Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie riskant sind Geisterspiele?
Spieler müssen ständig getestet werden
Essen Die Bundesliga hofft, die Saison mit Geisterspielen beenden zu können. Dazu gibt es mehrere Überlegungen. Doch wie realistisch sind diese Planspiele und wie riskant wäre ihre Umsetzung? Viel wird davon abhängen, wie Virologen die Lage bewerten. Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie in Essen, hat die Lage eingeschätzt. Zu den von der Bundesliga geplanten Geisterspielen soll nur wenigen Menschen Eintritt in das Stadion gewährt werden. Dazu gehören Spieler, Betreuer, Medien- und Vereinsvertreter sowie Ordnungspersonal.
Sind 250 Menschen im Stadion vertretbar?
Hier sieht die Fachwelt die geringsten Probleme – auch Dittmer: „250 Menschen in einem Stadion zu verteilen und dabei die Abstandsregeln einzuhalten, halte ich für problemlos machbar.“Aus Sorge um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus empfehlen Mediziner derzeit einen Abstand von zwei Metern.
Wie hoch ist das Infektionsrisiko im Fußball?
Diese Infektionsgefahr schätzen alle Virologen aufgrund der vielen Zweikämpfe als hoch ein. Zudem ist die Gefahr kaum zu minimieren. Fußball mit Mundschutz hält Dittmer für „nicht wirklich machbar: Mit einem infektionssicheren Mundschutz können sie nicht lange Sport machen. Da haben sie deutliche Atemeinschränkungen. Und ein anderer Mundschutz, der nur lose vor dem Gesicht hängt und bei Zweikämpfen möglicherweise verloren geht, hilft nichts“. Profis und Betreuer sollen angeblich regelmäßig alle drei Tage auf das Coronavirus getestet werden. Der Aufwand wäre groß. Schließlich würden bis Saisonende etwa 20000 Tests benötigt.
Sind diese vielen Tests vertretbar?
In dieser Frage droht der Bundesliga Gegenwind. Auch Dittmer äußert Bedenken: „Wir haben keine unendlichen Testkapazitäten. Nun wollen auch die Amerikaner deutlich mehr testen und beschlagnahmen teilweise schon Testmaterial. Wir müssen unsere Tests so vernünftig einsetzen, dass sie denjenigen Personen, die sie wirklich benötigen, zugutekommen. Ich weiß nicht, ob es ethisch vertretbar ist, wenn man 20 000 Tests bei Personen durchführt, die eigentlich keine Risikogruppe darstellen und auch keine Symptome haben.“
Was müsste passieren, wenn ein Spieler positiv getestet wird?
Dieses Problem könnte zur größten Hürde werden. „Wenn man 90 Minuten Fußball spielt, gibt es so viele enge Kontakte, dass man sagen müsste, dass die Personen aus der Kontaktgruppe 1 eines Infizierten – so nennt man die Gruppe mit der höchsten Gefährdung – in Quarantäne gehen. Das ist das Vorgehen der allermeisten Gesundheitsämter“, kommentiert Dittmer. Angebliche DFL-Pläne sehen vor, die Teams und alle involvierten Personen über Wochen zu isolieren, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten.
Wie lange muss der Fußball noch ohne Zuschauer auskommen?
Dittmer schließt sich der Meinung seiner Kollegen an: „Nicht nur zum Fußball mit Zuschauern, sondern auch zu anderen Großveranstaltungen gibt es dazu eine Aussage der Leopoldina. Demnach können solche Veranstaltungen nicht stattfinden, bis wir einen Impfstoff haben. Ich halte diese Aussage für relativ belastbar.“