Augsburger Allgemeine (Land West)
Die SPD schließt die Reihen
Mit unerwartet guten Ergebnissen startet die neue Doppelspitze in ihr Amt. Für sie allerdings beginnt die eigentliche Arbeit erst: Nachverhandlungen mit der Union
Berlin Die SPD hat die erste Doppelspitze ihrer Nachkriegsgeschichte mit einem unerwartet starken Ergebnis ausgestattet und einen sofortigen Ausstieg aus der Großen Koalition vermieden. Der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans erhielt beim Parteitag in Berlin 89,2 Prozent der Stimmen, die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken 75,9 Prozent. „Diese Partei gehört zusammen“, sagte Walter-Borjans nach der Wahl. Mit dem Wahlergebnis hat das Duo das Mandat, mit CDU und CSU den Koalitionsvertrag nachzuverhandeln – was weite Teile der Union aber ablehnen.
Walter-Borjans und Esken wollen die Politik der ausgeglichenen Haushalte aufgeben und die Schuldenbremse im Grundgesetz streichen. Sie fordern einen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde und Nachbesserungen am Klimapaket. Sie stellen sich gegen eine Aufrüstung der Bundeswehr und mehr Auslandseinsätze. „Dann machen wir gemeinsam einen ordentlichen
Linksschwenk“, rief Walter-Borjans den Genossen zu und erntete dafür viel Applaus. Einen Antrag zu einem sofortigen Ausstieg aus der Koalition lehnte der Parteitag jedoch ab. Die neue Parteispitze soll zunächst mit der Union verhandeln, anschließend soll der Parteivorstand entscheiden, ob die Forderungen der SPD im bestehenden Regierungsbündnis noch umsetzbar sind.
Bereits in der Debatte zuvor waren die Befürworter eines raschen Ausstiegs in der Minderheit. Familienministerin Franziska Giffey, Umweltministerin Svenja Schulze und
Arbeitsminister Hubertus Heil warben dafür, die Regierung nicht platzen zu lassen. „Es wäre idiotisch aus der Koalition auszutreten, ohne die Grundrente durchgesetzt zu haben“, sagte Heil. Aus der Koalition müsse herausgeholt werden, was noch herauszuholen sei. Er wolle auch der sein, der den Tarifvertrag für die Pflege im kommenden Jahr für allgemein verbindlich erkläre.
Juso-Chef Kevin Kühnert interpretierte die Ergebnisse des Parteitages anders. Die Wahl der neuen Vorsitzenden beinhalte eine klare Botschaft. „Diese Botschaft war: kein Weiter so“, betonte Kühnert. Er hatte Esken und Walter-Borjans maßgeblich unterstützt und gilt als einer der entschiedensten Gegner des Bündnisses mit der Union. Auch Esken betonte: „Ich war und ich bin skeptisch, was die Zukunft dieser Großen Koalition angeht.“Die SPD gebe ihr aber eine realistische Chance auf eine Fortsetzung. „Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“
Wie schlecht es um Kanzlerin und GroKo schon steht, lesen Sie im Leitartikel. Um den Parteitag selbst geht es auf der Dritten Seite.