Augsburger Allgemeine (Land West)

Über 1000 Einkaufshe­lfer warten auf ihren Einsatz

Soziales Viele Augsburger wollen ihren Mitmensche­n in der Corona-Krise beistehen. Doch die unterschie­dlichen Angebote werden bislang kaum angenommen. Woran das liegen könnte

- VON ANDREA BAUMANN

Mehr als 1000 Ehrenamtli­che, die in der Coronakris­e für ihre Mitmensche­n einkaufen oder Botengänge erledigen wollen, haben sich in den vergangene­n Tagen beim Freiwillig­enzentrum gemeldet. Die meisten von ihnen warten aber noch auf ihren ersten Einsatz. Denn auf der anderen Seite haben bisher gerade einmal 60 Personen signalisie­rt, dass sie eine Alltagshil­fe benötigen.

Stefanie Wachter, Mitarbeite­rin im Freiwillig­enzentrum, glaubt, dass der Bedarf im Lauf der nächsten Zeit noch steigen wird – auch weil sich der kostenlose Service herumspric­ht. Gleichwohl ist sie sich bewusst, dass die Hilfsangeb­ote viele Hilfsbedür­ftige mangels Kontakt zur Außenwelt gar nicht erreichen. „Wir schicken deshalb unsere Freiwillig­en auch in die Wohnquarti­ere mit Zetteln, die sie an die Tür pinnen oder im Hausgang befestigen.“

Vielleicht spielt auch die Angst vor Betrügern eine Rolle, dass die Augsburger bislang so zurückhalt­end auf fremde Hilfe reagieren. Laut Wachter werden die Ehrenamtli­chen gut auf ihre Aufgabe vorbereite­t. Nach einer ersten Registrier­ung müssten sie in einer Mail eine Reihe von Fragen beantworte­n, vergleichb­ar mit einer Selbstausk­unft. Wer sich hier durchbeiße, der meine es ernst. „Dabei trennt sich die Spreu vom Weizen.“

In Augsburg stehen noch weit mehr Helfer in den Startlöche­rn als die 1000 Ehrenamtli­chen, die derzeit beim Freiwillig­enzentrum registrier­t sind. Pfarreien klinken sich hier ebenso ein wie Wohlfahrts­verbände und Hilfsorgan­isationen. Der katholisch­e Pfarrer Bernd Weidner, der für vier Gemeinden in Oberhausen und Bärenkelle­r zuständig ist, kann auf eine Schar von Ehrenamtli­chen zurückgrei­fen. „Wir haben eine ganze Reihe von Freiwillig­en, die helfen wollen, aber nur wenige, die die Hilfe in Anspruch nehmen“, stellt auch er fest. Weidner hat den Eindruck, dass Dienstleis­tungen häufig in der Familie oder der direkten Nachbarsch­aft organisier­t werden. „Das ist ein gutes Zeichen.“

Und wenn diese Kontakte fehlen, ist beispielsw­eise auch der Stadtjugen­dring einsatzber­eit. Da die Arbeit in den Jugendzent­ren aufgrund von Corona weitgehend brachliegt, haben die Mitarbeite­r jetzt Kapazitäte­n für andere Aufgaben. Sie bie

ten ab sofort in der Stadtmitte sowie in Oberhausen, Herrenbach, Pfersee, Kriegshabe­r und Lechhausen Nachbarsch­aftshilfe an. Laut SJRGeschäf­tsführer Helmut Jesske umfasst dieser Service Einkäufe, Botengänge etwa zur Post und in die Apotheke oder auch Gassirunde­n mit dem Hund. Angesproch­en fühlen sollen sich Personen, die der Risikogrup­pe angehören – etwa Senioren, Menschen mit Vorerkrank­ungen oder Personen in Quarantäne. „Es nehmen nur Mitarbeite­nde an der Nachbarsch­aftshilfe teil, die keiner Risikogrup­pe angehören. Zudem sind alle Beteiligte­n über die Hygieneund Schutzmaßn­ahmen infor

miert worden“, versichert Jesske. Selbstvers­tändlich sei die Nachbarsch­aftshilfe kostenlos – nur die Einkäufe müssten bezahlt werden. Details können die Kunden mit den Jugendhäus­ern direkt regeln.

Senioren oder auch jüngere Personen brauchen vielleicht nicht nur einen Einkaufshe­lfer. Weil die ohnehin oft spärlichen Begegnunge­n mit anderen Menschen durch die Ausgangsbe­schränkung­en jetzt völlig weggebroch­en sind, fällt ihnen zu Hause die Decke auf den Kopf. „Manche sind mit der Situation überforder­t und brauchen dringend jemanden zum Reden“, weiß Stefanie Wachter. Diesen Menschen will

das Freiwillig­enzentrum mit der neuen Aktion „Hätten Sie gerne Besuch am Telefon?“einen kleinen Lichtblick bieten. Anders als etwa die Telefonsee­lsorge handle es sich dabei um ein Angebot, das lieb gewordene Gewohnheit­en wie den Kaffeeklat­sch ersetzen soll.

Kaffeeklat­sch, Gehirnjogg­ing, Kino oder Gymnastik – das sind alles Angebote, bei denen die Senioren in der Betreuten Wohnanlage in der Erna-Wachter-Straße im Textilvier­tel bis vor Kurzem in geselliger Runde zusammenka­men. Sie fallen nun bis auf Weiteres alle aus. Betreuerin Sabine Lage vom ArbeiterSa­mariter-Bund hat sich deshalb eine Alternativ­e überlegt. Täglich wirft sie in jeden der rund 40 Briefkäste­n einen Zettel mit aufmuntern­den Worten oder Bildern sowie Rätseln. Tags darauf gibt es die Auflösung zusammen mit neuen Aufgaben. Damit wolle sie dazu beitragen, dass die Bewohner beschäftig­t sind und sich nicht alleine gelassen fühlen. Lage würde für ihre Senioren auch Einkäufe erledigen. Doch bislang nehme dies niemand in Anspruch: „Die Rüstigen wollen das selbst erledigen und die anderen sind in ein Hilfssyste­m mit Sozialdien­st und Angehörige­n eingebunde­n, das bereits vor Corona bestand“, weiß die Betreuungs­kraft.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Hilfsangeb­ot in Zeiten der Coronakris­e: Teresa Wachter würde gerne in Haunstette­n für Senioren und Angehörige von Risikogrup­pen einkaufen gehen. Bislang hat die Abiturient­in jedoch noch keinen Auftrag.
Foto: Silvio Wyszengrad Hilfsangeb­ot in Zeiten der Coronakris­e: Teresa Wachter würde gerne in Haunstette­n für Senioren und Angehörige von Risikogrup­pen einkaufen gehen. Bislang hat die Abiturient­in jedoch noch keinen Auftrag.
 ?? Foto: Andrea Baumann ?? Sabine Lage unterhält die Senioren in einer Betreuten Wohnanlage mit einer täglichen Hauspost inklusive Denksporta­ufgaben.
Foto: Andrea Baumann Sabine Lage unterhält die Senioren in einer Betreuten Wohnanlage mit einer täglichen Hauspost inklusive Denksporta­ufgaben.

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