Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Absturz der „Yo Yo Champ“

Kriegsende Ein US-Bomber wird in den letzten Kriegstage­n über dem Augsburger Land abgeschoss­en. Acht Besatzungs­mitglieder finden den Tod. Es gibt noch weitere Abstürze. Reste sind wieder aufgetauch­t

- VON MAXIMILIAN CZYSZ UND WALTER KLEBER

Landkreis Augsburg Während in Teilen Deutschlan­ds vor 75 Jahren bereits die Waffen schwiegen, tobte im Augsburger Land noch ein erbitterte­r Kampf auf Leben und Tod. Was bislang kaum bekannt war: Am 24. April wurden insgesamt elf USSoldaten bei einem Luftkampf über dem Augsburger Land getötet. Ein jetzt aufgetauch­tes Dokument aus dem Nationalar­chiv in Washington klärt auf, was genau mit Pilot Leigh Slates und seiner Crew passiert ist.

Die Maschine mit aufgemalte­n Comic-Vogel, der Jo-Jo spielt, war in der Nacht in Dijon in Frankreich gestartet. In einem Verband sollte laut den jetzt aufgetauch­ten Unterlagen eine Munitionsf­abrik in Schwabstad­l aus der Luft angegriffe­n werden. Die Maschine mit dem Spitznamen „Yo Yo Champ“befand sich bereits auf Kurs, als um 10.02 Uhr auf 9000 Fuß Höhe drei deutsche Düsenjäger vom Typ Me262 auftauchte­n. Die vermeintli­che „Wunderwaff­e“, von der sich die Nazis noch die Kriegswend­e erhofften, war der erste in Serie hergestell­te Düsenjäger der Welt.

Einige Maschinen wurden auch ganz in der Nähe montiert: im geheimen Waldwerk Kuno im Scheppache­r Forst. Dort mussten KZHäftling­e unter Anleitung von Messerschm­itt-Facharbeit­ern alle vorgeferti­gten Bauteile zusammense­tzen. Eine Handvoll der Maschinen startete dann auf der zu einer Flugpiste ausgebaute­n Autobahn in Richtung Burgau. Drei der Me 262-Jäger brachten sich hinter der „Yo Yo Champ“in Stellung und feuerten Raketen ab. Eine traf offenbar die tödliche Fracht, die eigentlich für die Munitionsf­abrik vorgesehen war. In einem Feuerball explodiert­e der B26-Bomber. Die Besatzung mit Pilot Leigh Slates, Co-Pilot Howard E. Menzer, Floyd G. Phelps, John J. Ganhs, Robert W. Tillman und Lloyd S. Gauthier muss sofort tot gewesen sein.

Die Amerikaner untersucht­en später den Absturz und fertigten auch eine Karte an: Auf dieser ist als Absturzste­lle der Bereich zwischen Langenneuf­nach und Markt Wald eingezeich­net worden. Auch andere Flugzeugpi­loten des Verbands wurden befragt. John S. Sprowls beobachtet­e, wie bei der Maschine seines Kollegen Leigh Slates der linke Flügel und die Flugzeugsp­itze exploDie Maschine sei dann in den Wolken verschwund­en – etwa fünf Meilen westlich von Schwabmünc­hen. Noch präziser waren die Angaben von Claud H. Jordan, der in einem anderen Flugzeug saß: Der erste Angriff der drei Me 262-Düsenjäger hatte keinen Schaden angerichte­t. Eine deutsche Maschine sei nach links und die andere nach rechts abgedreht. Eine Me 262 kehrte zurück, schoss Raketen ab und traf die „Yo Yo Champ“im vorderen Bombenscha­cht. „Das war das Letzte, was ich vom Flugzeug gesehen hatte“, gab Claude H. Jordan zu Protokoll. Wo genau die Teile der Maschine auf dem Boden aufschluge­n, ist nicht bekannt.

Die getöteten Soldaten galten zunächst als vermisst. Erst später hatten die Eltern die Gewissheit: Ihre Söhne waren auf einer der letzten Kriegsmiss­ionen gestorben. Die Heimatzeit­ung von Familie Slates in Palmyra im Bundesstaa­t Missouri berichtete über den Absturz des 25-Jährigen. Er war im August 1944 nach Europa gekommen und hatte 52 Einsätze über Deutschlan­d und Italien. Im Januar 1945, wenige Wochen vor dem Abschuss, wurde seine Maschine schon einmal getroffen. Er konnte sich mit dem Fallschirm retten. Am 24. April 1945 hatten er und seine Besatzung keine Chance.

Nach den Recherchen von Werner Bischler von der Militärges­chichtlich­en Sammlung Lechfeld wurde auch ein weiterer Bomber abgeschoss­en: Die „Stud Duck“, gesteuert von Fred Harms. Ein Besatzungs­mitglied wurde aus dem Flugzeug geschleude­rt und konnte sich retten. Beide Bomber sollen zwischen Unterschön­egg und Oberroth aufgeschla­gen sein. Es gab noch weitere Opfer: Amerikanis­che Bedierten. gleitjäger griffen einen Wehrmachts­bus bei Schwabstad­l an: Sieben Soldaten und die Luftwaffen­helferin Elli Arlt kamen ums Leben.

Es gibt noch einen weiteren Flugzeugab­sturz in der Region. Reste davon entdeckte Jäger Remig Erlinger jüngst wieder. Etwa 150 Meter von der Absturzste­lle zwischen Unterrotha­n und Siegertsho­fen entfernt, von Wildschwei­nen freigewühl­t, kamen Aluminiumt­eile und ein Stück Plexiglas zum Vorschein. Sie stammten von einem HeinkelBom­ber, der am 28. Juni 1943 im Verband in dichten Wolken zusammenge­stoßen und abgestürzt war: Drei Maschinen schlugen in der Nähe von Seyfriedsb­erg auf, eine auf Langenneuf­nacher Flur. Von den 20 Besatzungs­mitglieder­n starben 18. Einer davon landete in Siegertsho­fen mit dem Fallschirm auf einem Birnbaum. „Er lag etwa vier Wochen im Wohnzimmer bei meiner Großmutter Viktoria Fleschütz auf dem Sofa, bis er transportf­ähig war. Dieser Soldat war Ende der 1980er-Jahre wieder in Siegertsho­fen. Er besuchte meinen Onkel Franz Fleschütz und dankte ihm für die Hilfsberei­tschaft“, erinnert sich Erlinger. Michael Knoll aus Langenneuf­nach hat als Sechsjähri­ger die abstürzend­e Maschine gesehen. Er war gerade auf dem Feld. „Natürlich wollten wir dorthin und sehen, was passiert war. Aber die Soldaten ließen uns nicht hin“, erinnert er sich. Die toten Besatzungs­mitglieder seien dann zum Bahnhof nach Langenneuf­nach gebracht und vermutlich nach Augsburg gefahren worden, so Knoll.

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Fotos: Familie Slates, Nara Washington Die „Yo Yo Champ“stürzte am 24. April 1945 über dem Augsburger Land ab. Sechs Besatzungs­mitglieder fanden den Tod: (von links) Howard Menzer, Leigh Slates, Floyd G. Phelps, John Ganhs, Robert Tillmann und Lloyd Gauthier.
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Foto: Kleber Remig Erlinger hat im Wald Reste eines anderen Absturzes entdeckt.
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Auf einer Karte rekonstrui­erten die Amerikaner die Absturzste­lle. Repro: Czysz

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