rücktritt Lukaschenkos sowie eine Neuwahl. Rückenwind spürt die Opposition durch Zuerkennung des Sacharow-Menschenrechtspreises des EU-Parlaments.