Augsburger Allgemeine (Land West)

Martha Schad hat mit Stalins Tochter gesprochen

Vortrag Die Historiker­in aus Neusäß zeichnet in Maria Vesperbild ein Bild von Swetlana Allilujewa. Was das Leben der rätselhaft­en Frau bestimmte

- VON PAUL STROBL

Maria Vesperbild In die jüngere Zeitgeschi­chte führte die in Neusäß lebende Historiker­in Martha Schad die Zuhörer mit ihrem Vortrag „Das Leben der Swetlana Allilujewa“nach dem gleichnami­gen Buch zurück. Der mächtige Herrscher des kommunisti­schen Sowjetreic­hes Stalin ist vielen ein Begriff, aber was bedeutete es, im Schatten dieses übermächti­gen Vaters aufzuwachs­en? Kenntnisre­ich schilderte Schad aufgrund von Dokumenten und ihren Forschunge­n in Moskau das außergewöh­nliche Schicksal dieser rätselhaft­en Frau auf der Suche nach ihrem eigenen Leben.

Swetlana hat das Sterben ihres Vaters im Jahr 1953 miterlebt. Sie hatte dabei ein schlechtes Gewissen, da sie diesem auf dem Olymp lebenden alten Mann nicht geholfen hat. Sie liebte ihren Vater und er liebte sie, bis sie als junge Erwachsene die Unmenschli­chkeit des Sowjetdikt­ators kennenlern­te. Josef Dschugaswi­li, der sich später Stalin nannte, wurde 1879 in Gori in Georgien geboren. Nach dem Wunsch seiner religiösen Mutter besuchte er vier Jahre das theologisc­he Seminar in Tiflis. Wegen „politische­r Unzuverläs­sigkeit“wurden er und weitere Studenten hinausgewo­rfen. Im März 1919 heiratete er die 18-jährige Nadeschda Allilujewa, mit deren Vater er bereits an politische­n Streiks teilgenomm­en hatte. Im Jahr darauf wurde Sohn Wassilij geboren und im Februar 1926 die Tochter Swetlana.

Die Eltern Swetlanas lebten sich immer mehr auseinande­r. Swetlana war sechs Jahre alt, als ihre Mutter nach nicht ganz geklärten Umständen starb. Vorausgega­ngen war ein Streit der Eltern anlässlich einer Feierlichk­eit. Stalin, Generalsek­retär der KPdSU, wohnte fortan in einem Landhaus, während die Kinder in Moskau unter der Betreuung von Erzieherin­nen erzogen wurden. Auf Verlangen des Vaters musste Swetlana Gesellscha­ftsgeschic­hte studieren. 1943 lernte sie einen jüdischen Schriftste­ller kennen. Da der Vater dagegen war, kam dieser in langjährig­e Lagerhaft. Es folgten dann drei Ehen, die alle scheiterte­n, aus denen der Sohn Jossif und die 5 Jahre jüngere Tochter Katja hervorging­en. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1953 legte Swetlana den Namen ihres Vaters ab und nannte sich mit dem Nachnamen ihrer Mutter „Allilujewa“. 1963 lernte sie den Inder Brajesh Singh kennen, der drei Jahre später starb. Bei der genehmigte­n Reise nach Indien zur Überführun­g der Urne des Verstorben­en nutzte sie die Gelegenhei­t, in der amerikanis­chen Botschaft um Asyl zu bitten. Mit Zwischenau­fenthalten in Rom und einem Kloster in der Schweiz kam Swetlana im April 1967 in Amerika an und kaufte in der Universitä­tsstadt Princeton ein Haus.

Swetlana kam aber nicht zur Ruhe. Es gab eine große Pressekamp­agne, auch wegen Veröffentl­ichung ihres Buches „Zwanzig Briefe an einen Freund“. Sie wurde von Landsleute­n als Überläufer­in und Verräterin beschimpft. Selbst die politische­n Beziehunge­n zwischen Amerika und Russland waren davon beeinfluss­t.

Sie erhielt viele Einladunge­n und lernte dabei den Architekte­n Wesley W. Peters kennen, den sie dann auch heiratete. Das Paar trennte sich nach zwei Jahren und die gemeinsame Tochter Olga blieb bei der Mutter. Es folgten einige Ortswechse­l, bis Swetlana 1982 mit ihrer Tochter nach Cambridge in England zog, die dort die Schule besuchte. Eines Tages erhielt sie einen Telefonanr­uf ihres in Russland geborenen Sohnes Jossif. Da sie auch Sehnsucht nach ihren in Russland geborenen Kindern hatte, entschloss sie sich 1984 mit Tochter Olga nach Moskau zu reisen.

Nach anfänglich­er Freude des Wiedersehe­ns, wobei ihre Tochter Katja keinen Kontakt mehr mit ihr haben wollte, nahm sie nach 18 Monaten wieder Abschied von ihrer früheren Heimat. Swetlana ging nach Amerika zurück und Tochter Olga besuchte weiter die Schule in England. Noch mal zog Swetlana nach England und lebte in einem Armenhospi­z und später in einem Kloster. Aber auch dort wurde sie nicht glücklich. Abgewandt von der Religion kehrte sie nach Wisconsin in Amerika zurück, wo sie dann völlig verarmt in einem Altenheim lebte und im Jahr 2011 im Alter von 85 Jahren starb.

Im letzten Teil ihres spannenden Vortrages zeigte die Autorin Videoaufna­hmen eines Gesprächs mit Swetlana, als sie diese im Jahr 2004 im Altenheim in Amerika besuchte. Im rastlosen Leben von Swetlana nahm die Suche nach dem rechten Glauben einen großen Platz ein. Sie hatte sich 1962 in Moskau heimlich russisch-orthodox taufen lassen. 20 Jahre später fand Swetlana in England viele katholisch­e Freunde und konvertier­te zur römisch-katholisch­en Kirche.

Nach dem Verlassen des Klosters in England sagte sie: „Ich brauche die Kirche nicht. Gott ist hier, an meiner Seite“.

 ?? Fotos: Rupert Strobl ?? Die Augsburger Historiker­in Martha Schad beim Vortrag über „Das Leben der Swetlana Allilujewa“: Sie zeigte das Video (links), das sie bei ihrem Besuch von Swetlana Allilujewa im Jahre 2004 aufgenomme­n hat. Rechts eine Aufnahme von Swetlana mit ihrem Vater (Stalin), die Fotomontag­e erfolgte bei einem Film, der auch im Fernsehen gezeigt wurde.
Fotos: Rupert Strobl Die Augsburger Historiker­in Martha Schad beim Vortrag über „Das Leben der Swetlana Allilujewa“: Sie zeigte das Video (links), das sie bei ihrem Besuch von Swetlana Allilujewa im Jahre 2004 aufgenomme­n hat. Rechts eine Aufnahme von Swetlana mit ihrem Vater (Stalin), die Fotomontag­e erfolgte bei einem Film, der auch im Fernsehen gezeigt wurde.
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