Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Absturz der „Yo Yo Champ“
Kriegsende Ein US-Bomber wird in den letzten Kriegstagen über dem Augsburger Land abgeschossen. Acht Besatzungsmitglieder finden den Tod. Es gibt noch weitere Abstürze. Reste sind wieder aufgetaucht
Landkreis Augsburg Während in Teilen Deutschlands vor 75 Jahren bereits die Waffen schwiegen, tobte im Augsburger Land noch ein erbitterter Kampf auf Leben und Tod. Was bislang kaum bekannt war: Am 24. April wurden insgesamt elf USSoldaten bei einem Luftkampf über dem Augsburger Land getötet. Ein jetzt aufgetauchtes Dokument aus dem Nationalarchiv in Washington klärt auf, was genau mit Pilot Leigh Slates und seiner Crew passiert ist.
Die Maschine mit aufgemalten Comic-Vogel, der Jo-Jo spielt, war in der Nacht in Dijon in Frankreich gestartet. In einem Verband sollte laut den jetzt aufgetauchten Unterlagen eine Munitionsfabrik in Schwabstadl aus der Luft angegriffen werden. Die Maschine mit dem Spitznamen „Yo Yo Champ“befand sich bereits auf Kurs, als um 10.02 Uhr auf 9000 Fuß Höhe drei deutsche Düsenjäger vom Typ Me262 auftauchten. Die vermeintliche „Wunderwaffe“, von der sich die Nazis noch die Kriegswende erhofften, war der erste in Serie hergestellte Düsenjäger der Welt.
Einige Maschinen wurden auch ganz in der Nähe montiert: im geheimen Waldwerk Kuno im Scheppacher Forst. Dort mussten KZHäftlinge unter Anleitung von Messerschmitt-Facharbeitern alle vorgefertigten Bauteile zusammensetzen. Eine Handvoll der Maschinen startete dann auf der zu einer Flugpiste ausgebauten Autobahn in Richtung Burgau. Drei der Me 262-Jäger brachten sich hinter der „Yo Yo Champ“in Stellung und feuerten Raketen ab. Eine traf offenbar die tödliche Fracht, die eigentlich für die Munitionsfabrik vorgesehen war. In einem Feuerball explodierte der B26-Bomber. Die Besatzung mit Pilot Leigh Slates, Co-Pilot Howard E. Menzer, Floyd G. Phelps, John J. Ganhs, Robert W. Tillman und Lloyd S. Gauthier muss sofort tot gewesen sein.
Die Amerikaner untersuchten später den Absturz und fertigten auch eine Karte an: Auf dieser ist als Absturzstelle der Bereich zwischen Langenneufnach und Markt Wald eingezeichnet worden. Auch andere Flugzeugpiloten des Verbands wurden befragt. John S. Sprowls beobachtete, wie bei der Maschine seines Kollegen Leigh Slates der linke Flügel und die Flugzeugspitze exploDie Maschine sei dann in den Wolken verschwunden – etwa fünf Meilen westlich von Schwabmünchen. Noch präziser waren die Angaben von Claud H. Jordan, der in einem anderen Flugzeug saß: Der erste Angriff der drei Me 262-Düsenjäger hatte keinen Schaden angerichtet. Eine deutsche Maschine sei nach links und die andere nach rechts abgedreht. Eine Me 262 kehrte zurück, schoss Raketen ab und traf die „Yo Yo Champ“im vorderen Bombenschacht. „Das war das Letzte, was ich vom Flugzeug gesehen hatte“, gab Claude H. Jordan zu Protokoll. Wo genau die Teile der Maschine auf dem Boden aufschlugen, ist nicht bekannt.
Die getöteten Soldaten galten zunächst als vermisst. Erst später hatten die Eltern die Gewissheit: Ihre Söhne waren auf einer der letzten Kriegsmissionen gestorben. Die Heimatzeitung von Familie Slates in Palmyra im Bundesstaat Missouri berichtete über den Absturz des 25-Jährigen. Er war im August 1944 nach Europa gekommen und hatte 52 Einsätze über Deutschland und Italien. Im Januar 1945, wenige Wochen vor dem Abschuss, wurde seine Maschine schon einmal getroffen. Er konnte sich mit dem Fallschirm retten. Am 24. April 1945 hatten er und seine Besatzung keine Chance.
Nach den Recherchen von Werner Bischler von der Militärgeschichtlichen Sammlung Lechfeld wurde auch ein weiterer Bomber abgeschossen: Die „Stud Duck“, gesteuert von Fred Harms. Ein Besatzungsmitglied wurde aus dem Flugzeug geschleudert und konnte sich retten. Beide Bomber sollen zwischen Unterschönegg und Oberroth aufgeschlagen sein. Es gab noch weitere Opfer: Amerikanische Bedierten. gleitjäger griffen einen Wehrmachtsbus bei Schwabstadl an: Sieben Soldaten und die Luftwaffenhelferin Elli Arlt kamen ums Leben.
Es gibt noch einen weiteren Flugzeugabsturz in der Region. Reste davon entdeckte Jäger Remig Erlinger jüngst wieder. Etwa 150 Meter von der Absturzstelle zwischen Unterrothan und Siegertshofen entfernt, von Wildschweinen freigewühlt, kamen Aluminiumteile und ein Stück Plexiglas zum Vorschein. Sie stammten von einem HeinkelBomber, der am 28. Juni 1943 im Verband in dichten Wolken zusammengestoßen und abgestürzt war: Drei Maschinen schlugen in der Nähe von Seyfriedsberg auf, eine auf Langenneufnacher Flur. Von den 20 Besatzungsmitgliedern starben 18. Einer davon landete in Siegertshofen mit dem Fallschirm auf einem Birnbaum. „Er lag etwa vier Wochen im Wohnzimmer bei meiner Großmutter Viktoria Fleschütz auf dem Sofa, bis er transportfähig war. Dieser Soldat war Ende der 1980er-Jahre wieder in Siegertshofen. Er besuchte meinen Onkel Franz Fleschütz und dankte ihm für die Hilfsbereitschaft“, erinnert sich Erlinger. Michael Knoll aus Langenneufnach hat als Sechsjähriger die abstürzende Maschine gesehen. Er war gerade auf dem Feld. „Natürlich wollten wir dorthin und sehen, was passiert war. Aber die Soldaten ließen uns nicht hin“, erinnert er sich. Die toten Besatzungsmitglieder seien dann zum Bahnhof nach Langenneufnach gebracht und vermutlich nach Augsburg gefahren worden, so Knoll.