Augsburger Allgemeine (Land West)
Das steckt im Corona-Hilfspaket
Wirtschaftspolitik Die EU-Länder einigen sich auf Maßnahmen, mogeln sich allerdings um entscheidende Fragen herum
Brüssel Um die Wirtschaftskrise infolge der Corona-Pandemie abzufedern, mobilisiert die Europäische Union gemeinsam ein Rettungspaket für Jobs, Firmen und angeschlagene Staaten im Wert von mehr als 500 Milliarden Euro. Darauf einigten sich die EU-Finanzminister nach extrem schwierigen Verhandlungen. Niemals zuvor hat die Europäische Union in solcher Geschwindigkeit ein Sicherheitsnetz für die Mitgliedstaaten geknüpft. Am Karfreitag herrschte deshalb vor allem Erleichterung, dass man sich überhaupt zusammengerauft hat. Zentrale – und besonders umstrittene – Punkte wurden allerdings vertagt, darunter die Corona-Bonds.
Experten fürchten schon jetzt, dass die Maßnahmen alleine nicht ausreichen werden, um die europäische Wirtschaft zu stabilisieren. Das vereinbarte Paket enthält drei Punkte – jeweils ein „Sicherheitsnetz“für Jobs, für kleine und mittlere Unternehmen und für angeschlagene Staaten wie Italien oder Spanien, die ohnehin verschuldet sind und nun auch noch von der Corona-Pandemie schwer getroffen werden. Darum geht es:
● Kurzarbeit Das Konzept „Sure“der EU-Kommission soll Kurzarbeitergeld in den EU-Staaten unterstützen. Das sind Lohnzuschüsse für Firmen, die in der Krise trotz Auftragsmangels Mitarbeiter nicht entlassen. Dafür sollen die Mitgliedsländer 25 Milliarden Euro als Garantien hinterlegen. Mit dieser Rückendeckung nimmt die EU-Kommission bis zu 100 Milliarden Euro zu günstigen Konditionen am Kapitalmarkt auf und reicht sie nach Bedarf für Kurzarbeit an EU-Staaten weiter.
● Unternehmenskredite Die EUStaaten wollen gemeinsam einen Garantiefonds bei der Europäischen Investitionsbank EIB bestücken, ebenfalls mit 25 Milliarden Euro. Damit könnte wiederum die EIB Unternehmenskredite absichern. Die Bank will bis zu 200 Milliarden
Euro an Liquidität mobilisieren, hauptsächlich für den Mittelstand. ● Rettungsschirm Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM soll binnen zwei Wochen vorsorglich Kreditlinien für alle Staaten der Eurogruppe bereithalten. Der ESM wurde 2012 als Rettungsschirm für Staaten in der Eurokrise gegründet und vergab etwa an Griechenland Kredite unter strengen Auflagen.
Für die jetzt vereinbarte „Pandemie-Krisen-Hilfe“werden allerdings keine Sparprogramme gefordert, es gibt lediglich eine Vorgabe: Das Geld darf nur für direkte oder indirekte Gesundheitskosten verwendet werden. Bis zu 240 Milliarden Euro an Krediten könnten fließen – an jedes Empfängerland bis zu zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts.
● Fonds Vereinbart wurde auch ein „Recovery Fund“, der „Solidarität mit den am meisten betroffenen Staaten“sichern und die Wirtschaft nach der Krise wieder anschieben soll. Er soll den „außerordentlich hohen Kosten“der Krise Rechnung tragen. Allerdings bleib die Frage offen, wie der Fonds finanziert wird. Einige Staaten wollen dafür Gemeinschaftsanleihen ausgeben, während andere – darunter Deutschland – solche Corona-Bonds ablehnen, die eine Vergemeinschaftung von Schulden bedeuten würden. Die Tür dafür bleibe jedenfalls offen, sagte der Mailänder Wirtschaftsprofessor Andrea Boitani. Der Fonds müsse schließlich finanziert werden und damit kämen die Bonds wieder auf den Tisch. Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra bekräftigte vorsorglich sein Veto: „Eurobonds sind etwas, was für mich nicht in Ordnung war, nicht in Ordnung ist und auch nie in Ordnung sein wird.“
● Deutschland Die Bundesrepublik wird die drei europäischen Instrumente wohl vorerst nicht brauchen, da sie starke eigene Strukturen hat, darunter das Kurzarbeitergeld, die staatliche Förderbank KfW und eine hohe Kreditwürdigkeit. Auch ESM-Kredite werden voraussichtlich nicht benötigt. Deutschland ist allerdings bei der Finanzierung beziehungsweise Absicherung der Instrumente gefragt: Für „Sure“werden Garantien fällig, für den EIBGarantiefonds Einzahlungen, die sich nach Größe und Wirtschaftskraft eines Staates richten. Für den ESM wird keine zusätzliche Einlage nötig.